Naturschutz an der RheinaueZank um Zäune in Worringen
Worringen/Langel/Merkenich – Es gibt ein Thema, bei dem schwillt vielen Worringern der Kamm: Das ist die Aussicht, dass der Zugang an den Rhein mit Zäunen versperrt werden könnte. Genau dies aber ist im Pflege- und Entwicklungsplan (Pepl) für die Rheinaue vorgesehen. In Worringen und Langel soll das dem Ufer vorgelagerte Grünland eingezäunt werden, damit Tiere es abgrasen können. Die Rede ist von Konikpferden und Heckrindern - robuste Rassen, die so genügsam sind, dass sie wild leben und nur minimale Betreuung brauchen.
Der Vorteil der Beweidung durch Tiere: Flora und Fauna könnten sich in Ruhe entfalten. Viele seltene Vogel- und Pflanzenarten sind nachgewiesen. Seit 1991 steht die Rheinaue unter Naturschutz. Einzige Ausnahme: Rund um den Fähranleger in Langel gibt es nur ein Landschaftsschutzgebiet, ansonsten herrschen überall die weitaus strengeren Naturschutzkriterien.
Mit Hilfe des Pflege- und Entwicklungsplans soll deren Einhaltung überwacht werden. Der "Pepl" ist langfristig angelegt. Eine erste Fassung wurde im Jahr 2000 entwickelt. Auf der basiert nun der aktuelle Pflegeplan. Die Experten hätten neue Erkenntnisse gewonnen, die seien eingeflossen, sagte Heidrun Dresen, promovierte Biologin im Amt für Grünflächen.
Derzeit werden die Wiesen von Bauern bewirtschaftet
Mit ihrer Kollegin Annika Eitner bot sie jetzt eine Führung an. Vor Ort erläuterten die Expertinnen schon erfolgte sowie geplante Schritte. Der zweistündige Spaziergang startete in Langel und endete in Kasselberg. Etwa 25 interessierte Bürger liefen mit, darunter auch Mitglieder von Bürgervereinen wie Bruno Klais aus Merkenich und Kaspar Dick aus Worringen.
Karl-Johann Rellecke, ebenfalls im Worringer Bürgerverein aktiv, erschien nur kurz, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, wie er sagte. "Ich habe leider keine Zeit mitzugehen, möchte aber unbedingt loswerden, dass wir Worringer nicht vor Zäune laufen wollen, wo dahinter Großviech steht. Das kann man in Holland machen, nicht hier, wo Menschen seit Generationen die Gewohnheit haben, an den Rhein zu gehen." Das Modell habe sich in den Niederlanden bewährt, sagte Dresen, ob es tatsächlich umgesetzt werde, sei noch unklar.
Derzeit werden die Wiesen von Bauern bewirtschaftet - dabei dürfen sie weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel einsetzen. Das Gras dient als Tierfutter. "Die Landwirte verhalten sich kooperativ", sagte Eitner. Die erste Mahd ist im Mai, danach ruhen die Auen zehn Wochen lang, im Spätsommer wird ein weiteres Mal gemäht. "Momentan wirkt es wie englischer Rasen, in Wahrheit ist es eine artenreiche Wiese, Wildkräuter kommen nicht hoch", so Eitner.
Die Pappeln bereiten Probleme
"Ich lebe hier seit mehr als 70 Jahren", sagte ein 77-Jähriger aus Langel, "ich verstehe nicht, warum der Mensch überhaupt eingreift, früher ging es ohne einen Pflegeplan." Der Nutzungsdruck, dem die Uferzone ausgesetzt sei, habe sich intensiviert, eine Steuerung sei notwendig, antwortete Dresen. Landwirte, Chemieindustrie, Erholungsuchende, Hundebesitzer, sie alle beanspruchten das Naturschutzgebiet für sich. Es sei einzigartig, solche Biotope mit ausgedehnten Freiflächen, noch dazu in der Nähe einer Großstadt, fänden sich andernorts kaum noch.
Gerade die Freiflächen seien bedroht, sie gelte es zu schützen, die Wiesen bräuchten zudem Pflege. Auch der für die Flusslandschaft typische Weichholzauwald (Weiden, Erlen, Pappeln) solle gestärkt werden. Die Pappeln allerdings bereiten Probleme. In den 1950er Jahren gepflanzt, sind sie heute brüchig. Zudem sind es Hybridpappeln, die die heimische Schwarzpappel verdrängt haben.
Deshalb begann man in den 2000er Jahren, Pappeln zu fällen, bis Umweltschützer entdeckten, dass der Pirol diese Baumart als Nistplatz bevorzugt. "Im alten Pflegeplan steht noch drin", erklärte Dresen, "dass nicht-heimische Gehölze aktiv entfernt werden sollen, jetzt haben wir unsere Haltung geändert, weil sich herausgestellt hat, dass der Pirol gern in dem Baum sitzt." Die Pappeln sind nun sich selbst überlassen, abgestorbene Exemplare werden durch Schwarzpappeln ersetzt.
Freilaufende Hunde sind Dauerärgernis
Den Besucherstrom so zu lenken, dass die Natur nicht leidet, stellt die Landschaftsschützer vor eine Herausforderung. Die Lösung sieht man in einem Wegekonzept. Zwar soll es auch in Zukunft möglich sein, die Rheinaue ohne Unterbrechung zu erwandern. Die meisten Wege werden aber eher fern vom Ufer verlaufen. Der Rhein versteckt sich hinter den Weiden. Ob das Konzept aufgeht? Die Teilnehmer der Führung reagierten mit Skepsis, schließlich suchten gerade die auswärtigen Besucher die Nähe zum Fluss.
"Mit einem Nachbarn drehe ich jeden Morgen eine Runde, unfassbar, welche Mengen von Müll wir jedesmal finden, wir sammeln ihn auf", berichtete Franz Stürz aus Langel. "Am Wochenende ist es ganz schlimm. Den Müll deponieren wir am Fähranleger, damit ihn die AWB mitnimmt, die kennen uns schon." Dauerärgernis sind auch freilaufende Hunde - in der Rheinaue herrscht Anleinpflicht. Selbst die Obstbäume würden rücksichtslos geplündert, sagte Herbert Jansen. Der Worringer engagiert sich ehrenamtlich als Landschaftswart. Sein Vorschlag: Verbotsschilder auch auf Russisch und Türkisch aufzustellen.
Rheinwiesen brauchen Pflege - Nährstoffe sind unerwünscht
Den Pflege- und Entwicklungsplan (Pepl) für das Ufergebiet zwischen Merkenich und Worringen - die Strecke misst zehn Kilometer - entwickelte das Planungsbüro Viebahn und Sell im Jahr 2014, auf der Basis des alten Plans von 2000. Zur Vorbereitung hatte die Nabu-Naturstation Leverkusen im Jahr 2012 den Pflanzen- und Tierbestand erfasst.
Belegt sind zahlreiche bedrohte Vogelarten, unter anderem Pirol, Gänsesäger, Rebhuhn, Weißwangengans, Kiebitz, Nachtigall. Der winzige Flussregenpfeifer etwa baut sein Nest in den Uferkies und ist daher besonders in Gefahr, beim Brüten gestört zu werden. Ohne Pflege würden die Auenwiesen verbuschen. Je nährstoffarmer der Boden, umso mehr siedeln sich seltene Pflanzen an. Am Rhein findet sich zum Beispiel Sanddorn, Salbei, Origanum, Rotklee, Wiesen-Storchschnabel und die Kleine Wiesenraute.