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Beamtenbund-Chef vor Jahrestagung in Köln„Wir müssen den Menschen das Arbeiten wieder schmackhaft machen“

Lesezeit 5 Minuten
Claus Weselsky (r), Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer(GDL), und Ulrich Silberbach, Vorsitzender beamtenbund und tarifunion (dbb), nehmen an einer Solidaritäts-Kundgebung bei der Fortsetzung der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder teil. +++ dpa-Bildfunk +++

Stehen Seite an Seite: Ulrich Silberbach (links), Bundesvorsitzender des Beamtenbunds (dbb), und der Chef der Lokführergewerkschaft (GDL), Claus Weselsky. Wegen der dbb-Jahrestagung in Köln wird die GDL am Montag und Dienstag noch nicht streiken.

Der öffentliche Dienst muss attraktiver werden, fordert dbb-Chef Ulrich Silberbach. Kaum jemand wolle noch Schichten von zwölf Stunden fahren.

Herr Silberbach, mehr als 500 Vertreter des Deutschen Beamtenbunds (dbb) werden ab Sonntag zur traditionellen Jahrestagung in Köln erwartet. Haben Sie mit dem Boss der Lokführergewerkschaft vorher vereinbart, bis einschließlich Dienstag nicht zu streiken? Oder nehmen Claus Weselsky und die GDL auf ihren eigenen Dachverband keine Rücksicht?

Ulrich Silberbach: Die Frage habe ich erwartet. Ich habe mit Claus Weselsky schon vor Weihnachten verabredet, dass während der Tagung in Köln keine Streiks stattfinden werden. Die An- und Abreise ist sichergestellt. Was danach passiert, liegt nicht mehr in meiner Hand.

Was sagen Sie dazu, dass die GDL eine Leiharbeitsfirma namens Fair Train gegründet hat, die sich auf die Vermittlung von Lokführern spezialisieren will? Die Bahn will jetzt vor Gericht klären lassen, ob eine Gewerkschaft, die gleichzeitig als Arbeitgeber auftritt, überhaupt noch Tarifverträge aushandeln darf.

Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Meine Mitgliedsgesellschaft ist die GDL. Sie ist weiterhin tariffähig und steht unter dem Schutz des dbb. Dass einzelne Mitglieder der GDL jetzt eine Genossenschaft gegründet haben, die losgelöst von der GDL agiert, ist ein anderes Thema. Die Bahn reagiert so heftig, weil ihr Ungemach droht. Das Thema Genossenschaft in der Leiharbeit, gemeinnützig und nur ihren Mitgliedern verpflichtet, ist neu. Die Bahn weiß noch gar nicht, was da auf sie zurollt.

Die Bahnreisenden schon. Nichts Gutes. Die GDL will die 35-Stunden-Woche, sodass am Ende noch mehr Lokführer gebraucht werden, die der Markt aber schon jetzt nicht hergibt.

Die Bahn hat gleich in der ersten Verhandlungsrunde klar gemacht: Wir können über alles reden, nur nicht über Arbeitszeitverkürzung. Damit war die Türe zu und es kam schon nach der ersten Verhandlungsrunde zum Warnstreik. Die Bahn tut so, als wäre der gesamte Konzern von der Arbeitszeitverkürzung betroffen, dabei geht es der GDL bei der Forderung nur um die Menschen im Schichtdienst.

Also die Lokführer.

Ja. Aber die Bahn jammert selbst, dass sie keine Lokführer findet. Das liegt an den schlechten Arbeitsbedingungen. Kein Bahnkunde möchte einen Lokführer, der zwölf bis 16 Stunden am Stück unterwegs ist und Doppelschichten fährt. Die GDL will lediglich einen Einstieg in die 35-Stunden-Woche ab 2025 gestaffelt über mehrere Jahre. Mehr nicht.

Die hohe Belastung wird nicht bestritten. Dazu gibt es sogar eine Untersuchung von Fokus Bahn NRW. Soll die Bahn ihr Fahrprogramm etwa noch weiter ausdünnen? Ist das die Lösung?

Wenn es nicht anders geht. Das wird durch die vielen neuen Baustellen in den nächsten Jahren eh passieren. Die Bahn ist doch nur ein Beispiel. Es geht uns als dbb um alle belasteten Berufsgruppen, zum Beispiel auch in der Pflege, bei Krankenschwestern und Krankenpflegern. Schichten zu fahren von zehn, zwölf und mehr Stunden wollen sich viele Menschen einfach nicht mehr antun. Leider wird das Arbeitszeitgesetz nicht immer eingehalten und Ausnahmen dadurch zur Regel. Der Fachkräftemangel lässt sich nur durch zeitgemäße, bessere Arbeitsbedingungen bekämpfen. Wir haben eine neue Generation von Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Die können sich die Arbeitgeber mehr oder weniger aussuchen und legen großen Wert auf die sogenannte Work-Life-Balance.

