Nun steht fest: Die Tunnellösung kommt. Der Entscheidung ging ein jahrelanges politisches Ringen voraus.
Ost-West-AchseWarum Köln seit 2016 über einen neuen U-Bahn-Tunnel diskutiert

So könnte der Neumarkt aussehen, wenn die Stadtbahnen unterirdisch fahren.
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Der Kölner Stadtrat hat mit der Mehrheit der Stimmen von CDU, SPD und FDP und der Stimme der Oberbürgermeisterin Henriette Reker dem Ausbau der Ost-West-Achse zwischen dem Heumarkt und der Moltkestraße in der U-Bahn-Variante zugestimmt. Und das mit einer deutlichen Mehrheit: 49 Ratsmitglieder einschließlich der Oberbürgermeisterin stimmten dafür, 14 dagegen. Die AfD schloss sich dem Antrag des sogenannten Tunnelbündnisses an. Die Fraktion der Grünen mit 24 anwesenden Mitgliedern nahm nicht teil und ließ sich aus der Anwesenheitsliste austragen.
Die der Entscheidung vorausgegangene Debatte unterstrich unterdessen erneut, wie tief die Gräben zwischen Tunnelgegnern und Befürwortern bis zuletzt waren. Ob die Bahnen in der Kölner Innenstadt zwischen Heumarkt und Aachener Weiher künftig durch einen 2,6 Kilometer langen Tunnel fahren, darüber diskutieren Stadtverwaltung, Politik und Öffentlichkeit bis zur Entscheidung fast ein Jahrzehnt lang. Eine Chronik der Ereignisse.
Februar 2016: Der damalige KVB-Chef Jürgen Fenske kündigt an, dass derzeit geprüft werde, ob die Bahnen auf der Ost-West-Achse in Zukunft zum Teil als U-Bahn ausgebaut werden sollen. Ein Tunnel zwischen Heumarkt und Rudolfplatz zum Beispiel sei schwierig zu realisieren. „Wir müssen sehen, was technisch vertretbar und finanziell realistisch ist“, sagte Fenske.
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Juni 2016: Die KVB präsentieren eine erste Visualisierung, die zeigt, wie eine U-Bahn zwischen Heumarkt und Neumarkt oder Rudolfplatz die Innenstadt verändern würde. Statt der bisherigen Gleistrasse sind großzügige Grünflächen zu sehen.

So sah 2016 die erste Visualisierung der KVB zur Ost-West-Achse aus.
Copyright: KVB
Februar 2017: Die Stadt Köln und die KVB stellen erste Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie mit vier Varianten vor. Die erste Option sieht vor, die vorhandenen Bahnsteige zu verlängern, den Autoverkehr neu zu ordnen und somit oberirdisch zu bleiben. Eine zweite Variante wäre ein U-Bahn-Tunnel, der hinter der Deutzer Brücke am Heumarkt beginnt und kurz vor dem Neumarkt endet. Bei einer dritten Variante würde die Stadtbahn erst hinter dem Rudolfplatz wieder aus dem Untergrund auftauchen, bei der vierten Variante am Aachener Weiher.
Juni 2017: Um das Vorhaben auf der Ost-West-Achse finanzieren zu können, beantragen Stadt und KVB Fördermittel bei Land und Bund.
Februar 2018: Stadt und KVB starten eine breit angelegte Öffentlichkeitsbeteiligung. Dazu gehören Expeditionen entlang der Trasse und Diskussionsrunden mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So wird der Fokus einmal auf die Anwohner gerichtet, ein anderes Mal geht es um die KVB-Kunden oder um die Autofahrer.
März 2018: Der damalige SPD-Fraktionschef Martin Börschel und der damalige verkehrspolitische Sprecher der SPD, Andreas Pöttgen, stellen einen eigenen Plan vor. Sie wollen einen U-Bahn-Tunnel bauen, der bereits in Deutz beginnt und unter dem Rhein hindurchführt. Außerdem soll die Linie 7 parallel weiterhin oberirdisch fahren, um so noch mehr Fahrgäste befördern zu können.
