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Angstraum und DrogenhotspotMit diesen Ideen soll der Neumarkt in Köln wieder attraktiv werden

Lesezeit 11 Minuten
Auf dem Treppenabgang zur U-Bahn am Neumarkt werden häufig Drogen konsumiert und mit Rauschgift gedealt.

Auf dem Treppenabgang zur U-Bahn am Neumarkt werden häufig Drogen konsumiert und mit Rauschgift gedealt.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat acht Hauptakteure, die mit dem Neumarkt zu tun haben, nach ihren Forderungen und Vorschlägen gefragt.

Ein später Nachmittag Anfang Februar auf dem Neumarkt, es ist trocken und kalt. Auf dem U-Bahn-Abgang gegenüber der Buchhandlung stehen zwei Männer und teilen sich eine Pfeife, ihre Augenlider hängen tief, der eine wankt und kann sich kaum auf den Beinen halten. Ein paar Meter weiter, hinter dem Kiosk, stehen fünf Männer und eine Frau. Ihre Hände berühren sich. Was genau sie sich gegenseitig zustecken, bleibt unklar, zu erkennen sind nur Fünf-Euro-Scheine. Eine Etage tiefer in der Zwischenebene uriniert ein Mann gegen die Wand. Alltag auf dem Neumarkt.

Ihre Hemmungen haben Rauschgifthändler und Konsumenten längst verloren. Gedealt, geraucht und gespritzt wird vor aller Augen, fast rund um die Uhr. Und das seit Jahren. Vielleicht nirgends in der Stadt sind Verelendung und Leid, Kriminalität und Vermüllung, Sucht und Krankheit so augenfällig wie auf Kölns zentralstem Platz.

Köln: Polizei schlägt kontrollierte Drogenabgabe vor

Manche Anwohner und Geschäftsleute beklagen sich über den Drogenkonsumraum im nahen Gesundheitsamt. Der würde in der jetzigen Form auch Abhängige aus dem Kölner Umland anziehen, was das ohnehin schon große Problem noch verschärfe. Ist das wirklich so? Denkbar, aber ungewiss. Auf Anfrage der CDU im Gesundheitsausschuss antwortet die Stadtverwaltung kürzlich, die Konsumenten würden nicht gefragt, woher sie kämen. Das widerspräche dem niedrigschwelligen Ansatz der Einrichtung.

Auch für die Polizei bleibt der Neumarkt ein Hotspot. Meistens geht es um Drogendelikte, Körperverletzungen und Diebstahl. 809 Straftaten zählte die Behörde im Jahr 2021. Hundert mehr waren es 2022, noch einmal knapp 80 mehr im Jahr 2023. Für das vergangene Jahr liegen noch keine validen Zahlen vor, laut Einschätzung der Polizei seien sie aber wieder gesunken.

Um den illegalen Rauschgifthandel zu unterbinden, schlägt Polizeipräsident Johannes Hermanns im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor, in Drogenkonsumräumen unter medizinischer Aufsicht harte Drogen an Süchtige abzugeben. Zudem regt Hermanns an, den Drogenkonsumraum am Neumarkt zu verlegen. Ein innerstädtischer Verkehrsknotenpunkt sei „jedenfalls aus polizeilicher Sicht nicht der geeignetste Ort für einen Drogenkonsumraum“, da die Probleme sich dort kumulierten.

Neumarkt in Köln: Crack auf dem Vormarsch

Obwohl die Stadt den Platz im Vorjahr durch Veranstaltungen hat beleben lassen, obwohl sie einen Brunnen, mehr Mülleimer, mehr Lichtmasten und mehr Toiletten aufgestellt hat, ändert sich kaum etwas zum Besseren. Eher im Gegenteil. Erst recht, seit die gefährliche Droge Crack mit voller Wucht auf dem Neumarkt angekommen ist.

Was also ist zu tun? Zeit für eine Bestandsaufnahme. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat acht wichtige Akteure, die mit dem Neumarkt zu tun haben, gebeten, die aktuelle Lage einzuschätzen – und, was noch wichtiger ist: nach Vorschlägen gefragt, wie die Probleme kurzfristig und langfristig gelöst werden können.

