Um der Stadt zu entfliehen, muss man sie nicht unbedingt verlassen.
Unsere Autoren zeigen neue Wege durch die Veedel.
Los geht es mit einer Route von Buchheim nach Holweide zum alten Rittergut Iddelsfeld.
Holweide – Auf den ersten Blick ist es ein Ausflug ins Grüne, in einen ruhigeren, stellenweise fast idyllischen Teil der großen Stadt: Ein plätscherndes Bächlein, Mühlen, burgähnliche Hofanlagen, Fachwerkhäuser und eine geradezu märchenhafte Siedlung könnten die Kulisse für romantische Erzählungen sein. Tatsächlich machen wir aber auch einen Spaziergang durch 1000 Jahre Kölner Wirtschaftsgeschichte.
40 Mühlen an der Strunde
Die Strunde hatte sich als „fleißigster Bach Deutschlands“ einen Namen gemacht, da er auf seinem rund 20 Kilometer langen Weg mit etwa 200 Meter Gefälle zeitweise bis zu 40 Mühlen antrieb. Schon vor 1000 Jahren wurde der Bachlauf künstlich beeinflusst und verlängert, um die Natur optimal zu nutzen. Nachgewiesen sind Papier-, Pulver- und Schnupftabakmühlen, eine Wollspinnerei oder eine Werkstatt zum Schneiden von Marmor. Aus einigen Handwerksbetrieben wurden Industrieanlagen.
Im Rahmen des Projekts „Regio Grün“ haben Köln und Bergisch Gladbach eine „Erlebnisroute Ost“ von Mülheim bis zur Quelle der Strunde in Herrenstrunden ausgeschildert. Hinweistafeln geben vielerorts spannende Infos. Fast 20 Kilometer wären zu wandern.
Unser deutlich kürzerer Spaziergang beginnt an alten Gemäuern zwischen Strunde und Faulbach. Östlich der KVB-Haltestelle Herler Straße liegt am Buchheimer Ring die älteste Wasserburg im rechtsrheinischen Köln, die Herler Burg (1). Auf der gegenüberliegenden Seite hat man einen guten Blick auf die einst zur Burg gehörende wunderschöne Herler Mühle mit einem großen erhaltenen Mühlrad. Vom Buchheimer Ring biegen wir links ab in den Schlagbaumsweg und überqueren die Autobahn. Unser weiterer Weg führt links parallel zur Lärmschutzwand ins Grüne, doch zuvor lohnt ein kleiner Abstecher nach rechts, denn hier befinden sich Überbleibsel des ehemaligen Ritterguts Schlagbaum. Die Vorburg mit Eckturm und Toreinfahrt aus dem 16. Jahrhundert ist noch zu erkennen. Spektakulärer ist jedoch ein kleineres Bauwerk, das nach wenigen Metern auf dem weiteren Weg in nördlicher Richtung vor der Lärmschutzwand liegt – eine Kreuzung für Flüsse (2).
Bach wurde höher gelegt
Schon vor 1000 Jahren hat man hier die Strunde künstlich in Hochlage versetzt, damit der Faulbach ungestört darunter hindurchfließen kann. Weil die Strunde immer dreckiger wurde, sollte sich ihr Wasser nicht mehr mit dem klaren Faulbach vermischen. Wir wandern weiter und nehmen den ersten Abzweig nach rechts, überqueren die Strunde und biegen wieder links ab. Der Weg führt vorbei an der größten Schule des Landes, der Gesamtschule Holweide. Sie steht auf einem Gelände, auf dem man früher Schlittschuhlaufen konnte, wenn im Winter ein Flutgraben der Strunde zufror. An der nächsten Weggabelung gehen wir über eine kleine Brücke zur Wichheimer Straße. Hier klapperte bis zum Ersten Weltkrieg die Wichheimer Mühle (3), aus der eine schicke Wohnanlage wurde.
Auf dem Weg zur Isenburg
Wir biegen rechts ab und folgen der Wichheimer Straße, überqueren nach rund 500 Metern die Johann-Bensberg-Straße und erreichen so die Isenburg (4). Inmitten von Viehweiden und Wiesen erhebt sich ein Bergisches Rittergut aus dem 14. Jahrhundert. Die beeindruckende Anlage ist ein gutes Beispiel zur Anschauung, welchen Weg solch historische Orte nehmen, wenn man sie privaten Investoren überlässt. Der Preis für ihren Erhalt ist hoch: Die Öffentlichkeit wird ausgesperrt.