Oktober 2018: Die Stadt hat neben dem SPD-Plan mit Rheintunnel und oberirdischer Trasse auch zwei weitere Vorschläge aus der Politik prüfen lassen. Die CDU bringt eine mittellange Tunnellösung zwischen Heumarkt und dem Eisenbahnring am Inneren Grüngürtel ein. Von der FDP kommt der Vorschlag, den Tunnel vom Heumarkt bis zum Melatenfriedhof zu führen und gleichzeitig die Linie 7 von der Moltkestraße bis zum Stadtwaldgürtel unter die Erde zu legen. Ein Ingenieurbüro bewertet die Vorschläge von CDU und FDP als potenziell förderfähig, den Vorschlag der SPD als „kaum darstellbar“.
Entscheidung gerät in der Kölner Politik zum Ränkespiel
November 2018: Hinter den Kulissen gerät die Entscheidung über die Zukunft der Ost-West-Achse zum politischen Ränkespiel. SPD, CDU und FDP sind für einen Tunnel, Grüne und Linke dagegen. Im damaligen Stadtrat bedeutet das eigentlich eine klare Mehrheit. Die SPD pocht aber auf den Rheintunnel und den Erhalt der oberirdischen Gleise für die Linie 7. Das führt zu der Überlegung, möglicherweise mit Grünen und Linken zunächst für einen rein oberirdischen Ausbau zu stimmen, ihnen dafür aber abzuverlangen, dass sie der späteren Prüfung für einen Rheintunnel zustimmen.
Dezember 2018: CDU und Grüne, die damals das Mehrheitsbündnis im Stadtrat bilden, finden überraschend einen Kompromiss. Sie beschließen, dass die Verwaltung den oberirdischen Ausbau der Trasse mit einer Verlängerung der Bahnsteige als auch den Bau eines neuen U-Bahn-Tunnels zwischen Heumarkt und Aachener Weiher gleichberechtigt weiterplanen soll. Die tatsächliche Entscheidung, welche Lösung am Ende gebaut werden soll, verschieben die beiden Fraktionen somit in die Zukunft. Innerhalb der CDU wird das Vorgehen teils scharf kritisiert.
Mai 2019: Der Stadtrat bewilligt 29,4 Millionen Euro für die Weiterplanung der Ost-West-Achse. Die KVB beteiligt sich mit weiteren 3,9 Millionen Euro. Allein 16,5 Millionen entfallen auf die Weiterplanung für einen U-Bahn-Tunnel zwischen Heumarkt und Aachener Weiher.
Januar 2022: Die Stadt richtet ein politisches Begleitgremium ein, um die Entscheidung über die Ost-West-Achse im Stadtrat vorzubereiten. Das soll im Jahr 2023 geschehen. Eine „gut strukturierte Kommunikation und Abstimmung zwischen der Verwaltung und den politischen Vertreterinnen und Vertretern“ sei „unerlässlich“.
November 2022: Das Verkehrsdezernat stellt dem politischen Begleitgremium die Planungen für eine oberirdische Erweiterung vor. Die Projektverantwortlichen zeigten, wie die Stadtbahnlinien 1, 7 und 9 künftig durch die Innenstadt fahren würden, wie die Haltestellen angeordnet und die übrigen Verkehrsflächen gestaltet sein könnten.
Mai 2023: Das Verkehrsdezernat stellt dem politischen Begleitgremium die Pläne für die Tunnel-Variante vor und skizziert, wie die vier neuen unterirdischen Haltestellen aussehen könnten.

Eine frühere Visualisierung zeigt den Neumarkt ohne Gleise für die Stadtbahn.
Copyright: Stadt Köln
September 2023: Verkehrsdezernent Ascan Egerer kündigt an, dem Stadtrat im Mai 2024 den Beschluss für die Zukunft der Bahntrasse auf der Ost-West-Achse vorlegen zu wollen.
November 2023: Die Stadt teilt mit, dass die Kosten für die Ost-West-Achse seit 2016 vor allem aufgrund von inzwischen höheren Baukosten um rund 45 Prozent gestiegen sind. Die aktuelle Schätzung geht für die Tunnel-Variante von bis zu 970 Millionen Euro aus, ein oberirdischer Ausbau in der Innenstadt würde bis zu 160 Millionen Euro kosten.