Das sagt die IG Neumarkt

Thomas Kleefuß von der IG Neumarkt nennt Wien und Zürich als Vorbild, um die Drogenproblematik zu bekämpfen.

Thomas Kleefuß von der IG Neumarkt nennt Wien und Zürich als Vorbild, um die Drogenproblematik zu bekämpfen.

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Thomas Kleefuß, Vorsitzender der Interessengemeinschaft: Die Situation am Neumarkt eskaliert. Mehr als 800 Suchtkranke haben den Platz und die KVB-Anlagen in den letzten Jahren verwahrlosen lassen. Offener Drogenhandel und Obdachlosigkeit belasten nicht nur den Platz, sondern das gesamte Viertel und den Handel. Der zentrale Drogenkonsumraum ohne ausreichende Aufenthaltsmöglichkeiten im Gesundheitsamt verstärkt das Problem durch seine Sogwirkung.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Kurzfristig braucht es stärkere Präsenz von KVB-Sicherheitskräften, AWB und Ordnungsamt. Eine pragmatische Lösung wäre die Nutzung leerstehender städtischer Gebäude wie der Kaufhof-Zentrale für Angebote und Unterkünfte.

Was muss langfristig geschehen?

Langfristig müssen Hilfsangebote aus dem öffentlichen Raum in kontrollierte Hilfs- und Schutzräume für die Betroffenen verlagert werden. Notwendig ist ein koordiniertes Vorgehen von Ordnungsamt, Polizei, Justiz und Gesundheitsamt nach Vorbild von Wien und Zürich, wo solche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt wurden.


Das sagt die katholische Kirche

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Stephan Kessler, Pfarrer von St. Peter am Neumarkt: Der Neumarkt und sein Umfeld entwickeln sich seit Jahren immer mehr zu einem Unort inmitten von Köln. Niemand fühlt sich dort wohl, weder die zahlreichen Passanten noch die Menschen, die aus Suchtgründen dort hinkommen müssen, um „Stoff“ zu erhalten. Der Neumarkt verfügt über keinerlei Aufenthaltsqualität. Auch der neugeschaffene Brunnen verändert das nicht. Er wirkt eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Konflikte und Kollisionen sowie eine sichtbare Verelendung — aufgrund neuer, synthetischer Drogen wie zum Beispiel Crack — nehmen deutlich zu. Öffentlicher Raum, der allen gehört, verwahrlost. Der Neumarkt und sein Umfeld entwickeln sich zunehmend zu einem unangenehmen Angstort mitten in der Stadt.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Für die Menschen, die illegale Substanzen konsumieren, fehlen vor allem Orte, an denen sie sich aufhalten können, wo sie nicht ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Ebenso dringend fehlen Sanitärräume. Als Kunst-Station Sankt Peter und aktive Kirchengemeinde stehen wir in lebendigem Kontakt zu drogenabhängigen Menschen. Was sie am dringendsten bräuchten, sind entspannte Aufenthaltsorte und Toiletten. Beides könnte zumindest vorübergehend schnell realisiert werden. Das seit Jahren verwaiste Kaufhofareal, das die Stadtverwaltung anmieten will, hätte dafür genügend Platz und Kapazität. Im Gegensatz zur proaktiven Drogenpolitik anderer Städte (zum Beispiel Zürich) scheint in Köln der politische Wille auf die sich verändernden Bedürfnisse der Drogenszene wenig bis gar nicht einzugehen, was zu den obengenannten Verhältnissen führt.

Was muss langfristig geschehen?

Mittel- und langfristig wären bezahlbarer Wohnraum und sozialarbeiterische Begleitung notwendend. Das aufsuchende Suchtclearing der Drogenhilfe in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Gesundheitsamt und der Drogenkonsumraum sind Schritte in die richtige Richtung. Da bleibt aber noch deutlich Luft nach oben. Die Veränderungen in der Drogenszene erfordern neue Regelungen, zum Beispiel bei den Zugangsbedingungen zu den Notschlafstellen.


