Der Neumarkt ist geprägt von der Drogenszene – der wiedereröffnete Brunnen soll nun die Aufenthaltsqualität für die Kölner steigern.
1997 stillgelegtBrunnen am Neumarkt sprudelt wieder – Maßnahmen zur Aufwertung geplant
Als Henriette Reker zusammen mit der kleinen Mia, Tochter der Volt-Ratsfraktionschefin Jennifer Glashagen, den roten Buzzer drückt, passiert erstmal nichts. Das Publikum singt weiter beharrlich „Dat Wasser vun Kölle is joot“ – und dann, erst gemächlich, dann mit voller Kraft, kommt das Wasser aus den Düsen geschossen. Der Brunnen am Neumarkt sprudelt wieder, mehr als 25 Jahre nachdem er stillgelegt wurde.
Am Neumarkt kommt damit eine der Umgestaltungsmaßnahmen zum Abschluss, die die Oberbürgermeisterin zur Aufwertung des Platzes bereits Anfang des vergangenen Jahres versprochen hatte. Der Neumarkt ist für viele Kölnerinnen und Kölner ein Verkehrsknotenpunkt, der passiert werden muss, ansonsten ist der Platz stark von der dort ansässigen Drogenszene geprägt. So auch am Freitag.
Während 50 Meter weiter unter musikalischer Begleitung von Bömmel Lückerath, Günter Schwanenberg und Tanja Krämer Vertreterinnen und Vertreter der Stadtspitze und der Ratsfraktionen auf den neuen Brunnen anstoßen, fragen Drogenkranke an den Bahnsteigen Passanten nach Geld, in den Hauseingängen der Nebenstraßen setzen sich Abhängige Spritzen. Bei der Brunneneröffnung spielt das aber nur am Rande eine Rolle. So hätten KVB und AWB investiert, um die Aufenthaltsqualität an der Haltestelle zu verbessern, die Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums würden stetig erweitert.
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Der am Neumarkt ansässige Zahnarzt Gisbert Küppers schildert hingegen, dass erst Freitagfrüh ein Matratzenlager am Neumarkt entfernt wurde – wie er vermutet wegen des Brunnentermins. „Welch Affront, welch eine Frechheit gegenüber all denen, die täglich – als Anrainer oder Besucher, als Schulkind oder junge Mutter – mit den Problemen am Neumarkt zu kämpfen haben“, schreibt der Zahnarzt in einem Brief an die OB. Von weiteren Verschönerungsmaßnahmen will Küppers nichts hören. „Nette Ausblicke haben wir Anrainer bereits zu häufig gehört.“
Neue Fußgängerüberwege am Neumarkt sollen zur EM fertig sein
„Ein Brunnen allein kann nicht dazu führen, dass ein Platz positiv wahrgenommen wird“, sagte Reker am Freitagmittag. „Deshalb haben wir viele Maßnahmen angestoßen und wollen im nächsten Jahr auch an die kulturelle Bespielung wieder anknüpfen.“ 2023 hatte der Pavillon „Nimm Platz“ der Künstlerin Erika Hock verschiedene Veranstaltungsformate über den Sommer auf dem Neumarkt beheimatet.
In einer Woche und damit pünktlich zum Start der Fußball-Europameisterschaft, die zum Teil auch in Köln ausgetragen wird, sollen dann auch zwei neue Fußgängerüberwege am Neumarkt fertiggestellt sein: Von der Platzmitte aus sollen die Passantinnen und Passanten dann direkt zur Aposteln- und zur Zeppelinstraße oder Schildergasse gehen können. Zusätzlich wurde die Querung an der Richmodstraße verbreitert. Nach der EM sollen dann noch Fahrradbügel aufgestellt werden und die Fahrbahn an den Querungsstellen instandgesetzt werden. Der Taxistand wird verkleinert, die Radwegführung angepasst.
„Die Aufenthaltsqualität hier soll sich verbessern“, sagte Reker. „Deshalb wird es künftig auch Sitzgelegenheiten und eine Außengastronomie an der Westseite geben.“ Diese soll Getränke, Snacks und Eis verkaufen, täglich zwischen 10 und 22 Uhr, der Start soll im Spätsommer sein. Dadurch soll der Neumarkt laut Reker „mehr sein als ein Ort für Veranstaltungen“, wie den Roncalli-Zirkus oder den Weihnachtsmarkt, sein.
Langfristige Umgestaltung hängt von Entscheidung zur Ost-West-Achse ab
All das soll zu langfristigen Veränderungen führen – auch, wenn noch unklar ist, wie der Neumarkt in den kommenden Jahrzehnten überhaupt aussehen wird. Das hängt maßgeblich davon ab, ob sich die Kölner Politik im Herbst für oder gegen einen U-Bahn-Tunnel auf der Ost-West-Achse entscheiden wird. Und damit auch dafür, inwieweit der Neumarkt oberirdisch weiter vom Verkehr geprägt sein wird. Solange die Planungen zur Ost-West-Achse nicht abgeschlossen sind, können auch am Neumarkt keine größeren Umgestaltungen durchgeführt werden.
Die Einrichtung des Brunnens hat die Stadt nun rund 1,5 Millionen Euro gekostet. Die Fertigstellung verzögerte sich um mehr als ein halbes Jahr, da bei den unterirdischen Arbeiten eine historische Römerstraße gefunden wurde und zunächst Ausgrabungen stattfinden mussten. Architekt Mark Münscher berichtet von zwei großen Kammern für den Brunnen, die in vier Meter Tiefe gehoben werden mussten. Rund 500 Kubikmeter Wasser laufen in einem Wasserumlaufsystem an einem Betriebstag durch den Brunnen. „Dabei arbeiten wir nicht ausschließlich mit Trinkwasser“, so Münscher, das sei auch ökologisch und ökonomisch nicht ratsam.
1956 wurde ein nahezu identischer Brunnen auf dem Neumarkt gebaut, 1997 wurde er stillgelegt. Seitdem erinnerte laut Münscher nur noch ein schwarzer Fleck auf dem Platz daran, wo das Wasser sprudelte. „Umso schöner ist es, dass wir diesen Fleck nun wieder mit etwas Schönem gefüllt haben“, so der Architekt. Wie die Kölnerinnen und Kölner und auch die Drogenszene den Brunnen nutzen und annehmen werden, wird sich bei warmem Wetter in den kommenden Wochen zeigen. Die Brunnensaison der Stadt läuft noch bis zum Oktober, dann werden alle städtischen Brunnen über den Winter bis zum April abgeschaltet.