Bau der Kölner MoscheeEs war einmal ein Vorzeigeprojekt
- Die Zentralmoschee und ihre Entstehung galten einst als Beispiel für funktionierende Integration und Toleranz.
- Doch mit der Radikalisierung der türkischen Politik unter Erdogan schottete sich die Ditib systematisch von der Stadtgesellschaft ab.
- Nun gipfelt alles in einer Eröffnungsfeier, die zur Bühne für einen autokratischen Regierungschef wird. Blick zurück auf die kontroverse Geschichte eines politisch und religiös aufgeladenen Gebäudes.
Köln – Als im November 2009 der Grundstein für die große Moschee in Ehrenfeld gelegt wurde, sah die Welt noch anders aus. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan galt noch als freundlicher Reformer. In Köln war in unzähligen Debatten in Sälen, Zeitungen und auf der Straße offen über die Bedeutung des Moscheebaus diskutiert worden. Der repräsentative Kuppelbau war – je nach Standpunkt – ein Symbol für gelingende Integration oder aber für eine zu selbstbewusst auftretende Bauherrin.
Die Ditib beteiligte sich mit ehrlichem Engagement und der Bereitschaft, sich auch auf manch seltsamen Test ihres Integrationswillens einzulassen: Ihre Exponenten kletterten auf einen Festwagen im Rosenmontagszug und ließen sich auf Debatten über Forderungen ein, der sich keine christliche Kirche stellen muss. Religionskritische Lesungen und „Kabarett am Minarett“ sollte sie in Gebetsräumen zulassen.
Vorgeschichte des Moscheebaus wirkt vorbildlich
Die Debatten wurden hart, oft auch unfair – bestritt doch mancher sogar das selbstverständliche Recht eines jeden Grundstückseigentümers, auf seinem Grund und Boden bauen zu dürfen. Rechtsextreme und Rechtspopulisten liefen vor der Ditib-Zentrale auf, die sich bereits Jahrzehnte vor dem Baubeginn an der Kreuzung Innere Kanalstraße und Venloer Straße befand. Kirchen, Gewerkschaften, die meisten Parteien und Verbände organisierten Gegenprotest und Solidarität mit der Ditib.
Um die Kritik an der Größe des Baus, die Höhe der Minarette und den Ärger über Muezzin-Rufe nicht den rechten Hetzern zu überlassen, schuf auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Plattformen zum Austausch der unterschiedlichen Positionen. Ein vom damaligen Chefredakteur Franz Sommerfeld herausgegebener Sammelband dokumentierte nicht nur den „Moscheestreit“, sondern auch – so der Untertitel des Buchs – „eine exemplarische Debatte über Einwanderung und Integration“. Im Rückblick und vor allem im Vergleich mit heutigen Formen der politischen Auseinandersetzungen wirkt die Vorgeschichte des Moscheebaus vorbildlich. Vertreter der Zivilgesellschaft fanden einen Umgang mit rechtspopulistischer Propaganda, der über „Nazis raus“-Rufe hinaus ging.
Raus aus den Hinterhöfen
Die repräsentative Moschee eines von türkischen Einwanderern geprägten Verbandes galt immer auch als selbstbewusster Ausdruck des Willens, die Hinterhöfe zu verlassen. Wer baut, der bleibt. Und wer sich als Teil von Stadt und Gesellschaft begreift, darf auch Forderungen stellen. Manchem ging dieses Selbstbewusstsein zu weit. Die Kölner CDU verließ auf einem denkwürdigen Parteitag das breite Bündnis für den Moscheebau – und riskierte damit, den eigenen Oberbürgermeister Fritz Schramma zu demontieren, der unbeirrt zum Projekt und zur Bauherrin stand.
Die Ditib hatte vieles richtig gemacht. Sie ließ sich nicht nur darauf ein, einen Architektenwettbewerb mit externer Jury durchzuführen, den dann mit dem Kölner Architekten Paul Böhm ein deutscher Kirchenbauer gewinnen konnte. Sie gründete auch einen Moscheebeirat, in dem sich Schramma und viele andere Vertreter aus Politik, Religionsgemeinschaften und dem Stadtviertel zum regelmäßigen Austausch mit den Ditib-Verantwortlichen trafen.
Nicht nur die Diskussion um dieses städtebaulich wichtige Projekt in exponierter Lage und seine Vorgeschichte war fast immer vorbildlich, auch die konkreten Planungen für das Bauvorhaben selbst. Die Ditib trat an, um allen zu zeigen, dass man Großprojekte in einem überschaubaren Zeitraum realisieren kann. In nur zwei Jahren sollte die neue Deutschland-Zentrale samt Moschee stehen. Mit dem Böhm-Entwurf sollte es gelingen, traditionelle Formen eines türkisch geprägten Islams mit modernen Formen, die für Transparenz und Offenheit stehen sollten, unter einen Hut zu bringen. Das war nicht nur architektonisch ein schwieriger Spagat. Da die Ditib die Moschee mit Spenden finanzierte, sollte kein einfaches Gemeindemitglied durch allzu Experimentelles verprellt werden.