Das sagt die Polizei

11.12.2023, Köln: Johannes Hermanns ist der  neue Polizeipräsident. Foto: Uwe Weiser

Der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns regt an, harte Drogen unter medizinischer Aufsicht an Abhängige abzugeben, um den illegalen Handel einzudämmen.

Polizeipräsident Joahnnes Hermanns: Aus polizeilicher Sicht haben wir am Neumarkt und in seinem Umfeld mit einer ausgeprägten Drogenszene und schwerstabhängigen Drogenkonsumenten zu tun. Unsere Einsatzkräfte sind und bleiben auf dem Neumarkt präsent – in Uniform und in Zivil, um den illegalen Drogenhandel zu bekämpfen. Dabei nehmen wir natürlich insbesondere die Dealer ins Visier.

Ein Drogenkonsumraum zieht immer auch den Drogenhandel an, denn in einem Drogenkonsumraum werden ja keine Drogen abgegeben. Die Konsumenten müssen also die Drogen, die sie in dem angebotenen Raum konsumieren möchten, selbst mitbringen. Und das geht eben regelmäßig nur, wenn sie sich die Drogen am illegalen Markt beschaffen. Dieser „Nachfragebedarf“ wird durch illegale Händler bedient.

Köln: Polizei regt Verlegung des Drogenkonsumraums an

Viele schwerstabhängige Drogenkonsumenten schaffen es häufig aber nicht mehr in den Drogenkonsumraum und konsumieren auf öffentlichen Plätzen oder auch in Haus oder Geschäftseingängen. Die Begleiterscheinungen am Neumarkt sind Beschaffungskriminalität, Verwahrloste in Hauseingängen, Geschäfts- und Praxiseingängen oder an Tiefgaragen und Verunreinigungen durch Urin und Kot.

Das sind nicht hinnehmbare Zustände.

Ein innerstädtischer Verkehrsknotenpunkt ist jedenfalls aus polizeilicher Sicht nicht der geeignetste Ort für einen Drogenkonsumraum, da die Probleme sich dort kumulieren.

Das sind nicht hinnehmbare Zustände
Johannes Hermanns, Polizeipräsident Köln

Die unter heutigen Rahmenbedingungen so nicht zulässige kontrollierte Abgabe von harten Drogen in Drogenkonsumräumen unter ärztlicher Aufsicht könnte einen Beitrag leisten, um den illegalen Handel im öffentlichen Raum einzudämmen. Ohne begleitenden Hilfsangebote und -maßnahmen lässt sich das Problem jedenfalls nicht lösen. Dazu gibt es gute Vorschläge, die wir gemeinsam anpacken und umsetzen sollen.

Kontrollen, Präsenzmaßnahmen und die polizeiliche Videobeobachtung bleiben ein wichtiger Baustein, um den BTM-Handel auf der Straße einzudämmen.


Das sagt die Drogenhilfe

Andreas Sevenich von der Drogenhilfe Köln warnt vor Aktionismus.

Andreas Sevenich von der Drogenhilfe Köln warnt vor Aktionismus.

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Andreas Sevenich, Leiter der Substitutionsambulanz: Hier bedingen sich die Faktoren Armut, Konsum und Verelendung gegenseitig. Insbesondere die hohe Verfügbarkeit von Kokain und Crack und die einhergehende Veränderung in den Konsumgewohnheiten unter drogenabhängigen Menschen hat die Situation auf und um den Neumarkt verändert. Es ist eine zunehmende Verelendung und Verrohung unter den Konsumierenden zu beobachten.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Natürlich muss das Ziel sein, die Situation zu verändern. Aber Aktionismus erscheint mir in Zeiten knapper Haushaltsmittel kein guter Ratgeber zu sein. Wenn man Maßnahmen umsetzt, sollte man von diesen überzeugt sein, und es sollte eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese wirklich eine positive Wirkung am Neumarkt, aber insbesondere auch für die betroffenen drogenabhängigen Menschen entfalten.

Was muss langfristig geschehen?

