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Miete, Zinsen, VerkehrKölner Traditionsgeschäft am Neumarkt macht das Licht aus

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Die seit Jahrzehnten vertraute Schiffgen-Leuchtreklame wird verschwinden. Alexander Schwaiger

Die seit Jahrzehnten vertraute Schiffgen-Leuchtreklame wird verschwinden. 

Nach 157 Jahren schließt das bekannte Beleuchtungsgeschäft.

Die Redewendung ist abgedroschen, doch hier trifft sie zu: In diesem Laden gehen die Lichter aus. Das Beleuchtungshaus Schiffgen am Neumarkt schließt nach 157 Jahren. Damit verschwindet das letzte der vier Leuchten-Fachgeschäfte, die vor allem in den 70er und 80er Jahren für Hahnenstraße und Neumarkt prägend waren. Zuletzt hatte 2020 die Firma Remagen nach 56 Jahren den Neumarkt verlassen.

Für Geschäftsführer Stefan Brings (61, nicht verwandt mit der Musikerfamilie) ist es eine sehr emotionale Sache. „Die Meile wurde in der Fachwelt einst ‚Boulevard des lumières – Straße der Lichter‘ genannt“, schwärmt er. Seine Eltern hatten 1960 die Firma von der Familie Schiffgen übernommen. Der Name wurde damals beibehalten, weil er ein Begriff über Köln hinaus war. „Eine Marke. Oder eine Brand, wie man heute sagt.“ Vor 32 Jahren wurde er selbst dann Chef. „Ich bin hier im Geschäft zwischen Lampen aufgewachsen, habe früher auf der Treppe gesessen und 50-Pfennig-Stücke für die Kasse sortiert.“

Aufträge für Lichtplanung fielen bei Schiffgen fast vollständig weg

Doch er habe nun keine Wahl gehabt. „Das war eine rein ökonomische Entscheidung.“ Der größte Faktor: Wegen der hohen Zinsen würden kaum noch Einfamilienhäuser gebaut. Lichtplanung für solche Neubauten war aber die Haupteinnahmequelle bei Schiffgen. „Die Anfragen für solche umfassenden Arbeiten sind im vergangenen Jahr um 95 Prozent eingebrochen“, sagt Brings.

Stefan Brings nimmt die letzten Lampen im Laden ab.

Stefan Brings nimmt die letzten Lampen im Laden ab. Vor der Buchwand wurde gezeigt, wie wichtig die richtige Beleuchtung ist.

Dazu käme eine zu hohe Miete, die vom Berliner Hausbesitzer auch in Coronazeiten niemals reduziert worden sei. Und auch die Park- und Verkehrssituation sei für die vielen Kunden von auswärts, die mit dem Auto fahren, schwierig. „Viele kommen nicht mit den neuen Fahrradspuren zurecht, sie haben Angst, in die Innenstadt zu fahren.“ Ein Umzug, wie ihn die Firma Remagen gemacht hat, wäre zu teuer gewesen. Und zuletzt ließ auch die Aussicht auf eine jahrelange U-Bahn-Baustelle vor der Ladentür den Entschluss reifen, aufzuhören.

Somit endet die Geschichte, die 1868 mit Martin Schiffgen in der Altstadt begonnen hatte. Im Gässchen „In der Höhle“ hatte er eine Werkstatt für Gas- und Petroleumleuchten-Herstellung gegründet. Und er erfand eine tragbare Grubenleuchte mit Gitter, die im Ruhrgebiet noch lange benutzt und nach ihm benannt wurde. „Früher sagte man: Gib mir mal den Martinsbrenner“, erzählt Brings.

Die Schiffgen-Neonreklame muss abgenommen werden

1956 zog die Firma in den typischen Nachkriegsneubau am Neumarkt. Deutschland wurde wiederaufgebaut, die Wirtschaft kam in Schwung. Licht wurde überall gebraucht. Schiffgen stattete die Kölner Oper aus. Und verdiente gut mit Lichtplanung für Ein- und Zweifamilienhäuser, also die Einplanung von Lampen schon im Architekturentwurf und beim Bau. „Die obere Mittelschicht“ sei die Kundschaft gewesen, so Brings. „Es ging nicht um Luxus, nichts Ausgeflipptes.“

Stefan Brings bekam im Lauf der Jahrzehnte Familienfreuden und -tragödien mit. Da war der Kunde, der viermal heiratete und dazu immer wieder neue Beleuchtung brauchte. Oder die alte Dame, die sich nicht traute, Glühbirnen zu wechseln.  Es gab so viele Aufträge, dass die Elektroarbeiten vor Ort an Fremdfirmen vergeben wurden. „Das hätten wir alles gar nicht selbst geschafft.“ Doch die Lage änderte sich in den letzten Jahren. Neun Mitarbeiter hatte Schiffgen in der Hochphase, zuletzt waren es inklusive ihm selbst noch drei.

Durchschnittlich 1000 Leuchten waren im Laden ausgestellt. Trotz Billigkonkurrenz: „Der Einzelhandel lief bis zum Schluss noch gut, aber das reichte nicht.“ Beim Ausverkauf, bei dem einige Tränen flossen, ging die gesamte Ware weg. „Wir schließen erhobenen Hauptes“, sagt Brings stolz. Er wollte nicht riskieren, in die Insolvenz zu rutschen. „Denn die hätte vor allem den kleineren Zulieferern geschadet, mit denen ich so lange gearbeitet habe.“

Mit Schiffgen gehe ein Stück Köln, sagt er. „Selbst junge Leute sagen: Wir treffen uns am Schiffgen-Haus.“ Die Neon-Leuchtreklame kennt jeder. Was aus ihr wird, ist ungewiss. Unter Denkmalschutz steht sie nicht– im Gegensatz zu den Messingfensterrahmen und der Fassade. Der Hausbesitzer habe bestimmt, dass die Schriftzüge abgenommen werden müssen. „Wir müssen sehen, was dabei von ihr übrig bleibt. Denn das Glas ist sehr dünn und brüchig, besonders an den Anschlussstellen.“ Geleuchtet hat sie übrigens schon lange nicht mehr. Denn die alten Neonröhren brauchen extrem viel Strom – und sogar dabei musste Brings schon sparen.

Der Nachmieter am Neumarkt steht noch nicht fest.