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„Ein Armutszeugnis“Empörung über Taliban-Auftritt in Kölner Moschee – Ditib nennt falschen Veranstalter

Lesezeit 6 Minuten
Ein hoher Taliban-Funktionär sprach bei einer Veranstaltung in Räumen der DITIB-Moschee in Köln-Chorweiler.

Ein hoher Taliban-Funktionär sprach bei einer Veranstaltung in Räumen der DITIB-Moschee in Köln-Chorweiler.

Der Dachverband Ditib muss einen weiteren Fehler bei der Affäre um den Auftritt eines Taliban-Funktionärs in Köln-Chorweiler einräumen.

Nach dem Auftritt eines hochrangigen Taliban-Funktionärs in einer Kölner Moschee hat der Dachverband Ditib seine ursprünglichen Angaben zum Veranstalter korrigiert. „Leider ist uns bei dem Namen des Vereins ein höchst unglücklicher Fehler unterlaufen, so dass wir fälschlicherweise den „Afghanischen Kulturverein Meschenich e.V.“ als Veranstalter und Nutzer des Saals angegeben haben“, teilte der Dachverband, dem die Moschee angehört, am Samstagabend mit.

Tatsächlich sei der Saal Personen zur Verfügung gestellt worden, die Ditib als Vorstand des Vereins „Kulturverein der Kunar Jugendlichen e.V.“ bekannt seien und in dessen Namen handelten.

„Afghanische Kulturverein Köln Meschenich“ ist empört über Ditib

Der „Afghanische Kulturverein Köln Meschenich“ hatte zuvor bereits erklärt, nicht an der Veranstaltung beteiligt gewesen zu sein, der Vereinsname sei missbräuchlich verwendet worden. Man verurteile das aufs Schärfste.

Vertreter des „Afghanischen Kulturverein e.V.“ distanzierten sich ausdrücklich von der Veranstaltung, es gebe keinerlei Verbindung. Weder sei man in die Anmietung des Raumes involviert gewesen, noch seien Mitglieder des Vereins anwesend gewesen.

„Es ist schamlos und unverfroren, unseren guten Namen ohne Erlaubnis für derartige Aktivitäten zu missbrauchen. Dies stellt nicht nur eine unzulässige Nutzung unseres Namens dar, sondern ist auch ein direkter Angriff auf unseren Ruf und unsere Integrität“, heißt in der Mitteilung, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Der Vorfall müsse untersucht werden, man habe bereits rechtliche Schritte eingeleitet.

Ditib bedauert Schaden, der dem „Afghanischen Kulturverein“ entstanden ist

Weiter hieß es vom Dachverband Ditib, man bedauere aufrichtig den „erheblichen Schaden“, der dem ursprünglich angegebenen Verein entstanden ist und distanziere sich nochmals von der Veranstaltung. „Die menschenverachtende, frauenfeindliche und freiheitsfeindliche geistige Haltung der Taliban ist mit unserem Glauben in keiner Weise zu legitimieren und wir stehen dieser Auslegung als Muslime entschieden entgegen.“

Ein hochrangiger Vertreter der afghanischen Taliban war am Donnerstag in einem Gebetshaus im Kölner Stadtteil Chorweiler aufgetreten. Das Bundesinnenministerium hatte nach Angaben eines Sprechers davon vorab keine Kenntnis.

Am späten Sonntagabend teilte der veranstaltende Verein der Kunar Jugendlichen mit, dass die Veranstaltung das Ziel gehabt habe, „die Anliegen und Sorgen der afghanischen Diaspora vorzubringen“ und es sei bei dem Treffen „deutliche Kritik an der aktuellen Regierung“ in Afghanistan geübt worden.

Nancy Faeser kritisiert Auftritt des Taliban-Funktionärs in Köln scharf

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte den Auftritt heftig und forderte Aufklärung. „Der Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen“, sagte die SPD-Politikerin am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten.“ Das Auswärtige Amt (AA) identifizierte den Mann als Abdul Bari Omar. Er ist Leiter der afghanischen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde.

Weiter sagte Faeser, die Taliban seien für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Taliban-Funktionäre hätten in Deutschland „absolut nichts zu suchen“. Die zuständigen Behörden gingen dem Fall intensiv nach. Von der Ditib erwarte man „eine vollständige und sehr schnelle Aufklärung, wie es zu dem Auftritt in Köln kommen konnte“.

