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Interview

Kölner SPD-Chef
„Wir führen keine Einwanderungs-, sondern eine Kriminalitätsdebatte“

Lesezeit 6 Minuten
Andre Schirmer und Claudia Walther, die Doppelspitze der Kölner SPD.

Andre Schirmer und Claudia Walther, die Doppelspitze der Kölner SPD.

Der Co-Chef der Kölner SPD Andre Schirmer vermisst bei der Stadt „eine selbstkritische Analyse der eigenen Optimierungsmöglichkeiten“.

Herr Schirmer, Sie sind an die Seite von Claudia Walther in die Doppelspitze der Kölner SPD gerückt. Warum sind Sie der Richtige für dieses Amt?

Ich bin ein recht strukturierter Mensch, geradeaus, ein Freund klarer Kommunikation. Ich glaube, meine Skills als Führungskraft sind durchaus hilfreich. Und ich bin bereit, schwierige Aufgaben zu übernehmen und diese möglichst positiv anzusprechen. Zugleich sind Claudia und ich – bei aller Nähe, die wir inhaltlich und persönlich haben – ganz verschiedene Typen. Wir ergänzen uns gut.

Inwieweit unterscheiden Sie sich?

Claudia ist sehr präsent, sie ist an jeder Baustelle aktiv, das ist faszinierend. Und sie hat ein einnehmendes und umarmendes Wesen. Claudia ist für mich ein Stück weit die Seele der Partei. Ich bin ein etwas anderer Typ. Als Kriminalbeamter sehr analytisch und mit einer für Polizisten typischen Direktheit, so würde ich das beschreiben. Eine meiner Stärken ist, dass ich in unklaren Lagen ruhig bleibe, bei Problemen lösungsorientiert bin und meinen Humor nicht verliere.

Die Kölner SPD ist in den vergangenen zwei Jahren zur Ruhe gekommen. Ist das ein Verdienst von Claudia Walther und ihrem bisherigen Co-Vorsitzenden Florian Schuster?

Mit Claudia und Florian haben wir eine ziemliche Beruhigung innerhalb der Partei hinbekommen. Ich schreibe den beiden große Verdienste zu, aber natürlich funktioniert so etwas nur, wenn es viele gibt, die genau diese Ruhe wollen. Wir sind nicht immer alle einer Meinung, aber wenn man sich zum Beispiel unseren Prozess der OB-Kandidaten-Findung anguckt, dann finde ich schon, dass wir da Vorbild sind.

Wenn man sich unseren Prozess der OB-Kandidaten-Findung anguckt, dann finde ich schon, dass wir da Vorbild sind
Andre Schirmer, Co-Vorsitzender der Kölner SPD

Zuletzt haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Landtagsabgeordnete Lena Teschlade ihre Kandidatur als stellvertretende Vorsitzende der Kölner SPD angeboten. Der Vorstand hat sich dagegen ausgesprochen. Täte ein bisschen überregionale Kompetenz der Partei im Kommunalwahlkampf nicht gut?

Aber die haben wir doch losgelöst von der Funktion ohnehin, beide sind ohne Frage sehr wichtig für die Kölner SPD, wir brauchen sie. Eine Zusammenarbeit gab es vorher schon, und die gibt es auch weiterhin. Es ging also nur um die Frage, welche Anforderungen an stellvertretende Vorsitzende stehen im Vordergrund? Die Prominenz eines/einer Abgeordneten ist da sicher ein Kriterium. Für uns stellte sich aber primär die Frage: Welchen Workload muss so ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin in der Partei übernehmen, welche auch kleinteiligen Fleißaufgaben kommen auf die Stellvertretenden zu?

Karl Lauterbach und seine Ausstrahlung

Zu viel für Mandatsträger?

Bezogen auf die bereits hohe Grundlast unserer Abgeordneten und unser Ziel, deren Kompetenz und Kraft primär themenbezogen für uns zu nutzen, hätten wir dann weiterhin die Fragestellung zu beantworten, wer Claudia und mir Aufgaben abnimmt, für die wir nicht genug Zeit finden. Weil unsere Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ohnehin eine herausragende Rolle haben, brauchen sie auch nicht den Titel eines/einer stellvertretenden Vorsitzenden. Es war also eine rein fachliche Entscheidung, hier wurde niemandem etwas vorenthalten, was er/sie benötigt hätte.

Die Bewerbung dieser beiden SPD-Hochkaräter kann man aber auch als Kritik an der Arbeit des Kölner SPD-Vorstands verstehen, oder? Lauterbach und Teschlade sind ja offenbar der Meinung, sie müssten mit anpacken.

