Vor mehr als 31 Jahren wurde nahe einer KVB-Station die 16-jährige Seckin Caglar ermordet. Mit Gentests bei mehr als 350 Männern hofft die Polizei, noch den Täter zu finden.
Ungeklärter MordfallSeckin Caglar: DNA-Reihentest in Köln-Poll begonnen – Polizei gibt Update
Die bunten Fähnchen in der Aula der Janusz-Korczak-Grundschule hingen noch an der Decke, als die Polizei am Samstag in Köln-Poll mit der DNA-Reihenuntersuchung im seit mehr als 31 Jahren ungelösten Mordfall Seckin Caglar begonnen hat. Die Tische, Bildschirme und Sichtschutzwände ließen den großen Raum der Schule ein wenig an ein Wahllokal erinnern. Hier allerdings wird seit Samstag kein Bürgermeister gewählt, sondern ein Mörder gesucht.
Der Reihen-Gentest ist ein neuer, womöglich letzter großer Versuch, den Mord an der 16-jährigen Seckin Caglar vor mehr als 31 Jahren doch noch zu lösen. Jahrzehntelange Fahndungsarbeit hat bisher nicht zur Ergreifung des Täters geführt. 355 Männer wurden in den vergangenen Wochen von der Polizei angeschrieben und nun zum Speicheltest gebeten. „Der Datensatz, aus dem wir heute die Auswahl der Personen getroffen haben, wurde schon damals erhoben“, sagte am Samstag Markus Weber, Leiter der Cold-Case-Einheit der Polizei.
Beim ersten Termin gaben nach Angaben einer Sprecherin bis zum frühen Samstagabend rund 200 Männer eine Probe ab. „Es ist gut angelaufen“, sagte die Polizeisprecherin auf Anfrage. Es sei den Angeschriebenen auch als alternatives Datum der 26. März genannt worden. Zudem hatten einige wenige Personen schon zuvor bei der Kripo freiwillig eine Speichelprobe abgegeben, da sie zu beiden Terminen verhindert sein würden, schilderte die Sprecherin.
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Mordfall Seckin Caglar: 16-Jährige wurde 1991 nahe einer KVB-Haltestelle in Köln-Poll getötet
Im Vorfeld war ein Kreis um den Wohnort des Opfers und den Tatort in Poll gezogen worden. Alle Männer haben 1991 in der Nähe gewohnt, gearbeitet oder aus anderen Gründen dort verkehrt und wohnen noch heute in diesem Bereich. Dabei wurden zum Beispiel auch eine Kleingartensiedlung und damalige Baustellen mit einbezogen, deren Bauarbeiter zu den erhofften Probanden zählen.
Die Auszubildende Caglar stieg am 16. Oktober 1991 an der damaligen KVB-Haltestelle Poll-Autobahn gegen 18.40 Uhr aus einer Straßenbahn und wollte nach Hause gehen. Aber dort kam sie nie an. Ein Verwandter fand am nächsten Morgen ihre Leiche in einem Gebüsch nahe der Haltestelle, die Auszubildende war sexuell missbraucht und erwürgt worden. Die Spurensicherung fand eine fremde DNA am Tatort, die sie dem Täter zuschreibt.
Polizei Köln: Verweigerung von Speichelprobe sorgt nicht automatisch für Verdacht
Inzwischen gibt den Ermittlern der technische Fortschritt neue Hoffnung: „Mit Hilfe neuer wissenschaftlicher Methoden wird die DNA heutzutage so gut analysiert, dass neben dem Spurenverursacher auch mit ihm verwandte Personen erkannt werden können“, sagte Weber. Möglich ist also zum Beispiel, dass an der Reihentestung der Sohn oder die Tochter des Täters teilnimmt und den Ermittlern dadurch der Vater als Täter ins Netz geht.
Die Speichelprobe wird durch einen kaum unangenehmen Abstrich im Mund vorgenommen. Vorher wird den Probanden mit einem kurzen Film erklärt, was eine DNA-Spur ist und was mit den Tests gemacht werden soll. Am Sonntag, 26. März, soll der zweite Termin an gleicher Stelle stattfinden. Die Teilnahme ist freiwillig. „Wer sich weigert, wird nicht automatisch beschuldigt“, hatte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer gesagt. „Aber wir werden uns diese Personen dann näher ansehen müssen.“
Eine erzwungene Speichelprobe würde einen gerichtlichen Beschluss voraussetzen, für den es wiederum einen Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person geben muss. „Es gibt ja auch Menschen, die eventuell glaubhafte Gründe haben, nicht an einem solchen Test teilzunehmen. Das macht sie nicht automatisch verdächtig“, sagte Oberstaatsanwalt Bastian Blaut am Samstag. Auch für die Staatsanwaltschaft sei eine solch große Aktion „Neuland“. „In meinen bisher 16 Jahren habe ich so etwas nicht erlebt“, sagte Blaut.
Cold Case: Polizei nimmt Speichelproben im ungelösten Mordfall Seckin Caglar
Vereinzelt wurden schon im Vorfeld Proben abgegeben von Männern, die zum Beispiel an keinem der beiden Tage Zeit haben, oder nicht mehr ausreichend mobil sind, um sich auf den Weg in die Schule zu machen. „Wir sind aber bestrebt, das größtenteils an den beiden Terminen hier in der Schule durchzuführen“, sagte Weber. Etwa zwei Dutzend Mitarbeiter der Polizei seien an beiden Tagen für die Testungen im Einsatz.
Alle Proben werden an ein Labor beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf gebracht und dort untersucht. Je nachdem, ob eiligeren Fällen Vorrang gegeben wird, kann die Auswertung auch einige wenige Tage dauern. Dann zumindest wissen die Ermittler, ob die Aktion erfolgreich war.
Mordfall Seckin Caglar: Bruder appelliert an Mitwisser – Flyer-Kampagne in KVB-Bahnen
Sollte kein Treffer dabei sein, soll auch an jene Männer herangetreten werden, die seinerzeit in Poll verkehrten, heute aber nicht mehr dort wohnen. Dann würden nochmal mehr als 800 Männer angeschrieben. Ob der Mörder überhaupt noch lebt, ist unklar. „In einem dritten Schritt müssten wir auch an die Toten gehen“, sagte Weber. Dann müsse die DNA aufwendig rekonstruiert werden. „Wir werden es auf jeden Fall zu Ende bringen“, sagte Weber. Das brächte auch den Angehörigen zumindest Gewissheit.
Zuletzt hatte die Mordkommission den Fahndungsdruck mit mehreren, öffentlichkeitswirksamen Aktionen erhöht. So gab es zuletzt Fahndungsaufrufe im Fernsehen, in Zeitungen, über Social Media und zuletzt eine Flyer-Kampagne in Bahnen der KVB. Seckin Caglars jüngerer Bruder Basri rief Mitwisser der Tat und Zeugen auf, ihr Schweigen zu brechen. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass damals keiner etwas gesehen oder gehört hat.“ „Ein paar“ Hinweise seien im Nachgang eingegangen, sagte Weber am Samstag. Einigen davon werde man auch nachgehen, aber noch habe „nichts konkret weitergeführt“. (mit dpa)
Wer Hinweise auf die Tat oder den Täter geben kann, wird gebeten, sich beim Hinweistelefon der Polizei Köln unter der Rufnummer 0221/229-1394 zu melden.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ stellt ungelöste Kölner Mordfälle aus den vergangenen 33 Jahren vor. Die Folgen erscheinen samstags und donnerstags in der Zeitung. Online sind alle acht Folgen abrufbar unter ksta.de/coldcases.