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„Azubi-Speeddating“ in KölnJeder Kandidat hat zehn Minuten

Lesezeit 3 Minuten

Werbung mit Untoten: Bei Ina Bieber (l.) und Elisa Weyersberg herrscht dennoch Mützen-Verbot.

Köln – „Warum bewerben Sie sich so spät?“ Das sei die fieseste Frage gewesen, die Gülcan Merkit in ihrem Bewerbungsmarathon beantworten musste. Da sei ihr keine Antwort eingefallen, gibt die 18-Jährige im blauen Blazer zu. „Weil wir den Ernst der Lage nicht erkannt haben“, sagt sie jetzt. In diesem Monat schließt sie das Berufskolleg ab. 60 Bewerbungen hat sie seit Ende vorigen Jahres verschickt. Zu wenige, findet sie heute. „Und viel zu spät.“

Weil außer Absagen nichts dabei herumkam, ist sie zum „Azubi-Speeddating“ der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK) ins Rhein-Energie-Stadion gekommen. Es ist die Last-Minute-Börse für Ausbildungen: Auf der einen Seite bieten 80 Unternehmen aus der Region rund 300 Ausbildungsplätze noch für dieses Jahr an – von KVB, AWB, Lidl und Phantasialand bis hin zu Versicherungen, Hotels oder Kreativagenturen.

Auf der anderen Seite warten in langen Schlangen rund 1700 Bewerber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Viele Altersstufen sind vertreten – und von Anzug mit Krawatte bis zu Jogginghose und schief sitzender Schirmmütze so ziemlich alle Outfits. Maximal zehn Minuten bleiben den Bewerbern, um die Unternehmen auf der anderen Seite des Tisches von sich zu überzeugen.

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Mit der gewagten Gammel-Kombination haben sie allerdings schlechte Karten. „Geht gar nicht“, sagt KVB-Ausbildungsleiter Guido Marx. Dabei sei die KVB ansonsten nicht besonders streng. Häufig würden auch leistungsschwächere Kandidaten eingestellt, „wenn sie charakterlich überzeugen“.

Vom Prädikat „mustergültig“ weit entfernt

Sogar bei der Kreativagentur Antwerpes gilt das Mützen-Verbot. Dabei macht das Kölner Unternehmen selbst ganz unkonventionell auf sich aufmerksam: mit einem blutverschmierten Untoten auf dem Plakat und dem Slogan „Werde Büro-Zombie“. „Hier wollen wir gerne sehen, dass die Bewerber die Sache ernst nehmen“, sagt Personalreferentin Ina Bieber.

Auch wenn sich das optisch nicht immer bemerkbar macht: Ernst ist es den meisten jungen Leuten. Denn viele sind schon lange auf der Suche, ihre Lebensläufe vom Prädikat „mustergültig“ weit entfernt. Kim Möller, 22, hat den Schulabschluss schon 2008 gemacht – und eine Tochter geboren. Eine Ausbildung sucht sie deswegen erst jetzt.

Lukas Meier, 26, war bereits anderthalb Jahre in einer Ausbildung zum Elektriker – bis der Betrieb pleite ging. Henning Walther, 35, war Jahre lang DJ und Produzent von Techno-Musik – jetzt wäre er zu was „richtig Spießigem bereit“, sogar für die Beamtenlaufbahn. Heute ist er wegen einer Ausbildung als Informatiker im Stadion. Das Gespräch war mittelmäßig, Walther ist trotzdem nicht sonderlich geknickt. Denn auch wenn der Bewerbungsmarathon nicht direkt einen Job bringt, hilft er den Nerven: „Man leidet nicht mehr so wie am Anfang.“