35 Jahre war Hans Eckart süchtig nach Heroin und Crack. Er erzählt, wie sich die Szene verändert hat und wie er nun endlich von den Drogen loskommen will.
„Ich kriege selber Angst“Ex-Crack-Konsument berichtet, wie sich die Szene am Neumarkt in Köln verändert
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Zwei drogensüchtige Menschen am Neumarkt konsumieren Crack (Archivfoto, gepixelt).
Copyright: Florian Holler
Hans Eckart (Name geändert) knibbelt unruhig an seinem Kaffee-Plastikbecher, als er in einem Büro der Kölner Substitutionsambulanz der Drogenhilfe von seinem letzten Rückfall erzählt, oder „meinem großen Absturz“, wie Eckart ihn nennt.
Sieben Wochen ist es her, als Eckart an einem Januarnachmittag sein Zimmer in einem Not-Hotel in Mülheim verlässt, in die Straßenbahn steigt und zum Neumarkt fährt, um Crack zu kaufen. „Wie ferngesteuert“ sei er gewesen, sagt Eckart. „Ich habe den Fehler gemacht, zwei Dosen Bier zu trinken. Plötzlich war das Suchtgedächtnis wieder an und die Hemmschwelle weg. Am Ende blieb ich bis vier Uhr morgens dort und habe 900 Euro für Drogen ausgegeben.“
Crack-Welle hat Köln erfasst
Der 50-Jährige hat viele solcher großen Abstürze erlebt in seinem Leben. Mit 15 hat er das erste Mal Drogen genommen, ein Jahr später das erste Mal Heroin, später auch Kokain und Crack. Nach über acht Jahren im Gefängnis sollte endlich Schluss sein mit dem Leben zwischen Rausch, Absturz, Kriminalität und Gefängnis. Doch ein weiteres Mal holte die Sucht ihn ein – und das vielleicht stärker als je zuvor. Einen Monat am Stück war Eckart wieder drauf. Es soll der letzte große Absturz in seinem Leben gewesen sein. Das hofft er zumindest.
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Die Crack-Welle hat Köln voll erfasst. Mehr und mehr verdrängt Crack Heroin als Droge Nummer eins aus der harten Drogenszene – mit verheerenden Folgen. Polizei, Stadt, Drogenhilfe, Suchtexperten – sie alle sprechen von zunehmender Verwahrlosung und Verelendung durch die Dominanz von Crack in der Szene. Nirgendwo in der Stadt wird das so deutlich wie am Neumarkt.
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Hans Eckart (Name geändert) hat 35 Jahre lang harte Drogen konsumiert. Er berichtet, wie Crack die Szene verändert hat.
Copyright: Florian Holler
Bei Crack handelt es sich um Kokain, das mithilfe von Wasser unter Zugabe von Natron oder Ammoniak gekocht wird. Dadurch entstehen sogenannte Cracksteine, die dann in einer Pfeife geraucht werden. Es wirkt schneller und stärker als Kokain. „Du fühlst dich wach und glücklich. Als ob die Welt dir gehört“ sagt Eckart. Die Wirkung flacht aber schnell wieder ab – und das Verlangen nach dem nächsten Stein ist enorm. „Es ist, als ob du dich in einem Käfig befindest. Du kommst da nicht mehr heraus, kannst an nichts anderes mehr denken und tust alles, um an den nächsten Stein zu kommen.“
Schon als Kind kommt Eckart mit Drogen in Berührung, seine Mutter war Alkoholikerin, seine Tante, so erzählt er es, rauchte Cannabis und nahm Amphetamine. „Bei meiner Tante hat alles angefangen. Sie schickte mich zu ihrem Dealer in Ostheim, um ihr Cannabis zu besorgen. Später ging ich heimlich zu ihm, um mir selbst was zu kaufen.“ Kurze Zeit später drehte ihm der Dealer Heroin an, Eckart nahm es – ohne zu wissen, um was für eine Droge es sich handelte. „Drei Wochen hat es gedauert, dann war ich drauf.“
Crack vor acht Jahren kaum verbreitet in Köln
Gemeinsam mit seinem ebenfalls süchtigen Bruder geht er Klauen und auf Raubzüge. Seine Schwester bricht den Kontakt ab. Kurz nach seinem 18. Geburtstag konsumiert er zum ersten Mal Kokain, kocht es gelegentlich auch selber zu Crack auf. Doch damals war die Droge kaum auf der Straße verbreitet. „Man brauchte Kontakte. Höchstens bei den Dealern in den Cafés in Kalk hat man Kokain bekommen, aber auf dem Neumarkt wurden damals nur Heroin und Pillen verkauft.“
2016 verurteilt ihn ein Gericht schließlich zu achteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags. Im Kokain- und Alkoholrausch gerät er mit einem Bekannten aneinander. Sie prügeln sich, bis Eckart im Affekt zu einem Messer greift und zusticht. „Da hätte einfach nicht passieren dürfen“, sagt er heute mit zitternder Stimme. „Ich habe Angst vor mir selbst gehabt.“ Eckart war endgültig unten angekommen.