Repression alleine wird das Problem nicht lösen. Eine Verknüpfung von humanitären, fachspezifischen und ordnungspolitischen Maßnahmen wird notwendig sein. Unter Einbeziehung aller Akteure wie Stadt Köln, Suchthilfe, Polizei, BI Neumarkt und IG Neumarkt gilt es, Angebote (auch dezentral) mit Aufenthaltsmöglichkeiten für drogenabhängige Menschen zu entwickeln, die attraktiv und erreichbar sind. Man müsste gegebenenfalls bereit sein, auch ganz neue Wege einzuschlagen — wie zum Beispiel den Kleinhandel zum direkten Konsum unter Konsumierenden in oder auf dem Gelände dieser Angebote zu tolerieren.


Zwei Drogensüchtige konsumieren Crack an einer Haltestelle auf dem Neumarkt.

Zwei Drogensüchtige konsumieren Crack an einer KVB-Haltestelle auf dem Neumarkt.

Das sagt die KVB

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Unternehmenssprecherin Gudrun Meyer: Sehr schwierig. Es gehen viele Beschwerden bei der KVB ein wegen alkohol- und drogenabhängiger Personen, die Bürger und Bürgerinnen anbetteln, zum Teil aggressiv. Sie sitzen auch auf Treppenzu- und abgängen zur Bahn und verengen den Weg so, dass Menschen sich belästigt oder unwohl fühlen. An den Haltestellen hat sich die Situation deutlich verbessert: Seit Dezember 2023 führt die KVB in drei Schichten täglich rund um die Uhr Streifengänge durch. Seitdem wurden 14.000 Personen der Haltestellen verwiesen, die dort genächtigt, sich häuslich niedergelassen und zum Teil Verunreinigungen hinterlassen haben, dazu 41.000 Menschen, die gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben. Letztlich sind die Personen aber zum Beispiel auf den Appellhofplatz oder den Josef-Haubrich-Hof ausgewichen.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Weitere Maßnahmen müssten an anderen Hotspots und vor allem auch in den öffentlichen Bereichen, in denen die KVB nicht zuständig oder befugt ist, durchgeführt werden. Es braucht ein ganzheitliches Konzept. Deshalb treffen sich regelmäßig alle Akteure (unter anderem Stadt, Ordnungsamt, Polizei und KVB) unter der Leitung des Kriminalpräventiven Rates der Stadt Köln, um Maßnahmenpläne zu erstellen und abzustimmen.

Was muss langfristig geschehen?

Die KVB setzt auch 2025 die Streifengänge am Neumarkt und am Ebertplatz fort. Mittel- und langfristig braucht es eine stabile und zuverlässige finanzielle und personelle Grundlage, um die Sicherheit weiter zu steigern. Es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem.


Das sagt die Stadt

Oberbürgermeisterin Henriette Reker verweist auf begrenzte finanzielle Mittel.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker verweist auf begrenzte finanzielle Mittel.

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Auf Anfrage spricht die Stadt Köln von einer „hohen Beschwerdelage“ am Neumarkt. Der öffentliche Drogenkonsum gehe häufig einher mit Verelendung der Konsumierenden, Verschmutzungen des öffentlichen Raumes und Belastung der Anwohnenden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte zuletzt auf kleine Erfolge verwiesen: „Ich habe mich des Neumarkts angenommen, wir haben ihn belebt, eine kleine Gastronomie geschaffen, die Fußgängerwege geordnet.“ Aber Reker sagte auch: „Wir machen viel, aber wir haben nur begrenzte Mittel.“ Drogenkonsumräume etwa könnten das Problem nur abschwächen, nicht lösen, sagt die Oberbürgermeisterin. „Die Entwicklung in Köln ist das Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die massiv voranschreitet.“

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Dazu teilt die Stadt mit: Nach Karneval sollen weitere Sitzgelegenheiten in Brunnennähe aufgestellt werden. Ein Kulturprogramm für die Sommermonate sei in Planung. Auf der Westseite des Platzes, dort, wo der Brunnen steht, sollen im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres kostenlose Toiletten aufgestellt werden; auf der Ostseite sei das für das vierte Quartal geplant. Außerdem soll der Brunnen aus hygienischen Gründen neben den bereits installierten Filtern zusätzlich mit einer Chloranlage ausgestattet werden. Und auch in diesem Jahr werde es wieder eine mobile Gastronomie auf der Platzfläche geben.


