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Fall Bahar AslanKölner Politologe „zutiefst entsetzt“ über Entlassung – Türkische Gemeinde solidarisch

Lesezeit 4 Minuten
Die Kölnerin Bahar Aslan, Dozentin an der Polizei-Hochschule in Gelsenkirchen, hat nach einem Tweet ihren geplanten Lehrauftrag verloren.

Die Kölnerin Bahar Aslan, Dozentin an der Polizei-Hochschule in Gelsenkirchen, hat nach einem Tweet ihren geplanten Lehrauftrag verloren.

Sowohl türkische Verbände als auch der Kölner Politologe Christoph Butterwegge kritisieren die Entlassung von Bahar Aslan mit deutlichen Worten.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hat sich entsetzt über den Rauswurf der Dozentin Bahar Aslan von der Polizei-Hochschule in Gelsenkirchen gezeigt. „Wer eine engagierte Dozentin entlässt, weil sie auf rassistische Strukturen innerhalb der Polizei hinweist, der ist Teil des Rassismusproblems in Deutschland“, sagte der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu laut einer Mitteilung. „Frau Aslan hat nur das zum Ausdruck gebracht, was unzählige Menschen in Deutschland fühlen, was sie erleben und wovor sie Angst haben.“

Serhat Ulusoy, Landesvorsitzender des Türkischen Bunds in Nordrhein-Westfalen, forderte, die Entscheidung gehöre zurückgenommen und mit den Verantwortlichen aufgearbeitet. Die Autorin Aslan hatte an der Hochschule einen Lehrauftrag für „interkulturelle Kompetenzen“, der wegen eines Tweets nicht verlängert worden war.

TGD-Vorsitzender: „Niemand bezeichnet die Polizei als solche als ‚braunen Dreck‘“

Die Hochschule hatte am Montag mitgeteilt, Aslan sei aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln. Hintergrund ist dieser Tweet von Aslan: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.“

Der TGD-Vorsitzende Sofuoglu sagte: „Niemand bezeichnet die Polizei als solche als ‚braunen Dreck‘, und diejenigen, die diesen Eindruck jetzt erwecken, haben zentrale Versprechen unserer Verfassung nicht verstanden.“ Er verwies auf die Ermittlungen zum NSU, auf Chatgruppen, die rechtsextremistische Gesinnung bei Polizisten zeigten, und „racial profiling“. Davon spricht man, wenn Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale kontrolliert werden.

Christoph Butterwegge „erschreckt“ vom Umgang mit Bahar Aslan

Auch der bekannte Kölner Politologe und Armutsforscher Christoph Butterwegge kritisiert die Entscheidung, Aslans Lehrauftrag an der Polizei-Hochschule zu kündigen und auch Konsequenzen für sie als verbeamtete Lehrerin an einer Schule in Gelsenkirchen zu prüfen. Dies sei „eher ein Fall NRW-Innenministerium und Schulaufsicht/Bezirksregierung Münster“ schreibt Butterwegge dieser Zeitung. Aslan habe zu seinen Studierenden in Köln gehört, die „Art und Weise des Umgangs staatlicher Stellen mit dieser jungen Frau“ erschrecke ihn.

Aslan habe sicher eine „unglücklichen Wortwahl“ getroffen, jedoch würden ihr die Worte im Mund umgedreht und ihre Existenz bedroht werden. „Tatsächlich gibt es strukturellen Rassismus und rechtsextreme Überzeugungen innerhalb der Polizei, was weder geleugnet noch verharmlost werden darf, sondern energisch bekämpft werden muss“, schreibt Butterwegge. Der 72-Jährige nimmt NRW-Innenminister Herbert Reul dafür in die Pflicht. Dieser stelle sich „reflexartig“ hinter die Polizei, wenn es um übertriebene Polizeigewalt gehe. Reul müsse jetzt aber seine „Fürsorgepflicht gegenüber einer ohne triftigen Grund von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung gemaßregelten Lehrbeauftragten“ wahrnehmen. Dass Aslan „offener Hass und Hetze entgegenschlage“, entsetze ihn, so Butterwegge.

Grüne kritisierten auch den Rauswurfs Aslans

Auch die Grünen kritisierten den Rauswurf Aslans: „Dass Bahar Aslan einem solchen Shitstorm von Hass und Hetze ausgesetzt ist, ist durch nichts zu rechtfertigen“, teilte Julia Höller mit, innenpolitische Sprecherin der grünen NRW-Landtagsfraktion.

Der besagte Tweet sei zwar unglücklich formuliert gewesen und sie könne emotional nachvollziehen, dass sich Polizistinnen und Polizisten pauschal angegriffen fühlen. Sie hoffe dennoch, dass Aslan weiterhin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW lehren könne. Die Einbindung der Perspektive von Personen, die von Rassismus betroffen sind, sei unerlässlich.

Der Grünen-Landesvorsitzende Tim Achtermeyer kritisierte, Aslan „hatte offenbar nicht mal die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen oder mit ihren Vorgesetzten zu sprechen.“ Stattdessen sei der Arbeitgeber Hochschule vor einem Shitstorm eingeknickt. „Die Hochschule wäre gut beraten, diesen Schritt zurückzunehmen und das Gespräch zu suchen.“

SPD-Fraktionschef Jochen Ott: „Bedauerliche Entwicklung“ im Fall Bahar Aslan

Der SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Jochen Ott, sagte: „Das ist eine sehr bedauerliche Entwicklung, zu der ich ganz klar sagen muss: Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Und für die Aufnahme von Gesprächen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich werben. Dass beide Seiten die Visiere hoch nehmen, miteinander reden. Und sich fragen, was schiefgelaufen ist und wie man es aus der Welt schaffen kann.“

Ott warnt vor Pauschalurteilen: „Die Formulierung war so vollkommen daneben. Gleichzeitig müssen wir die Sorgen und Ängste von Menschen mit Migrationshintergrund ernst nehmen.“

Serap Güler wirft Bahar Aslan Pauschalisierung vor

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler meldete sich via Twitter ebenfalls zu Wort. „Würd mich gern mit #BaharAslan solidarisieren“ schreibt die türkeistämmige Kölnerin. Es gebe aber einen „Unterschied zwischen Kampf gegen Rechtsextremismus & Generalverdacht an der Polizei. Tweet war leider letzteres. Zu pauschal, sie zu wenig einsichtig“, kritisiert Güler.

Sie dreht den Spieß um und stellt sich vor, eine Polizistin würde vom „Macho-Dreck bei Migranten“ sprechen. Dann wäre die Empörung bei denen, „die sich jetzt über die Empörung empören“ groß, schreibt sie.

Ein User entgegnet ihr kritisch, er habe Aslans Tweet keineswegs als Generalverdacht gegen alle Polizistinnen und Polizisten verstanden. Mit dem Kern ihres Vorwurfs habe Aslan Recht. (red, dpa)