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Jenseits der MetropoleEin Spaziergang durch die Dörfer des Kölner Nordens

Lesezeit 6 Minuten
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Friedlich grasen die Pferde auf der Weide.

Köln – Heute geht es ins Grüne. Auf Feldwegen, mit Blick über blühende Rapsfelder, am Himmel Wolkengebirge und in der Ferne qualmende Kohlekraftwerke. Drei Schrägstrich-Dörfer liegen auf dem Weg: Volkhoven/Weiler, Esch/Auweiler und Roggendorf/Thenhoven.

Der Schrägstrich deutet darauf hin, dass jeder einzelne Ort nach wie vor auf Eigenständigkeit beharrt, obwohl sie natürlich längst mit ihren Pendants verwachsen sind. „Vororte“ hießen sie früher, der alte Begriff trifft es gut, Köln ist gefühlt weit weg.

Start ist der S-Bahnhof am Volkhovener Weg. Dort bietet sich das typische Bild einer Vorstadtödnis: Eine überdimensionale Kreuzung, auf der vier Straßen aufeinandertreffen, Chorweiler-Autobahnzubringer, Merianstraße, Fritz-Wacker-Straße und Toni-Welter-Straße. Nordwestlich liegt Volkhoven. Da wollen wir hin. Wir überqueren die Kreuzung und halten uns rechts, gehen dann geradeaus. Auf der Verkehrsinsel zeigt das Schild „Simultanhalle“ die Richtung an. Eine baumbestandene Wiese taucht auf, gegenüber steht ein Backsteinhaus mit hohen Fenstern (1), die alte Volksschule von Volkhoven.

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Jahrelang fanden in der Simultanhalle Kunstaktionen statt.

An der Mauer hängt eine verwitterte Tafel „Simultanhalle“ – gemeint ist das Sheddach-Gebäude ganz hinten im Hof. Es handelt sich um den Probebau, mit dem die Architekten die gewagte Dachkonstruktion des Museums Ludwig testeten. Eigentlich sollte der 1979 errichtete Bau verschwinden, doch eine Künstlerinitiative setzte den Erhalt durch. Jahrelang fanden in der Simultanhalle Kunstaktionen statt, jetzt scheint ihr Ende nah, sie ist wegen Baufälligkeit geschlossen. Für die Sanierung hat die Stadt kein Geld, eine sechsstellige Summe wäre nötig.

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Spaziergang durch die Dörfer des Kölner Nordens

Eine tragische Geschichte hat die Volksschule, erbaut 1892, woran eine Gedenktafel erinnert. Am 11. Juni 1964 griff ein Mann die Schule mit einem Flammenwerfer an, acht Kinder und zwei Lehrerinnen starben, es gab viele Schwerstverletzte. Danach stand die Schule leer, bis sie 1970 zum Atelierhaus umfunktioniert wurde.

Bunte Fassadenbilder

Weiter geht es den Volkhovener Weg hoch, bis zum Donatusweg. Das gelbe Eckgebäude fällt auf, eine Wand trägt ein Sgraffito, eine Frau ist zu sehen, die Kornähren zu einer Garbe bindet. Solche in Putz gekratzten Fassadenbilder waren in den 50er- und 60er-Jahren in Mode. Gegenüber steht die Wegekapelle St. Marien (2), sie datiert von 1896. Wir biegen links in den Donatusweg, laufen bis zum Ende, lassen uns vom Verkehrsschild „Sackgasse“ nicht irritieren, halten unbeirrt auf die Lärmschutzwand zu, dahinter verläuft die Bahnstrecke nach Krefeld.

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Solche in Putz gekratzten Fassadenbilder waren in den 50er- und 60er-Jahren in Mode. 

Auf dem Rondell mit dem einsamen Baum in der Mitte scheint es kein Weiterkommen zu geben. Doch am Haus Nr. 42 liegt versteckt eine Gasse. Die führt zu einer Rampe am Fühlinger Weg. Rechts ist das Heinrich-Mann-Gymnasium. Unten auf dem Gehweg biegen wir scharf links ab, durchschreiten die Bahnunterführung, kommen zum Parkplatz am Friedhof Chorweiler (3), links liegt die Siedlung Am Donatusweg. Am Verkehrsschild „Anlieger frei“ führt rechts ein Weg in ein Wäldchen, an der nächsten Gabelung stehen wir im Freien, vor uns Felder, wir wählen den Weg rechts, am Friedhofsgelände entlang. Der Friedhof Chorweiler wurde 1966 neu angelegt, im Hinblick auf den zu erwartenden Bevölkerungszuwachs – Chorweiler und Seeberg waren in Planung, das Neubauprojekt trug den Arbeitstitel „Neue Stadt“.

Im Wasserschutzgebiet

Kaum haben sich die Bäume wieder gelichtet, stoßen wir auf einen historischen Grenzstein (4), der einst die Ortsgrenze von Esch markierte. Ein roter Pfeil darauf zeigt nach rechts. Wir folgen ihm. Eine Landmaschine wirbelt Staub auf, beim Näherkommen entpuppt sie sich als Schaufelbagger. An der Blockstraße finden Kanalarbeiten statt, bis Februar 2022 ist sie für den Autoverkehr gesperrt. Mehrere Schilder weisen darauf hin, dass wir uns im Wasserschutzgebiet (5) befinden. Im Waldgebiet an der Blockstraße liegen Infiltrationsbecken für die Trinkwassergewinnung; Wasser, das vom Rheinufer stammt, wird versprüht und so mit Sauerstoff angereichert. Anschließend fließt es zurück zum Wasserwerk Weiler und wird als Trinkwasser gefördert.