März 2024: Ein von der Stadt beauftragter unabhängiger Gutachter kommt zu dem Schluss, dass ein neuer U-Bahn-Tunnel zwischen Heumarkt und Aachener Weiher in der Innenstadt förderfähig wäre. Bund und Land würden sich demnach an den Baukosten beteiligen.
April 2024: Die KVB testet auf Antrag von CDU und Volt zwischen den Haltestellen Bahnhof Deutz/Messe und Neumarkt erstmals den Einsatz 90 Meter langer Stadtbahnen. Damit soll gezeigt werden, was es bedeuten würde, wenn Fahrzeuge dieser Länge in Zukunft oberirdisch in der Innenstadt unterwegs wären und nicht unterirdisch in einem Tunnel.
Mai 2024: Verkehrsdezernent Ascan Egerer präsentiert eine Beschlussvorlage für die Ost-West-Achse. Daraus geht hervor, dass eine unterirdische Trasse einen höheren Wert für Fördergelder erreicht als ein oberirdischer Ausbau. Der wäre mit geschätzt 193 Millionen Euro allerdings deutlich günstiger als ein Tunnel mit 1,06 Milliarden Euro. Der Stadtrat soll am 27. Juni 2024 entscheiden.
Kölner Stadtrat verschiebt Abstimmung über Tunnel erneut
Juni 2024: Grüne und SPD kündigen an, am 27. Juni nicht entscheiden zu können. Es fehle ein detaillierter Bericht von mehreren hundert Seiten zur Berechnung der Nutzen-Kosten-Faktoren für die beiden Varianten. Die FDP schlägt vor, dass die Linie 9 nicht wie bislang geplant im Mauritiusviertel an die Oberfläche kommen, sondern erst auf Höhe der Kreuzung Aachener Straße/Universitätsstraße unterirdisch Richtung Sülz abbiegen soll. Verkehrsdezernent Egerer erhält 100 Fragen aus der Ratspolitik zu seiner Beschlussvorlage.
Juli 2024: Die SPD holt ihre alten Pläne aus dem Jahr 2018 hervor und schlägt erneut vor, gleichzeitig einen neuen U-Bahn-Tunnel unter dem Rhein zu bauen und die oberirdische Trasse in der Innenstadt zu behalten.
August 2024: Das Bündnis für Verkehrswende präsentiert ein eigenes Gutachten zur Frage der Förderfähigkeit der ober- und der unterirdischen Lösung. Danach liegt die U-Bahn-Variante bei der kritischen Marke von 1,0, die oberirdische Lösung über dem Wert von 1,3. Der Gutachter sagt, die Reisezeiten seien in dem Gutachten im Auftrag der Stadtverwaltung bei der U-Bahn zu optimistisch kalkuliert worden.

Testfahrt mit einem 90-Meter-Langzug auf der Ost-West-Achse im April 2024.
Copyright: Martina Goyert
Dezember 2024: Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP präsentieren als neues Tunnelbündnis ein Gesamtpaket für eine Verkehrswende in Köln. Es besteht aus drei Teilen. Begonnen werden soll mit dem provisorischen oberirdischen Ausbau zwischen Heumarkt und Aachener Weiher. Der zweite Schritt ist die lange U-Bahn-Lösung mit einem durchgehenden Tunnel zwischen Deutz und Melaten, also auch die Unterquerung des Rheins. Der dritte Schritt sieht die gestaffelte Einführung von vier Metrolinien vor, die auf eigenen Trassen das Umland mit Köln verbinden sollen. Dazu soll ein weiterer Tunnel zwischen der Universitätsstraße und dem Militärring unter der Dürener Straße gebaut werden, der von dort über die bestehende Bahntrasse nach Frechen führt.
Dezember 2024: Im Verkehrsausschuss des Stadtrats warnt Verkehrsdezernent Ascan Egerer, bei der großen Lösung des Tunnelbündnisses müsse man mit allen Planungen von vorn beginnen, weil sie zu weit vom Entwurf der Stadtverwaltung abweiche. Weil die Bezirksregierung Köln ähnliche Bedenken hat, wird die geplante Entscheidung im Stadtrat auf Februar 2025 verschoben.