Hinter den Kulissen tobte der Streit zwischen Ditib und Böhm
So dauerte es ewig, bis eine für alle Beteiligten akzeptable Idee für die Gestaltung des Innenraums gefunden wurde. Aber auch hier gelang trotz langer Debatten eine ausgesprochen ansprechende Lösung. Als diese von der Ditib präsentiert wurde, war die Euphorie für ihr Projekt, die bei der Grundsteinlegung herrschte, lange verflogen.
Schon 2011, als planmäßig der Umzug aus dem Provisorium in die neue Ditib-Verwaltung begann, tobte hinter den Kulissen der Streit zwischen Ditib und Böhm. Die Ditib-Spitze wollte ihn loswerden. Als der Streit öffentlich wurde, polterte sie, Böhm habe „als Künstler brilliert, als Baumeister aber versagt“. Sie listete rund 2000 angebliche Baumängel auf und verkündete, dass sich die Baukosten auf 35 Millionen Euro verdoppeln würden.
Der Bruch mit Böhm kam für Außenstehende überraschend. Tatsächlich war er die Konsequenz einer Entwicklung, die eng verbunden ist mit dem, was in der Türkei passierte. Erdogan zog die Zügel an; die Ditib-Verantwortlichen fingen an, sich abzuschotten. Ankara schickte neue Leute. Viele, die in den vergangenen Jahren als Ansprechpartner aufgetreten waren, wurden abgelöst – laut Paul Böhm „Menschen, die im Leben und in der Mitte der Stadtgesellschaft standen, die angekommen waren und ein Haus aus Stein bauen wollten“. Darunter gab es Leute, mit denen man per Handschlag Verabredungen traf. Das waren die, denen Schramma und viele andere vertrauen konnten. Aus dem Moschee-Beirat wurde immer mehr ein Feigenblatt. Seine Beratung war nicht mehr gefragt.
Debatte über Christliche Symbole in Böhms Architektur
Dass die Ditib, als „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ immer zur Religionsbehörde des türkischen Staates gehörte, war nie ein Geheimnis. In Köln ging man davon aus, dass sie sich nach und nach emanzipieren und tatsächlich zu einem unabhängigen deutschen Verein würde. Doch als sich der Kurs der türkischen Regierung änderte, war diese Entwicklung offensichtlich nicht mehr möglich. Das Gegenteil trat ein. Ankaras Emissäre begannen sogar ernsthaft, über angeblich versteckte christliche Symbole in Böhms Architektur zu debattieren. Bei den Debatten über das Aussehen der Moschee, ihre Farbe oder den benutzten Zement wurde eines deutlich: Böhm hätte den Architektenwettbewerb wohl nicht mehr gewonnen, wenn er ein paar Jahre später stattgefunden hätte.
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Der Streit um Baumängel und Schadenersatzforderungen ging vor Gericht. Die Eröffnung der Moschee musste immer wieder verschoben werden, was freilich nicht nur an der Ditib lag. Richter und Sachverständige ließen sich unverständlich viel Zeit mit der Beweissicherung. Das Gericht rechtfertigte sich – wenig überzeugend – mit der Komplexität des Verfahrens.
Mit Böhm gab es zwischenzeitlich immerhin einen Kompromiss, der ihm zusicherte, dass er weiter am Gestaltungsprozess beteiligt blieb. Ein neuer Bauleiter wurde eingesetzt, doch auch mit ihm hielt es die Ditib nicht lange aus. Als er 2013 gefeuert wurde, warft er dem Ditib-Vorstand „blockierendes Verhalten“ vor. Der Islamverband entschied, seine Deutschland-Zentrale und die Moschee ganz schmucklos nach und nach zu eröffnen. Auch auf der Baustelle lief nichts mehr nach Plan.
Ziel eines Staatsbesuchs eines autokratischen Regierungschefs
Erst im Juni 2017, also mehr als fünf Jahre später als geplant, fand das erste Freitagsgebet unter der prachtvollen Moschee-Kuppel statt. Das immer wieder versprochene Eröffnungsfest für alle Kölner war noch nicht vom Tisch. Doch statt des in früheren Jahren als Selbstverständlichkeit angekündigten Besuchs des deutschen Bundespräsidenten ist erstmals öffentlich von einer Teilnahme des türkischen Regierungschefs die Rede. Nun, weitere 15 Monate später, wird Erdogan selbst die Moschee eröffnen. Statt Schauplatz eines Volksfestes ist das Areal an der Venloer Straße nun Ziel eines Staatsbesuchs eines autokratischen Regierungschefs.
Die Aufregung über die angeblich zu großen Ausmaße und die zu unbescheidene Architektur hat sich lange gelegt. Die Ehrenfelder Moschee ist eine Attraktion und Sehenswürdigkeit, ein würdiges Aushängeschild für eine Religion, die nicht mehr in Hinterhöfen praktiziert werden muss, sondern zur Stadt dazugehört. Daran hat sich in der langen Zeit zwischen Grundsteinlegung und Eröffnung nichts geändert. Ansonsten scheint jedoch nichts mehr so, wie es vor elf Jahren war.