Infos zur Strecke
Das Freizeitangebot in Zeiten der Pandemie ist begrenzt. Wir empfehlen, Köln mit Spaziergängen zu erkunden. Der Kölner Stadt-Anzeiger gibt in einer neuen Serie Tipps für Touren.
An- und Abfahrt: Die KVB hält an den Haltestellen Herler Straße und Dellbrücker Mauspfad. Wer mit dem Auto kommt, findet Parkplätze am Schlagbaumsweg.
Länge: Die einfache Tour von Haltestelle zu Haltestelle ist mit Abstechern rund 5 Kilometer lang. Wer mehr laufen will, geht zu Fuß zum Ausgangspunkt zurück. Schön ist der Rückweg parallel zur Strunde. Man biegt vom Dellbrücker Mauspfad südlich von der Dabringhauser Straße in einen Fußweg durchs Grüne ein, geht vorbei an der schönen Iddelsfelder Mühle und später am Krankenhaus Holweide. Dort folgt man der Koch- und Burgwiesenstraße bis zur Gesamtschule, an der man links vorbei zurück zum Schlagbaumsweg kommt.
Unser Spaziergang führt links am Wassergraben der Burg vorbei zur Isenburger Straße, hier rechts und dann immer dem Bachlauf entlang in die Schweinheimer Straße. Schon an der Wichheimer Straße fühlte man sich in eine andere Welt gebeamt: Kleine Häuser, einige mit Fachwerk und Gärten, direkt am Bach säumen den Weg. Köln ist ein Dorf, hier ganz besonders. Aber das Viertel steht eben auch für die Zeit, in der aus der ländlichen Region Vorstadt wurde.
Maschinengewehrgurte wurden hier produziert
Ein Beispiel dafür ist die Schweinheimer Mühle (5) an der Schweinheimer Straße 66, aus der in der frühen Neuzeit eine Schleifmühle und dann eine Walkmühle der Kölner Weber wurde. Während des Zweiten Weltkriegs produzierte man hier Maschinengewehrgurte. Das Gebäude steht aber nicht nur für die Kölner Industriegeschichte – es ist auch ein Beispiel, wie respekt- und fantasielos heute mit solchen Orten umgegangen wird. Der verlassene Gebäudekomplex gammelt seit über zehn Jahren vor sich hin. Wer das Ausmaß der Anlage und die Qualität der Industriearchitektur erfassen will, macht einen Abstecher in die Kochwiesenstraße.
Aus der Schweinheimer wird die Iddelsfelder Straße, die auf die Neufelder Straße stößt. Wir biegen links ab, überqueren die KVB-Gleise und laufen vorbei am denkmalgeschützten Grundschulgebäude bis zu einem kleinen Kreisverkehr. Hier geht es rechts in die Andersenstraße und gleich wieder rechts in das Rapunzelgässchen. So erreicht man die Holweider Märchensiedlung (6), ein herrliches und zum Teil richtig verwunschenes Wohnquartier aus den 1920er Jahren auf den ehemaligen Ländereien des mittelalterlichen Ritterguts Iddelsfeld.
Riphahn lebte in der Märchenwelt
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG und Architekt Wilhelm Riphan, der hier auch wohnte, schafften Vorbildliches für die damalige Zeit. Große Familien mit geringem Einkommen bekamen ein Haus mit hellen Zimmern und Gärten zur Selbstversorgung. 135 Häuser stehen unter Denkmalschutz, manche wirken wie die verwunschenen Behausungen der Hexen und Zauberer aus der Märchenwelt. Wir empfehlen, über das Rapunzelgässchen links in den Rotkäppchenweg und dann gleich wieder rechts in die Siebenrabengasse einzubiegen. An der Märchenstraße gehen wir links, dann rechts in den Aschenbrödelweg, dort am Ende nochmal rechts, um über den Froschkönigweg die KVB-Haltestelle zu erreichen.