Zentrale Plätze in Köln werden zu Angsträumen. Es wird vor aller Augen gedealt, geraucht und gespritzt, fast rund um die Uhr.
An Kölner HotspotsPolizei, Ordnungsamt und KVB sind auf Streife gegen Drogenkriminalität

Mit gemeinsamen Streifenteams wollen Polizei, Ordnungsamt und KVB die Drogen-Hotspots sicherer machen.
Copyright: Arton Krasniqi
Ihre kleine Schneiderei ist Giovannas ganzer Stolz. Seit über 20 Jahren betreibt sie ihr „Atelier Giovanna“ in der Zwischenpassage des Appelhofplatzes. Doch seit gut zwei Jahren hat sie den Spaß an ihrer Arbeit verloren, erzählt die Frau, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte.
„Es ist eine Katastrophe. Jeden Morgen liegen hier zehn bis zwanzig Junkies vor dem Laden, neben Drogen, urinieren überall hin und haben vor niemandem Respekt“, erzählt sie. Sie selbst sei von den Drogenkonsumenten bisher nicht angepöbelt oder gar angegriffen worden. Allerdings: „Die Kunden haben Angst und kommen einfach nicht mehr gerne hierhin. Wenn das so weitergeht, kann ich mein Geschäft aufgeben.“
Auch am Montagsvormittag liegen drei Obdachlose wenige Meter von Giovannas Laden entfernt und schlafen ihren Rausch aus. Ein Streifenteam, bestehend aus Polizisten sowie Mitarbeitern des Ordnungsamtes und der KVB-Security weckt sie und erteilt ihnen ein Platzverweis.
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Elend in Kölns offener Drogenszene zeigt sich immer deutlicher
Rund um den Appelhofplatz sowie auf anderen zentralen Plätzen der Stadt wie dem Friesenplatz und dem Neumarkt zeigen sich Tag für Tag das Elend und die Verwahrlosung der harten Drogenszene. Seit dem Ende der Corona-Pandemie und mit dem Aufkommen von Crack in der Szene verschärft sich das Problem zusätzlich. Ihre Hemmungen haben Rauschgifthändler und Konsumenten längst verloren. Gedealt, geraucht und gespritzt wird vor aller Augen, fast rund um die Uhr. Viele Anwohner und Passanten, ansässige Geschäftsleute und KVB-Kunden nehmen diese zentralen Plätze als Angsträume wahr. Und das seit Jahren.

Ein Drogenkonsument spricht eine Frau mit Kinderwagen am Aufzug an. Später erhält er einen Platzverweis.
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Nun wollen Polizei, KVB und Ordnungsamt dem mit einem neuen Einsatzteam etwas entgegensetzen. Die Idee: Statt jeder für sich, ziehen Sicherheitskräfte der KVB, Ordnungsamtsmitarbeiter und Polizisten nun gemeinsam los, um der Szene etwa am Neumarkt zwischen KVB-Gleis, Hugo-Passagen und Platzfläche auf den Füßen zu stehen.
Seit Mitte März läuft ein Pilotprojekt, um die Streifenteams zu testen, am Montag stellten Stadt, Polizei und KVB das Projekt bei einem Rundgang durch die Innenstadt vor. „Wir wollen die vielen herausfordernden Aufgaben auf den Brennpunkt-Plätzen bündeln und hoffen so, Synergieeffekte nutzen zu können“, sagt Polizei-Sprecher Sascha Wallmeroth. Und sein Kollege von der Stadt, Robert Baumanns, ergänzt: „Das Ziel ist natürlich, das Sicherheitsgefühl der Kölnerinnen und Kölner zu steigern.“

Oberkommissar Jannick Runde in der Hugo Passage am Neumarkt.
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Seit Mitte März sind jeden Tag mindestens zwei solcher gemischten Streifen auf den Brennpunktplätzen unterwegs – immer mindestens bestehend aus jeweils einem Mitarbeiter von KVB, Polizei und Ordnungsamt. Einer davon ist der Polizist Jannick Runde von der Innenstadtwache, der am Montagvormittag im gemischten Streifenteam zunächst über den Neumarkt zieht.
Auf den bunten Sitzbänken haben sich zwei Frauen und ein Mann niedergelassen. Neben einer Red-Bull-Dose haben sie Crack-Pfeifen bereitgelegt. Gemeinsam mit seinen Kollegen von KVB und Ordnungsamt geht Runde auf sie zu und nimmt die Personalien eines der Männer auf. Runde kennt die drei bereits. Kurz darauf packen sie ihre Sachen zusammen und ziehen weiter. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie sowieso gerade gehen wollten“, sagt Runde. Einen Platzverweis oder strafrechtliche Folgen haben sie vorerst nicht zu befürchten. Drogen haben die Ordnungskräfte nicht gefunden.
Es gibt Verwarnungen, Anzeigen, Platzverweise – aber das ist eine Sisyphus-Arbeit
Die Einsätze für das Streifenteam ähneln sich. Es ist eine Sisyphus-Arbeit: Immer wieder verscheuchen Runde und seine Kollegen Konsumenten vom Platz, aus den verwinkelten Ecken der Hugo-Passage und später aus der Unterführung am Appelhofplatz, immer wieder schreiben die Ordnungskräfte Anzeigen und Platzverweise oder sprechen Verwarnungen aus. Am Montagvormittag sind viele der Obdachlosenlager am Appelhofplatz bereits verwaist. In den verwinkelten Stellen der Passage lagern Feuerzeuge und Alufolie, die zum Heroinkonsum genutzt werden und die erahnen lassen, dass die zuvor verscheuchten Konsumenten schon bald wieder auftauchen werden.

In den verwinkelten Stellen am Appelhofplatz lagern Feuerzeuge und Alufolie.
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Für den KVB-Sicherheitsmann Turan Celikkale ist die bisherige Arbeit im gemischten Streifenteam trotzdem ein Erfolg: „Man lernt viel von den Kollegen. Und gemeinsam mit Polizei und Ordnungsamt werden wir deutlich ernster genommen.“ Immer wieder käme es zu Pöbeleien aggressiver Konsumenten gegenüber KVB-Sicherheitskräften. Vor allem vor den Polizei-Uniformen scheine die Szene aber mehr Respekt zu haben, so Celikalles Beobachtung.
Und auch Stadt, KVB und Polizei halten die Pilotphase für erfolgreich: Fast 1000 gemeinsame Personenkontrollen habe man seit dem 18. März vorgenommen, 47 Strafanzeigen, sieben Festnahmen und insgesamt 600 Platzverweise und Hausverbote resultierten daraus. Nach der Pilotphase wolle man die gemischten Streifenteams fest etablieren.
Die Schneiderin Giovanna hat die Präsenz des Streifenteams am Appelhofplatz durchaus wahrgenommen. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagt sie. Ob sich die Situation am Appelhofplatz aber wirklich dauerhaft verbessert und sie ihren Laden halten kann? „Das muss man abwarten", sagt sie und seufzt.