Januar 2025: Die Stadtverwaltung warnt den Stadtrat. Das Metronetz-Konzept von CDU, SPD und FDP könnte das vorläufige Förder-Aus bedeuten und das gesamte Projekt um zehn Jahre zurückwerfen.
Februar 2025: Das Tunnelbündnis steht vor dem Scheitern, weil die SPD gemeinsam mit den Grünen über eine kleinere Lösung verhandelt, die zunächst den oberirdischen Ausbau zwischen Heumarkt und Universitätsstraße für den Einsatz von Langzügen vorsieht und in einem zweiten Schritt die Idee eines Metrolinienkonzepts aufgreift. Dass diese Linien in der Innenstadt auch durch einen Tunnel führen können, schließen die Grünen nicht aus. Die geplante Sondersitzung des Verkehrsausschusses, bei der das Konzept beschlossen werden soll, fällt aus, weil die SPD noch Beratungsbedarf hat. Damit ist auch klar: Der Stadtrat wird im Februar nicht entscheiden, vertagt das Paket auf den 3. April.
Februar 2025: Das Land NRW setzt der Stadt Köln eine Frist. Sollte das Ausbauprojekt nicht bis Ende Juli egal in welcher Variante zur Förderung angemeldet werden, schafft es nicht mehr den Sprung in den auslaufenden Bedarfsplan aus dem Jahr 2006 zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Dafür ist die U-Bahn-Variante angemeldet, ein Wechsel auf den deutlich billigeren oberirdischen Ausbau aber noch möglich. Der neue Bedarfsplan wird frühestens Mitte 2027 fertig sein. Die Stadt müsste sich dann neu bewerben.
März 2025: Die KVB ermahnt den Stadtrat eindringlich, im April endlich eine Entscheidung zu treffen. „Ein Beschluss des Rates der Stadt Köln zum Ausbau ist alternativlos – unabhängig davon, ob oberirdisch oder mit einer Tunnelvariante. Ansonsten kann perspektivisch nicht ausgeschlossen werden, dass eventuell nicht alle Fahrgäste befördert werden können.“
März 2025: Die SPD-Fraktion kehrt überraschend zu CDU und FDP ins Lager der Tunnelbefürworter zurück. Um die Förderung nicht zu gefährden, schnürt sie ihr im Dezember vorgestelltes Gesamtpaket in drei Teile auf. Erstens: Schneller oberirdischer Ausbau als Provisorium. Zweitens: sofortige Planung des Kerntunnels zwischen Heumarkt und Aachener Weiher nach dem Ursprungsvorschlag der Stadtverwaltung, allerdings mit oberirdischer Führung der Linie 7. Drittens: Planungen für das Metrolinienkonzept beginnen. Im Verkehrsausschuss bekommen sie dafür eine knappe Mehrheit. Die Grünen bleiben bei ihrer Haltung: mit ihnen wird es keinen Tunnel geben, egal in welcher Variante.
April 2025: Einen Tag vor der Ratssitzung warnt das NRW-Verkehrsministerium den Stadtrat, dass selbst die abgespeckte Kerntunnel-Entscheidung nach dem alten Bedarfsplan von 2006 nicht mehr förderfähig sein könnte, weil zu viele Änderungen vorgenommen wurden.
Der Begriff Ost-West-Achse steht für den Umbau von 34 der 37 Haltestellen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) auf der Linie 1 zwischen dem rechtsrheinischen Bensberg und dem linksrheinischen Weiden-West. Die Strecke der Linie ist 26,5 Kilometer lang, täglich nutzen sie mehr als 100 000 Fahrgäste. Im Rechtsrheinischen fährt sie teils unterirdisch wie auch die Linie 9. Die Linie 9 zweigt aber am Neumarkt ab, die Linie 7 an der Kreuzung der Aachener Straße/Gürtel Richtung Frechen.
Die Idee eines Tunnels auf der Ost-West-Achse kam bereits im Generalverkehrsplan der Stadt Köln aus dem Jahr 1956 auf. Damals gab es Überlegungen für eine sogenannte Unterpflasterbahn. Beim Bau der im Dezember 2013 eröffneten U-Bahn-Haltestelle Heumarkt, die an die Nord-Süd-Stadtbahn angeschlossen ist, wurde bereits eine Anbindung an die Ost-West-Achse vorbereitet.