Wir beantworten Fragen unserer Leserinnen und Leser. Heute: Wie sah der Neumarkt, heute in der Hand der Drogenszene, früher aus?
Leser fragen, wir antwortenVor 70 Jahren war der Neumarkt noch ein Kölner Platz zum Verweilen

Der Neumarkt in Köln im Jahr 1957
Copyright: Archiv Dr. Ulrich Krings
Helena Dohmen aus Lindenthal fragt: Sah der Neumarkt schon immer so aus wie heute? Seit wann gibt es die Probleme mit der Drogenszene? (Helena Dohmen)
Eine detaillierte Beantwortung dieser Frage würde Bücher füllen. Denn neu ist der Neumarkt keineswegs, sondern rund 1000 Jahre alt, in denen er für den Viehhandel ebenso genutzt wurde wie als Hinrichtungsstätte, für militärische Paraden oder Rosenmontagsumzüge. Ab dem 14. Jahrhundert drehte sich sogar eine Windmühle auf dem Neumarkt. So groß wie heute – rund drei Hektar – war er allerdings von Anfang an.
Diese drei Hektar machen heute vor allem wegen der Drogenszene Schlagzeilen. Doch auch die existierte hier natürlich nicht immer. Die historische Ansichtskarte aus dem Jahr 1957 vermittelt noch den Eindruck von heiler Welt. Die Pflasterung ist neu, die Laternen sind schlank, ein ganz neuer Brunnen begeistert kleine Kinder. Die Stadt hat überall Blumenkübel in Dreiecksformationen aufgestellt. Die Platanen, die gleich nach dem Krieg in die Trümmerwüste gesetzt wurden, wachsen schnell.
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Der Neumarkt im Februar 2025
Copyright: Arton Krasniqi
Die Kirche St. Aposteln ist nach den enormen Beschädigungen, die der Zweite Weltkrieg in der Innenstadt hinterlassen hat, wieder für Gottesdienste nutzbar. „St. Aposteln ist ein schönes Beispiel dafür, dass beim Wiederaufbau der Kölner Kirchen einige exakt so wiederhergestellt worden sind, wie sie vor dem Krieg waren“, erläutert der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. 1957 ist der große Westturm bereits rekonstruiert, die östlichen Türme sind jedoch noch provisorisch bedacht und werden erst in den 1960er und 1970er Jahren in alter Form wieder aufgebaut.
Mit dem „Sparhammer“ begann das „Abrocken“ des Neumarkts
Auch Andreas Hupke, seit 20 Jahren Bezirksbürgermeister für die Innenstadt, hatte einen guten Eindruck vom Neumarkt, als er Mitte der 1970er Jahre als junger Mann nach Köln kam. Musik, Kunst, Theater, Demonstrationen – alles habe sich hier abgespielt. Der 75-jährige Grünen-Politiker spricht von einer „sprudelnden Quelle menschlicher Kreativität“ mit hoher Aufenthaltsqualität: „Da kamen Menschen hin, die einfach mal auf dem Neumarkt sitzen wollten.“
Laut Markus Peters, Vorstandssprecher des Kölner Caritasverbands und ehemaliger Vorstand des Sozialdienstes Katholischer Männer, gab es jedoch bereits seit den späten 1970er Jahren eine Drogenszene auf dem Neumarkt, die sich wahrscheinlich wegen seiner zentralen Lage mit schnellen An- und Abreisezugängen entwickelt habe.
Fatal wirkte sich Andreas Hupke zufolge in den 1990er Jahren aus, dass die öffentlichen Toiletten geschlossen worden seien und der Brunnen stillgelegt wurde. Nach dem Mauerfall sei ein „Riesen-Sparhammer“ auf die Kommunen niedergefallen: „Damit begann das Abrocken des Neumarkts.“ Der Platz sei zudem durchgehend für kommerzielle Veranstaltungen genutzt worden. Als öffentlicher Stadtraum zum Verweilen sei der Neumarkt damit nicht mehr wahrgenommen worden. Mittlerweile wurde das Rad wieder etwas zurückgedreht. Um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, reaktivierte die Stadt 2024 den Brunnen aus den 1950er Jahren.
Situation für Anwohner hat sich nicht verbessert
Der Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt, in dem sich Süchtige unter medizinischer Aufsicht ihren Stoff verabreichen können, sei als Reaktion auf das Drogenproblem eingerichtet worden, erklärt Markus Peters. Aus seiner Sicht hat sich die Situation für Anwohner trotzdem nicht erkennbar verbessert. Möglicherweise, weil sich die Szene verändert habe. Unter anderem seien vermehrt Crack-Konsumenten unterwegs: „Crack richtet verheerende Schäden beim Menschen an.“

Ein Mann raucht Crack in einem Fotoautomaten in der Hugo-Passage.
Copyright: Arton Krasniqi
Eine Patentlösung kennt auch Markus Peters für den Neumarkt nicht, „aber wir müssen es miteinander bestmöglich versuchen.“ Was dem Konsumraum im Gesundheitsamt fehle, sei jedoch eine umfassende Grundversorgung für die Abhängigen, wie sie etwa im Konsumraum des Sozialdienstes Katholischer Männer am Hauptbahnhof angeboten werde. Hier könnten die Suchtkranken ihre Wäsche waschen, essen, duschen, eine Postadresse einrichten und übernachten: „Für Menschen ist es auch wichtig, einen Raum zu haben, wo sie zur Ruhe kommen können und dann dort auch länger verweilen.“
Sie fragen – wir antworten
Sie fragen – wir antworten. Das ist das Prinzip unserer neuen Serie. Wir bitten Leserinnen und Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“, der Redaktion Fragen zu schicken, die sie beschäftigen. Schreiben Sie uns: Was wollen Sie über Köln wissen? Welche Hintergründe interessieren Sie? Worüber haben Sie sich schon immer in Köln gewundert? Wir recherchieren und beantworten eine Auswahl Ihrer Fragen. Zuschriften mit dem Betreff „Leserfrage“ per E-Mail an: ksta-koeln@kstamedien.de