Mülheim – Warum ist es am Rhein so schön?“, fragt ein altes Volkslied und weiß viele Antworten, die der Dichter in viele Strophen gepackt hat. „Weil die Lieder so innig und die Worte so sinnig“, heißt es da zum Beispiel. Man könnte aber auch auf das Rheinufer zwischen Mülheim und Flittard verweisen – ein herrliches Stückchen Köln, wo aus der Stadt ein Dorf wird, mit fast endlosen grünen Weiten vor pulsierender industrieller Kulisse auf der anderen Rheinseite oder im benachbarten Leverkusen.
Café Komm Rhein ist der Startpunkt
Eigentlich fehlt hier nur eins zum Glücklichsein: ein ansprechendes gastronomisches Angebot mit Blick auf den Fluss. Die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) hat im vergangenen Jahr mir der Eröffnung des Cafés „Komm Rhein“ (1) ein wenig Abhilfe geschaffen. Leider macht es Corona den Machern auch hier sehr schwer. Es ist die erste Station unseres Spaziergangs, wenn man von der Bushaltestelle „Am Faulbach“ zum Rhein geht. Gegenüber steht der zwanzigstöckige neue „Opal“-Wohnturm. Größer könnte der Widerspruch kaum sein: Schickes neues Wohnen am Fluss für Menschen mit dem entsprechenden Einkommen und selbstverwaltetes Wohnen und Arbeiten bei SSM. Die Nachbarschaft steht für das Spannungsfeld in diesem Teil der Stadt: Das alte Mülheim hat neue Bewohner angelockt. Manches ist architektonisch und stadtplanerisch gelungen, anderes eher nicht.
Teures Wohnen in schickem Ambiente
Etwas weiter am Flussufer Richtung Norden - wir haben die Veedelsgrenze nach Stammheim überschritten – ragt der Rest eines alten Wasserturms (2) in die Höhe. Jahrzehnte lang war er dem Verfall überlassen worden, nun tut sich endlich was. Der Investor verspricht einen „Glanzpunkt für die rechte Rheinseite“. Die Pläne sind spannend. Der Turm wird in ein modernes Quartier integriert und aufgestockt.
Das Freizeitangebot in Zeiten der Pandemie ist begrenzt. Wir empfehlen, die Stadt mit langen Spaziergängen zu erkunden. Die hier beschriebene Tour geht zurück auf eine Etappe aus dem Buch „Zo Foß durch Kölle jonn“ mit 14 Stadtwanderungen, erschienen bei Kiepenheuer und Witsch. Die aktuellen Einschränkungen erschweren die gastronomische Versorgung unterwegs. In normalen Zeiten empfiehlt sich das Café „Komm Rhein“ des SSM, Am Faulbach. Leckeres Eis gibts im Eiscafé de Marco, Bonhoefferstraße 21.
An- und Abfahrt: Ausgangspunkt ist die KVB-Bushaltestelle „Am Faulbach“ (Linie 153). Zurück gehts von der Haltestelle „Edelhofstraße“ (Linien 151, 152). Länge: Wenn man das Brackwasser in der Flittarder Rheinaue umrunden will – was unbedingt zu empfehlen ist – und einen Abstecher zum Rheinstrand in Flittard mit einplant, ist diese Wanderung etwas länger als acht Kilometer
Dass das Areal eingezäunt und abgesperrt werden wird, sorgt jedoch genauso für Kritik wie die Tatsache, dass auch hier nur der wohnen wird, der viel Geld ausgeben kann. Kurz dahinter läuft man an einer GAG-Siedlung aus dem Jahr 1967 vorbei, wo es tatsächlich nach wie vor Wohnungen in bester Lage auch für Menschen mit weniger Geld gibt. Dieser Uferabschnitt ist seit 2014 mit dem Namen Ali Kurt verbunden, der hier wohnte. Der Mann war in den Rhein gesprungen, um zwei Mädchen zu retten. Er und eines der Kinder starben.
