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Wertvolle BiotopeHeu soll in Köln-Chorweiler Streuobstwiesen retten

Lesezeit 3 Minuten
Mahdgutübertragung Streuobstwiese Langel (1)

Auch die Streuobstwiese in Langel soll eine Mahdgut-Übertragung erhalten. 

  1. Arten sterben aus. Auch auf den Wiesen im Kölner Stadtgebiet.
  2. Zwei davon liegen im Bezirk Chorweiler.
  3. Eine uralte Methode soll die Vielfalt nun retten: Die Mahdgut-Übertragung

Pesch/Langel – Größtenteils ist der Bezirk Chorweiler ländlich geprägt – Felder, Wiesen und auch Wälder wie der Worringer Bruch oder der Chorbusch prägen das Bild. Doch die Idylle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es stiller geworden ist: Wie überall in Deutschland ist auch hier der Rückgang der Insektenfauna zu beobachten.

„Dieser Eindruck täuscht nicht“, bestätigt Dr. Volker Unterladstetter von der Naturschutzstation Leverkusen – Köln. „Der Rückgang betrifft nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die Individuenzahl einzelner Arten. Wenn man auf einer Wiese früher zehn Falter beobachten konnte, sieht man heute vielleicht noch drei, oder vier.“

Zwei Streuobstwiesen in Chorweiler

Diese besorgniserregende Entwicklung macht auch vor Lebensräumen nicht Halt, die eigentlich für ihre hohe Artenvielfalt bekannt sind, wie etwa Streuobstwiesen. Mehrere dieser Wiesen im Kölner Raum werden von der Naturschutzstation gepflegt, darunter auch zwei im Bezirk Chorweiler: Eine der beiden findet sich am Mennweg in Langel, die andere am Nüssenberger Busch in Pesch. Dort ist nicht nur die Insektenfauna auf dem Rückzug.

„Auch die Pflanzengesellschaft dieser Wiesen ist sehr artenarm. Dort gibt es vor allem Gräser und kaum Kräuter, die mit ihren Blüten für bestäubende Insekten viel wertvoller sind“, erklärt Unterladstetter. „Pflanzen stehen eben an der Basis der Nahrungspyramide. Einer ökologischen Faustregel nach ernährt eine Pflanzenart etwa zehn Tierarten, hauptsächlich Insekten und andere Wirbellose.“

Mahdgutübertragung Streuobstwiese Langel (3)

Auch Streuobstwiesen, wie diese in Langel, leiden unter einem Rückgang der Artenvielfalt. 

Der Rückgang der Pflanzenvielfalt wiederum hat eine auf den ersten Blick paradoxe Ursache: zu viele Nährstoffe. „Mit dem Einsatz von Kunstdünger sind immer mehr Nährstoffe in die natürlichen Kreisläufe eingetragen worden. Und je mehr Nährstoffe in einem Ökosystem zirkulieren, desto weniger Arten setzen sich im Konkurrenzkampf durch.“

Auch unbewirtschaftete Flächen bleiben davon nicht verschont, denn durch menschliche Einflüsse gelangen heute alleine über die Luft pro Hektar und Jahr 17 Tonnen Stickstoff in die Böden. „Das ist gar nicht zu verhindern“, so Unterladstetter.

Verinselung von Biotopen

Hinzu kommt noch ein Problem, das sowohl Pflanzen wie Insekten zu schaffen macht, nämlich die zunehmende Verinselung der Biotopflächen. „Die Entfernungen zwischen naturnahen Flächen sind einfach zu groß, als dass Pflanzen ihre Samen noch über eine größere Fläche verbreiten könnten. Auch viele Insekten können diese Distanzen nicht mehr überwinden. Wenn die Population einer Wiese so isoliert ist, verarmt auch der Genpool. Das geht so weit, dass sie aufgrund der genetischen Verarmung einfach erlöschen kann.“

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Um diesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, setzt die Naturschutzstation auf eine sehr alte Bewirtschaftungsmethode: Die Übertragung des Mahdguts von Wiesen mit hoher Pflanzenvielfalt auf artenarme Standorte. „Dort werden die Gräser und Kräuter erst gemäht, wenn sie Samen tragen. Wenn wir dieses Heu dann auf den anderen Flächen austragen, fallen die Samen aus, keimen und siedeln sich dort hoffentlich dauerhaft an.“

Mahdgut aus der gleichen Region

Dabei soll das übertragene Mahdgut möglichst aus der gleichen Region stammen, um eine an die örtlichen Bedingungen angepasste Pflanzengesellschaft zu fördern. Die Wiese am Nüssenberger Busch etwa wird mit Mahdgut der Glatthaferwiesen in den Rheinauen von Langel und Merkenich „geimpft“. Dafür werden Streifen in die Wiesenfläche gefräst, auf denen das Mahdgut ausgebracht, wird, so dass die Samen schnell in den Boden gelangen.

Während der Nüssenberger Busch so bereits in diesem Jahr bearbeitet wurde, soll die Wiese am Mennweg zwischen April und Mai kommenden Jahres für die Übertragung vorbereitet werden. „Ob und wie sich das auch positiv auf die Insektenfauna auswirkt, wird man erst in ein paar Jahren beurteilen können“, so Unterladstetter. „Bis dahin ist es unser Projektziel, den Prozess genau zu beobachten und zu begleiten.“