Auf einer Stufe des Treppenabgangs zur U-Bahn auf dem Neumarkt liegen Crack-Utensilien.

Auf einer Stufe des Treppenabgangs zur U-Bahn auf dem Neumarkt liegen Crack-Utensilien.

Das sagt Vision e.V.

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Claudia Schieren, Geschäftsführerin von Vision e.V., dem Verein für innovative Drogenselbsthilfe: Am Ende ist die Gruppe der dort anwesenden Drogengebrauchenden überschaubar. Dazu kommen die Alkohol- und die Obdachlosenszene.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Kurzfristige Maßnahme zur Veränderung muss sein, dass Konsumenten den Weg vom Neumarkt zur Lungengasse (Drogenkonsumraum) zurücklegen können, ohne dass die Polizei die Substanz, die konsumiert werden will, einbehält. Solch ein Vorgehen konterkariert das Drogenhilfeangebot und der Konsum findet weiterhin dort statt, wo die Droge erworben wird – auf dem Neumarkt und in der Umgebung. Ein Teil des Neumarkts muss den Konsumenten zur Verfügung stehen, zum Aufenthalt, Austausch, um ihr soziales Miteinander zu pflegen. Auch Menschen mit Substanzkonsum haben das Recht, sich auf dem Neumarkt aufzuhalten. Alternativ zum Neumarkt kann der Josef-Haubrich-Hof eine Aufenthaltsmöglichkeit darstellen, nahe der Lungengasse, weniger frequentiert von Kölner Bürgerinnen und Bürgern. Der Hof wird bereits von einem Teil der Drogenszene genutzt. Mobile Toilettenanlagen sollten eingerichtet werden.

Was muss langfristig geschehen?

Mittel- und langfristige Veränderungen sind Schaffung weiterer Angebote wie Tagesruhebetten, eine Kontakt- und Anlaufstelle mit Unterstützungs- und Beratungsangeboten, wo die Menschen sich gerne aufhalten: niedrigschwellige, sinnstiftende Beschäftigungsmöglichkeiten.


Das sagt der Suchtforscher

Suchtforscher Daniel Deimel regt an, die leerstehende Kaufhof-Zentrale als Kontaktstelle und Ruhezone für Drogenabhängige zu nutzen.

Suchtforscher Daniel Deimel regt an, die leerstehende Kaufhof-Zentrale als Kontaktstelle und Ruhezone für Drogenabhängige zu nutzen.

Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Neumarkt beschreiben?

Prof. Daniel Deimel, Technische Hochschule Nürnberg: Die Situation birgt ein starkes soziales Konfliktpotential in sich: Drogenkonsumierende werden weiter ausgegrenzt, kriminalisiert und stigmatisiert. Gleichermaßen müssen die Bedürfnisse von Anwohnern und Gewerbetreibenden berücksichtigt werden.

Was kann kurzfristig getan werden, um die Lage zu verbessern?

Eine große Kontaktstelle inklusive Tagesruhebetten und sozialpsychiatrischer Versorgung für Drogenkonsumenten auf dem Areal der ehemaligen Kaufhof-Zentrale. Innerhalb der Einrichtung sollte der Mirkrohandel von Drogen, von Konsument zu Konsument, toleriert werden, um den Sozialraum zu entlasten. Der Substanzkonsum sollte in den Notunterkünften toleriert werden, damit gerade die Crack-Konsumenten aus der Straßenobdachlosigkeit geholt werden können.

Was muss langfristig geschehen?

Es sind viele Maßnahmen notwendig: zum Beispiel Kokain-Originalstoffvergabe an Abhängige, Entkriminalisierung der Konsumenten, massiver Ausbau an Wohnhilfen. Regelmäßige Szenebefragungen können helfen, die Maßnahmen weiter zu entwickeln. Vor allem: Es brauch den politischen Willen, diese Dinge anzugehen, pragmatische Lösungen zu finden und entsprechend mehr Geld einzusetzen.