Eine Kirche aus finnischem Holz
Hinter einem Stein, der den Rheinkilometer 694 markiert, biegen wir am nächsten Abzweig rechts ein, um einen Abstecher durch Stammheim zu machen. Der Weg führt vorbei an der Ricarda-Huch-Grundschule zu einer neuen GAG-Siedlung, die anstelle von vier alten heruntergekommenen Wohntürmen errichtet worden ist. Das Bauprojekt kann sich nicht nur wegen der markanten grünen Balkone sehen lassen. Über eine lange Leitung wird die Wärme, die im Klärwerk Stammheim als Abfallprodukt entsteht, hierhergeführt, um die Wohnungen zu beheizen und die Warmwasserversorgung zu sichern. Wir folgen der Ricarda-Huch-Straße bis zur Bonhoefferstraße, wo wir links einbiegen und nach wenigen Metern die Immanuel-Kirche (3) erreichen. Die evangelische Brückenschlag-Gemeinde hat sich 2013 ein Gotteshaus aus finnischem Holz gebaut – ein echtes Kunstwerk, das trotz Modernität eine warme Atmosphäre vermittelt.
Wenn man der Straße weiter folgt, stößt man auf den Stammheimer Ring. Von dort geht es zweimal links in die Schlossstraße vorbei an kleinen Häuschen, die so auch im Altenberger Märchenwald stehen könnten. So erreicht man den von Steinlöwen bewachten Stammheimer Schlosspark (4).
Der Park ist einer der schönsten der Stadt, ruhig und traumhaft gelegen, aber durch Kunst und Kuriositäten auch abwechslungsreich. Auf dem Weg zurück zum Rheinufer kommt man am verlassenen Ulrich-Haberland-Haus vorbei, über dessen Zukunft seit Jahrzehnten ohne greifbares Ergebnis debattiert wird. Die Bauhaus-Architektur verfällt.
Naturparadies in Köln-Flittard
Der Weg parallel zum Rhein führt in ein einzigartiges Naturparadies. Die Flittarder Rheinaue (5) steht seit 1992 unter Naturschutz und ist zu einem Musterbeispiel für Renaturierung geworden, ohne die Menschen ausschließen zu müssen, wie es andernorts in Köln geschieht. Über die Jahre hat sich die Fauna prächtig entwickelt. Sie bietet Lebensräume für Kormorane, Reiher und andere Vögel. Durch den Uferwald gelangt man immer wieder zum Rheinstrand mit Blick auf die Industriebetriebe von Bayer und Ford (6). Nirgendwo in der Stadt liegen Großindustrie und Natur so eng beieinander.
Es empfiehlt sich, die große Runde ums Brackwasser zu laufen. Wer nicht so gut zu Fuß ist, geht gleich vom Flittarder Damm in die Hubertusstraße. Der Abzweig zwischen einem Bolzplatz und einem Parkplatz ist als Radweg nach Opladen und Leverkusen beschildert. Er führt vorbei an der neuromanischen Pfarrkirche St. Hubertus mit einem rund 800 Jahre alten Kirchturm. Man biegt links in die Pützlachstraße und gleich wieder rechts in die Rosellstraße (7) mit alten Fischerhäuschen, in denen die letzten Fischer Flittards lebten.
Die Rosellstraße stößt auf die Flittarder Hauptstraße, die uns nach rechts zum einzigen wirklich alten Hof des Stadtteils führt, der bis heute erhalten ist. Der Bongartzhof (8) gehörte zum Kloster Altenberg. Die Gebäude mit Fachwerk und Walmdach, die man heute sieht, stammen aus der Zeit um 1715. Gegenüber vor dem alten Schulgebäude erinnert eine Säule an die lange Geschichte des ehemals selbstständigen Bauern- und Fischerdorfs. Über die Evergerstraße links und die Edelhofstraße erreicht man die KVB-Haltestelle für den Bus zur Rückfahrt. Aus dem Busfenster gibt’s noch eine Zugabe: An der Egonstraße steht eine erhaltene Station eines höchst umständlichen Kommunikationssystems aus der Preußenzeit. Mit den beweglichen Flügeln solcher optischen Telegrafen wurden Nachrichten bis nach Berlin übermittelt.