Einer der schönsten Friedhöfe

Kaum sind wir unter dem Autobahntunnel hindurch, empfängt uns Esch mit einem Willkommensschild. Wir biegen sofort rechts ab, in die Straße „An der Dränk“. Das Tor zum Friedhof steht offen, keinesfalls sollte man den Besuch verpassen, der Friedhof mit der Kirche St. Martinus (6) ist vermutlich der schönste in ganz Köln. Es finden sich historische Gräber und Grabkreuze aus dem 16. und 18. Jahrhundert, die Mauer ist umsäumt von Kreuzwegstationen. Malerisch ist das Eingangsportal an der Kirchgasse, es stammt aus dem Spätbarock, um 1790. Vom Kirchberg ist man in wenigen Schritten beim Frohnhof (7), dessen Bestehen seit dem Jahr 989 urkundlich belegt ist. Der Erzbischof von Köln schenkte das Anwesen damals dem Kloster Groß St. Martin. Heute ist hier ein Reiterhof untergebracht. Friedlich grasen die Pferde auf der Weide.

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Der Friedhof von Esch

Die Frohnhofstraße mündet auf die Straße Auf dem Driesch, wir nehmen den Feldweg auf der gegenüberliegenden Seite. Den wandern wir bis zur Weggabelung. Dort wenden wir uns nach rechts, bei der nächsten Gabelung nach links.

Der Blick geht jetzt weit, im Westen liegt Sinnersdorf, dahinter sieht man die rauchenden Schlote der Kraftwerke von Niederaußem (links) und Neurath (rechts). Rechterhand windet sich eine Fußgängerbrücke über die Autobahn, es ist die Quettinghofstraße, sie führt direkt nach Roggendorf/Thenhoven. Der Ort, wie Esch und Volkhoven geprägt von Gutshöfen, trägt seinen Schrägstrich schon lange, bereits im 19. Jahrhundert waren die beiden Straßendörfer zusammengewachsen, Roggendorf erstreckt sich entlang der Sinnersdorfer Straße, Thenhoven an der Berrischstraße.

Backsteinoptik auf dem Heimweg

Die Mittellinie bildet die Quettinghofstraße. Die laufen wir hoch bis zur Baptiststraße, dort erhebt sich die Kirche St. Johann Baptist (8). An der Berrischstraße treten wir den Heimweg an, es geht zurück in den Süden nach Köln. Das Straßenbild lässt erahnen, wie das alte Thenhoven einmal ausgesehen hat, die Straße ist eng, die Häuser stehen dicht an dicht, die Backsteinoptik hat noch etwas zusätzlich Abschottendes. Das Dorf wurde erstmals 948 als Thiedinhove erwähnt.

Infos zur Tour

Das Freizeitangebot in Zeiten der Pandemie ist begrenzt. Wir empfehlen, die Stadt mit langen Spaziergängen zu erkunden. Die aktuellen Einschränkungen erschweren die gastronomische Versorgung unterwegs. Aber in Esch hat der Edeka-Supermarkt an der Weiler-/Frohnhofstraße eine Bäckerei, die auch Kaffee to go anbietet. In Thenhoven gibt es gegenüber der Kirche St. Johann Baptist den Mykonos-Grill (montags geschlossen), zudem an der Baptiststraße 41 das Café „Eisliebe am Bruch“, das – auch samstags und sonntags – außer Haus verkauft. Eine öffentliche Toilette findet sich in der Trauerkapelle im Friedhof Chorweiler am Thujaweg.

An- und Abfahrt: Die Rundwanderung beginnt am S-Bahnhof Volkhovener Weg (S 11). Wer mit dem Auto anreist, startet ab dem Parkplatz des Chorweiler Friedhofs.

Länge: Der Rundweg hat eine Länge von rund 13 Kilometern. (kaw)

Weitere Routen: ksta.de/stadtspaziergaenge

Kurz vor dem Mörterweg liegt auf der rechten Straßenseite der Thieveshof (9) , ein Gutshof von 1782 mit imposantem Giebel, seit 1988 eine Wohnanlage. Schräg gegenüber tritt der Pletschbach (10) ans Tageslicht, er ist eher ein Rinnsal in dem weidenumstandenen Kanal, erst im Worringer Bruch wird er genährt und ergießt sich im Worringer Hafen in den Rhein. Seine Quelle ist im Chorbusch.

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Am Mörterweg schwenken wir rechts in den Feldweg ein, wandern auf den Wald zu. In diesem verbirgt sich das Wasserwerk Weiler (11), hier wird Trinkwasser für den Kölner Norden aufbereitet. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, wurde Ende der 1920er-Jahre erbaut. Der Weg endet an der Blockstraße. Vor uns sehen wir den Friedhof Chorweiler am Thujaweg. Wir sind wieder in Volkhoven. Hinter der Bahnunterführung ersteigen wir die Rampe am Heinrich-Mann-Gymnasium, um zum Donatusweg zu gelangen und von dort zum Volkhovener Weg.