Wie soll das bei gleichbleibenden oder steigenden Löhnen funktionieren?

Die meisten Berufseinsteiger wollen nur noch zwei Tage im Unternehmen arbeiten und den Rest von zuhause aus. Die Arbeitgeber müssen über ihre Attraktivität nachdenken, den Menschen das Arbeiten wieder schmackhaft machen, damit wir nicht noch mehr Aussteiger haben, die lieber in den Sozialsystemen ihre Heimat suchen als auf dem Arbeitsmarkt.

Wenn es um Attraktivität geht, kann der öffentliche Dienst gleich einpacken, oder? Außer der Work-Life-Balance hat er doch nichts zu bieten.

Genau das ist der Punkt. Bund, Länder und Gemeinden können immer nur mit sicheren Arbeitsplätzen, hohen Teilzeitquoten und großartigen Arbeitszeitangeboten punkten. Ich werbe bei Veranstaltungen mit jungen Leuten immer dafür. Bei der Bezahlung kann die Privatwirtschaft schneller reagieren als der öffentliche Dienst, der ja in einem Kollektivvertrag unterwegs ist. Wir können einem IT-Experten nicht einfach 10.000 Euro im Jahr mehr anbieten, damit er zu uns kommt. Wenn das so käme, wäre das auch für die Gewerkschaften ein großes Problem. Wenn der junge IT-Experte auf einmal in der Tabelle an einem Angestellten mit 30 Dienstjahren vorbeirauscht, wird das für Diskussionen sorgen.

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Bei der Digitalisierung hinken die Stadtverwaltungen hinterher, sagt der Beamtenbund. Das macht die Arbeitsplätze nicht gerade attraktiv.

Sie sprechen immer von der „Arbeitgebermarke öffentlicher Dienst“, die man jungen Leuten nur schmackhaft machen muss. Womit, wenn Sie außer dem sicheren Job nichts bieten können? Was bitte ist attraktiv an der Arbeit in einem Einwohnermeldeamt wie Köln oder gar in Berlin?

Am langen Ende fehlt es immer am Geld und am Personal. Ich bin 1991 aus dem Ordnungsbereich im Bezirksamt Köln-Nippes ausgeschieden. Wenn ich heute meine Kollegen besuche, wundere ich mich immer. Außer dem Poster an der Wand hat sich nicht viel geändert. Viele Verwaltungen arbeiten immer noch vorsintflutlich. Nur dass wir heute den Bürger vorgaukeln, sie müssten uns nur einmal ihre Daten zur Verfügung stellen und danach bearbeitet die Kommune das alles online. Das stimmt nicht. Da gibt es keinen digitalen Workflow, sondern der Antrag wird ausgedruckt und in den normalen Geschäftsgang gebracht. Wir müssen bei der Digitalisierung massiv Gas geben. Ich kann den jungen Menschen doch nicht sagen, kommt in die Verwaltung, da gibt es noch Faxgeräte und elektrische Schreibmaschinen.

Was ist daran neu? Die Themen sind die gleichen wie vergangenes Jahr. Dafür müssen Sie doch extra nicht für zwei Tage nach Köln kommen.

Genau das ist der Punkt. Der Titel lautet diesmal: „Starker Staat, wehrhafte Demokratie“. Mein Tenor wird sein: Wir müssen in diesem System etwas verändern. Für 64 Prozent der Menschen ist die Bürgerferne der Politik zur größten Gefahr für unsere Demokratie geworden. Die Menschen brauchen Orientierung und Leitplanken, die von der Politik vorgegeben werden müssen. Wir brauchen eine vernünftige Personal- und Sachausstattung und einen Digitalisierungsgrad, der der drittgrößten Volkswirtschaft auf diesem Planeten auch gerecht wird. Dann wird auch die Politikverdrossenheit abnehmen. Da muss man dicke Bretter bohren. Und deshalb werde ich nicht müde, mich zu wiederholen.


Ulrich Silberbach (62) steht seit November 2017 an der Spitze des dbb Beamtenbund und Tarifunion, das ist der ehemalige Deutsche Beamtenbund. Der Kölner wurde von 1979 bis 1982 zum Verwaltungsfachangestellten ausgebildet und arbeitete bis 1990 in seinem Beruf, zuletzt im Kölner Ordnungsamt. Er ist Mitglied der CDU.