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Jeden Tag kommt Eckart in die Substitutionsambulanz in der Kölner Innenstadt, um seine Heroin-Sucht zu therapieren.
Copyright: Florian Holler
Doch das Gefängnis war auch eine Chance. Denn Drogen sind dort nur schwer zu bekommen. Eckart macht eine Therapie, mithilfe von Methadon als Ersatzmittel kommt er von Heroin weg. Als er im Oktober 2024 entlassen wird, setzt er die Therapie in der Substitutionsambulanz in der Kölner Innenstadt fort. Für Crack gibt es ein solches Substitut nicht. Eckart meldet sich regelmäßig im Jobcenter und schreibt Bewerbungen für Jobs als Lagerist oder Landschaftsgärtner. „Ich wollte endlich ein ganz normales Leben führen.“
Bis zu jenem verhängnisvollen Tag im Januar, als Eckart zum Bier greift – und wenig später auch zum Crack. Die Szene am Neumarkt hat sich in der Zwischenzeit komplett verändert. „An jeder Ecke kriegst du jetzt fertige Cracksteine, teilweise geben dir die Dealer direkt die Pfeife dazu. Es ist viel stärker als alles, was ich vorher kannte. Wenn man einmal anfängt, kann man an nichts anderes denken.“
Die Szene sei deutlich gefährlicher, die Süchtigen deutlich verwahrloster als noch vor acht Jahren, so Eckart. „Überall laufen Leute mir offenen Wunden herum, manchmal tagelang, auf der Suche nach dem nächsten High. Bis sie umfallen. Ich kriege selbst Angst, wenn ich das sehe.“ Doch auch Eckart schafft es kaum, sich aus dem Strudel aus Rausch und Gier zu befreien. Als er seinen letzten Cent in Cracksteine investiert hat, steht Eckart vor dem Scheideweg. „Entweder ich werde wieder kriminell oder ich höre auf.“
Eckart schafft es, sich in seinem kleinen Notunterkunfts-Zimmer einzuschließen und auszunüchtern. „Ich wusste, wenn ich mir eine Sache erlaube, komme ich ins Gefängnis.“ Auch drei Wochen später verlässt Eckart sein Zimmer nur, um zur Substitutionsambulanz zu fahren. „Um den Neumarkt mache ich einen großen Bogen.“
Was man machen kann gegen das Elend auf dem Neumarkt, darauf kennt Eckart keine Antwort. Er weiß nur: „Ich will so nicht weiterleben, auf keinen Fall.“ Und er hat einen Plan: „Erstmal brauche ich einen Job. Wenn ich was zu tun habe und Geld verdiene, wird alles besser. Langeweile ist tödlich.“ Irgendwann wird er sich dann eine eigene Wohnung leisten können, hofft er. „Vielleicht will dann auch meine Schwester wieder Kontakt mit mir haben", sagt Eckart. „Solange ich Drogen nehme, will sie nicht mehr mit mit zu tun haben.“ Er verstehe das gut, die Schwester habe zwei kleine Kinder und wolle sie schützen. Aber er kann sich ändern. Daran glaubt er nach wie vor.