15 Prozent der Kölner Schulsporthallen sind nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Ein besonders krasses Beispiel ist die Heinrich-Böll-Gesamtschule.
„Fast ein Jahr improvisiert“Monatelang kein Sportunterricht – so marode sind die Kölner Schulsporthallen
In der Heinrich-Böll-Gesamtschule ist ein Fach besonders wichtig: Sport. Die achtzügige Schule in Chorweiler mit ihren 1600 Schülerinnen und Schülern hat nicht nur sogenannte Sportprofilklassen. Sie ist auch „Partnerschule des Leistungssports“ und „Partnerschule des DFB“. Sport-Leistungskurse gehören zum Standardangebot.
Doch: Seit nun schon knapp einem Jahr darf die Schule ihre 6-fach-Sporthalle nicht mehr nutzen, da bei einer Routineuntersuchung die Dachkonstruktion für den Fall als einsturzgefährdet eingestuft wurde, wenn durch Starkregen oder großen Schneemengen die Dachlast stark erhöht werde.
Mit der Folge, dass nun schon seit Ende Februar 2022 bei schlechtem Wetter nach Berechnungen der Schule 70 Prozent des Sportunterrichts nicht als Bewegungszeit stattfinden. Nur 18 Prozent der Stundentafel können demnach als regulärer, lehrplankonformer Sportunterricht durchgeführt werden, weil es einige Hallenstunden in zwei benachbarten Schulen gibt. Vom Vereinssport in dem Stadtteil ganz zu schweigen.
Jonglieren in der Pausenhalle statt Sport nach Lehrplan
Ansonsten wird improvisiert: Mit Jonglieren in der Pausenhalle, an Tischtennisplatten, die im Pädagogischen Zentrum aufgestellt wurden. Einzelne kleinere Gruppen fahren zum Klettern in den Canyon Chorweiler oder zum Eislaufen in den Lentpark. Bei besserem Wetter geht es nach draußen. Schulleiter Rolf Grisard hat jetzt eine Anfrage an die Bezirksregierung gestellt, auf welcher Basis und wie denn die Sportnoten vergeben werden sollen – zumal sie an dieser Schule einen hohen Stellenwert haben. Und wie das Schulprofil überhaupt noch bedient werden könne.
„Wir haben jetzt fast ein Jahr improvisiert. Aber wir brauchen jetzt endlich Planungssicherheit für unseren Sportunterricht und auch kurzfristig eine Lösung. Es muss aufhören mit dem in der Luft hängen“, sagt Schulleiter Rolf Grisard. Der Schulleiter spricht besonnen, aber der Frust ist spürbar. Im Kollegium und auch bei den Schülerinnen und Schülern, von denen viele, wie der Schulleiter erzählt, inzwischen so unmotiviert sind, dass sie ihr Sportzeug nicht mal mehr mitbringen.
„Auch bei den Eltern ist der Unmut riesig“, sagt die stellvertretende Schulpflegschaftsvorsitzende Nicole Lätsch. „Vor allem, weil wir uns hingehalten fühlen und man mit der Schule nicht redet. Keiner sagt, wie es weiter gehen soll. Es gibt keine Transparenz. Obwohl wir uns sogar vor Monaten in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewandt haben“, beklagt Lätsch. Die Schulkonferenz hatte die Schulleitung dann im September beauftragt, sich an Schulträger, Schulaufsicht und Schulausschuss der Stadt zu wenden. Auch an Baudezernent Markus Greitemann und Schuldezernent Robert Voigtsberger wurden Hilferufe verschickt.
Aber erst kurz vor Weihnachten gab es in der Schule das lange geforderte Treffen mit Vertretern des Schulentwicklungsamtes, wo man die Schule „ausführlich über den Sachstand“ informiert habe, wie die Stadt auf Anfrage erklärte. Der Sachstand sieht vonseiten der Stadt nun so aus, dass die Gebäudewirtschaft derzeit noch prüft, ob die Gesamtschule saniert oder neu gebaut wird. Außerdem werde „zeitnah geprüft, ob Sanierung oder Neubau der Turnhalle vorgezogen werden könne“. Ein Startdatum gebe es daher noch nicht. Auch würden weitere Varianten geprüft, wie der Sportunterricht so lange provisorisch ermöglicht werden könne und schnellstmöglich der Politik zur Entscheidung vorgelegt.
Schule drängt auf kurzfristige Lösungen
Für die Schulgemeinschaft klingt das alles viel zu vage. Vor allem klingt es nach viel Zeit: „Das dauert Jahre. Und bestimmt profitieren von Sanierung oder Neubau in der Zukunft viele Schülerinnen und Schüler. Aber was ist mit den Kindern, die jetzt dort lernen und die sich in den zwei Jahren Pandemie ohnehin schon nicht bewegen konnten?“, fragt der Schulleiter. Für die sei er verantwortlich. Und für die müssten kurzfristige Lösungen her.
Die Schule hat sogar schon angeboten, über den Förderverein einen Gutachter zu beauftragen, der eruiert, wie Wasser von dem Dach abgeleitet werden könnte oder wie das Problem mit dem Dach provisorisch gelöst werden könnte. Auch der Bau einer Leichtbauhalle auf dem Gelände könne geprüft werden. Modular errichtete Sporthallen hätten allerdings Vorlaufzeiten von mindestens 20 Monaten, erwiderte die Stadt.
Nur 85 Prozent der Kölner Sporthallen sind uneingeschränkt nutzbar
Die Sporthallen sind neben den fehlenden Schulen ein Problem in der Stadt: Es gibt zu wenig Sporthallen für den Schulsport. In zahlreichen Schulen sind die zu der Einrichtung gehörenden Hallen marode und sanierungsbedürftig oder es gibt an den Schulen inzwischen zu viele Schülerinnen und Schüler, um Schulunterricht für alle dort stattfinden. Nach Angaben der Stadt sind derzeit von den 283 Sporthallen an Kölner Schulen 85 Prozent nutzbar. Das heißt, 15 Prozent sind entweder gar nicht oder nur eingeschränkt nutzbar.
So wurde etwa der Gemeinschaftsgrundschule Müngersdorf vor einigen Wochen überraschend mitgeteilt, dass künftig sowohl Ballsport im Unterricht als auch die Fußball-AG bis auf Weiteres wegen „fehlendem Prallschutz an den Wänden“ nicht mehr stattfinden kann. Um einigermaßen Abhilfe zu schaffen, mietet die Stadt daher schon jetzt über 40 externe Sportstätten an, um die Situation zu verbessern. Darunter sind Orte wie Tanzschulen, Badmintonhallen, Boulderhallen oder Fitnessstudios.
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