Ich habe das nicht als Kritik verstanden. Es ist klar: Wenn man Karl Lauterbach reinholt, dann holt man sich den Glanz der Bundespolitik. Aber Karl und seine Ausstrahlung haben wir sowieso. Wir haben mit beiden gesprochen und beide haben dann auf die Kandidatur verzichtet. Sie hätten trotzdem antreten können, aber sie haben das akzeptiert.

Wenn man Karl Lauterbach reinholt, dann holt man sich den Glanz der Bundespolitik. Aber Karl und seine Ausstrahlung haben wir sowieso
Andre Schirmer, Co-Vorsitzender der Kölner SPD

Um die Sozialdemokratie steht es nicht gut. Bei den Bundestagswahlen gab es bundesweit 16,4 Prozent der Stimmen für die SPD, in Köln waren es 19,2 Prozent. Beides sind negative Rekordergebnisse. Wie wollen Sie es schaffen, dass im Herbst bei den Kommunalwahlen wieder mehr Menschen in Köln die SPD wählen?

Ich glaube, man muss diese beiden Wahlen trennen – und die Trennung der Wahltermine hilft dabei. Es hätte mit Sicherheit auch ein divergierendes Wahlverhalten bei einer zusammengelegten Wahlentscheidung geben. Aber die Gefahr hätte natürlich bestanden, dass sich die Dinge miteinander vermischen. Jetzt haben wir eine klare Trennung.

Der weit überwiegende Teil der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund ist nicht kriminell

Also kommt Ihnen der Bruch der Ampel-Koalition entgegen?

Nein, auf gar keinen Fall. Ich hätte es schon gut gefunden, wenn die sich geeinigt hätten. Aber jetzt, da es passiert ist, können wir ohne Begleitkonzert in die nächste Wahl gehen. Wir können uns auf unseren OB-Kandidaten Torsten Burmester und unsere Inhalte fokussieren. Und ich bin da ganz guter Dinge, weil wir in der Stadtgesellschaft auch eine Fokussierung auf kommunale Themen haben werden.

Welche Themen sind Ihnen persönlich besonders wichtig?

Unser Kommunalwahlprogramm ist zuletzt auf dem Parteitag verabschiedet worden, davon werden wir noch eine Kurzfassung erstellen. Die wichtigsten Themen, und nicht nur unsere, sind die Wohnproblematik in der Metropole Köln, die Frage der Mobilität in dieser Stadt, Bildung und Arbeit. Mein persönliches Herzensthema habe ich auf dem Parteitag angerissen…

… Sie begleiten sehr kritisch, was aktuell in Sachen Migration im Land passiert.

Ja. Ich finde, wir müssen aufpassen, wie wir da kommunizieren. Es ist ja nicht so, dass wir einen gerade eingereisten Straftäter nicht wieder ausweisen sollten. Aber wir sollten die Diskussion nicht so führen, dass wir Menschen, die schon lange hier sind, gleich mit beschädigen. Das passiert meines Erachtens zurzeit. Wir führen keine Einwanderungsdebatte, sondern eine Kriminalitätsdebatte. Und wir übersehen dabei, dass der weit überwiegende Teil der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nicht kriminell ist.

Wenn wir zwei Prozent kriminelle Inländer haben und vier Prozent kriminelle Menschen mit Migrationshintergrund oder Ausländer, dann bleibt immer noch die Erkenntnis, dass in beiden Fällen weit über 90 Prozent der Menschen rechtstreu sind. Und wir definieren, dass wir eine sechsstellige Zahl an Einwanderungen jedes Jahr brauchen, um überhaupt den Fachkräftebedarf zu decken. Dann darf uns eine sechsstellige Zahl an Einwanderungen auch nicht vor unlösbare Probleme bei der Integration stellen. Daran müssen wir arbeiten.

Wenn die SPD im Herbst stärkste Kraft würde in der Stadt und ihr OB-Kandidat Torsten Burmester ins Amt käme – was würde das für Köln bedeuten?

Wir haben in Köln das Verwaltungsbashing zum Volkssport gemacht. Das wird den Leuten, die dort arbeiten, überhaupt nicht gerecht. Torsten wird sich da sehr früh mit einer besseren Organisation befassen. Aktuell vermisse ich bei der Stadt Köln eine selbstkritische Analyse der eigenen Optimierungsmöglichkeiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass unser OB-Kandidat da die richtigen Fragen stellen und das ändern wird. Wir müssen zusehen, dass wir für die Aufgaben, die wichtig sind, richtig aufgestellt sind – und dass wir nicht immer nur behaupten, die Mitarbeiter machten schlechte Arbeit.