Der Sprecher der islamistischen Taliban, Sabihullah Mudschahid, schrieb am Freitag auf X über die Veranstaltung in Köln, Omar habe in Deutschland bei einem Treffen von Afghanen eine Rede gehalten und auf ihre Fragen geantwortet. „Er sagte den Teilnehmern, dass im Land Sicherheit herrsche, der Wiederaufbau im Gange sei und wir uns alle am Wiederaufbau des Landes beteiligen und unser Kapital für die Entwicklung des Landes verwenden sollten.“

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, nannte es „unerträglich“, dass ein Taliban-Funktionär „in Deutschland einen Vortrag hält und seine unmenschliche Ideologie verbreiten kann“. Es sei „ein weiteres Armutszeugnis“ für die Bundesregierung, dass der Mann habe einreisen können.

Auch die nordrhein-westfälische Staatskanzlei verurteilten den Auftritt des Taliban-Funktionärs. „Dass Mitglieder einer radikalen Organisation wie die Taliban ihre Ideologien ungefiltert auf deutschem Boden verbreiten, ist ein unsäglicher Vorgang“, sagte ein Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zu Einzelheiten zur Einreise aus Afghanistan verwies eine Sprecherin des NRW-Ministeriums an die Bundesbehörden.

Das Auswärtige Amt teilte bereits am Freitag auf der Plattform X mit, die Reise sei dem AA nicht angekündigt worden und dem Mann vor seiner Einreise nach Deutschland kein Visum erteilt worden. Am Samstag schrieb das AA auf X, der Taliban-Vertreter sei „offensichtlich über ein anderes Schengen-Land eingereist“. Sein Auftritt in Deutschland „ist abscheulich und die Behörden gehen dem nach“.

Nach WDR-Informationen ist der Taliban-Funktionär mit einem Schengen-Visum eingereist, das von den Niederlanden ausgestellt wurde.

Abdul Bari Omar soll auch schon bei WHO-Veranstaltung gewesen sein

Bei einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO, die vom 6. bis 8. November in Den Haag stattfand, war ein Taliban-Funktionär dabei, bei dem es sich nach niederländischen Medienberichten ebenfalls um Omar handeln soll. Es werde nun untersucht, wie das möglich war, teilte der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers am Samstag über X mit.

Der Minister hatte sich bei der Konferenz auch mit dem Taliban-Vertreter fotografieren lassen. Das Foto war bereits vor rund eineinhalb Wochen über X verbreitet worden, doch in den Niederlanden war es erst jetzt nach dem Wirbel über den Vorfall in Köln bekannt geworden. Kuipers bedauerte das gemeinsame Foto. Er habe nicht gewusst, um wen es sich handelte. „Selbstverständlich will ich auf keinster Weise assoziiert werden mit diesem schrecklichen Regime: Ich stehe hinter den Menschenrechten und besonders Frauenrechten.“

Netzwerk soll vor Besuchen von Taliban-Vertretern gewarnt haben

Auf X kursierten Screenshots eines englischsprachigen Schreibens von afghanisch-deutschen Diaspora-Gruppen, Menschenrechts- und Frauenrechtsaktivisten, das demnach unter anderem an das Bundesinnenministerium und das Bundestagsbüro von Außenministerin Annalena Baerbock verschickt wurde.

Absender ist ein Netzwerk mit dem Namen „European Organisation for Integration“ (EOI) mit Sitz in Berlin und Mitgliedern in verschiedenen europäischen Ländern, das seine Vision mit den Worten „Gleichberechtigtes Zusammenleben in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft“ beschreibt. In dem Schreiben wird davor gewarnt, dass mehrere Taliban-Vertreter im Oktober zu unterschiedlichen Anlässen nach Deutschland kommen wollten. Omar wird nicht namentlich genannt. EOI bestätigte der dpa die Echtheit des Textes, der zuerst am 27. September versandt worden sei. Die Vorsitzende, Patoni Teichmann, warf Innenministerium und Außenamt vor, den Hinweisen nicht engagiert genug nachgegangen zu sein.

Das Auswärtige Amt reagierte auf Vorwürfe im Zusammenhang mit dieser Warnung wie folgt: „Der genannte „Brief“ warnte vor einer von der Zivilgesellschaft geplanten „Dialogveranstaltung“, die das AA weder unterstützt noch gutgeheißen hat und die von den Initiatoren abgesagt wurde. Das war vor dem abscheulichen Kölner Vorfall.“

Die Freien Wähler NRW kritisierten mit Blick auf das Schreiben eine „Untätigkeit der Behörden“. Bei dem Schreiben mit dem allgemein warnenden Charakter hätte es mehr Wachsamkeit geben müssen, sagte der Vorsitzende Freien Wähler Mittelrhein, Thorsten Ilg, am Sonntag. (dpa/red)