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Cold Cases KölnMord am Gereonswall – Ein Zimmer voller Blut

Lesezeit 5 Minuten
Ein Fahndungsplakat im Fall Büchel und ein Porträt des Opfers sind in einer Collage zu sehen.

Ein Fahndungsplakat im Fall Büchel und ein Porträt des Opfers

Ein brutales Tötungsdelikt am 37-jährigen Stephan Büchel am Gereonswall schockierte viele im März 2002. Obwohl die Polizei die DNA des Täters hat, konnte er bisher nicht gefunden werden.

Es muss ein besonders abstoßendes Bild sein, das sich den Ermittlern an jenem Mittwochnachmittag im Frühjahr 2002 am Tatort bietet: Das halbe Appartement im Gereonswall 48 ist übersät mit Blutspritzern, Wände und Möbel sind rot verschmiert, auf dem Teppich liegt nackt in einer großen Blutlache die Leiche Stephan Büchels, mit mehr als 20 Messerstichen gleichsam niedergemetzelt wie Tiere auf einer Schlachtbank. „Die Wohnung war ein sehr heftiger Tatort“, sagt Mordermittler Markus Weber von der Kölner Polizei heute. Die Vielzahl der Stiche, sagt Weber, spreche seiner Ansicht nach dafür, dass es ein Mord war. „Ich glaube nicht an eine Affekttat.“

Die Wohnung war ein sehr heftiger Tatort
Mordermittler Markus Weber

Es ist der 20. März 2002 im Kölner Hansa-Viertel zwischen Mediapark und Eigelstein, die ganze Woche schon regnet es stark, in der Spendenaffäre um illegale Zuwendungen für die Müllverbrennungsanlage in Niehl überreicht der frühere SPD-Fraktionschef Norbert Rüther seiner Landespartei eine Liste mit den Namen der Geldgeber. Der 37-jährige Steuerfachangestellte Stephan Büchel wird schon ein paar Tage an seiner Arbeitsstelle vermisst. Da er auch heute nicht erscheint, rufen besorgte Kollegen die Polizei. Feuerwehrleute dringen durch ein Fenster in Büchels Wohnung in der ersten Etage ein und entdecken die Leiche. Genau 21 Jahre ist das nun her, aufgeklärt ist die Tat bis heute nicht.

Wenige Tage nach der Tat muss der damalige Chef der Mordkommission krankheitsbedingt abtreten. Kriminalhauptkommissar Markus Weber übernimmt die Leitung der Ermittlungen, die die Kommissare schnell ins Strichermilieu in Parks und Kneipen führen. „Stephan Büchel hat regelmäßig im Theodor-Heuß-Park in der Nähe des Ebertplatzes männliche Sexualpartner getroffen“, sagt Weber heute. Der Ort galt als ‚Cruising-Park‘, wo sich die Szene auf der Suche nach schnellem, unkomplizierten Sex gegen Geld getroffen hat.

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Ermittler suchten in Kölner Strichermilieu

„Wir haben dort nach der Tat potenzielle Zeugen gesucht. Einige Männer haben sich geschämt und wollten nicht mit uns sprechen“, sagt Weber, der teils absurde „Ausreden“ gehört hat, wie er sagt. Dass sie am Bahnhof den Zug verpasst hätten und nur zufällig dort spazieren gingen, zum Beispiel. „Für viele ist es mit Sicherheit nicht leicht, mit uns zu sprechen. Die tun sich dann schwer damit, eine Aussage zu machen. Aber die Zeiten haben sich geändert, heute muss niemand mehr Angst vor Stigmatisierung haben.“ Freiwillige Speichelproben im Strichermilieu brachten keinen Treffer.

Die Ermittler sind sich sicher, dass Büchel vor der Tat Sex mit dem späteren Täter hatte oder zumindest haben wollte. Was danach Auslöser für die Messerattacke gewesen sein könnte, ist der Polizei bis heute ein Rätsel. Wollte einer der beiden etwas, was dem Anderen zu weit ging? Hat einer den anderen unter Druck gesetzt? Gab es Streit um Geld?

Fall Stephan Büchel: Polizei hat DNA des Täters

Büchel soll in den Wochen vor seinem Tod einen ost- oder südostasiatisch aussehenden Mann kennengelernt haben, offenbar eine Art Liebhaber, womöglich sogar potenzieller Liebespartner. Während Büchel seine reinen Sex-Bekanntschaften in der Regel nur im Park getroffen hat, soll er „den Asiaten“, von dem nach der Tat auch in der Lokalpresse immer wieder die Rede war, auch mit in sein Appartement genommen haben. Offenbar war da mehr als reine, kurzfristige Bedürfnisbefriedigung. Wie viel mehr, konnte aber nie geklärt werden. Der Asiate wurde lange gesucht, aber nie gefunden. Womöglich lebt er nicht mehr in Deutschland, womöglich ist er auch längst tot. Mehr als mutmaßen kann die Polizei nicht.

Markus Weber ist Leiter der Cold-Case-Einheit der Kölner Polizei.

Markus Weber ist Leiter der Cold-Case-Einheit der Kölner Polizei.

Was den Ermittlern Hoffnung macht, ist eine Blutspur in der Tatort-Wohnung, die nicht Stephan Büchel gehört, sondern dem Mörder. „Wir haben eine eindeutige DNA vom Täter. Da ist also jemand in der Wohnung rumgerannt. Womöglich hat es einen Kampf gegeben, das Opfer hat sich gewehrt, oder der Täter hat sich anderweitig an dem Messer verletzt.“ Die DNA sei eindeutig männlich, sagt Weber. Das Messer ist verschwunden.

Die Genspur liegt nun seit 21 Jahren in der Datenbank der Polizei. Sollte der Täter irgendwann aus irgendeinem Grund mal seinen Speichel abgeben müssen, gäbe es einen Treffer und er wäre gefasst, quasi durch Zufall und von allein. „Wir haben die Hoffnung, dass uns der Täter irgendwann ins Netz geht, weil er seine DNA abgeben muss. Das wird ja heutzutage schon bei einfacheren Delikten gemacht. Dann haben wir ihn und dann braucht er auch nichts mehr zu sagen.“ Das, sagt Weber, unterscheide Fälle wie den Mord an Stephan Büchel oder den Sexualmord an Seckin Caglar vor 31 Jahren von denen, bei denen die Spurenlage wesentlich schwieriger ist. „Wenn man eine DNA hat, ist das einerseits ein Vorteil. Andererseits ist es auch frustrierend, weil man eigentlich wissen könnte, wer es ist.“

Totschlag wäre heute verjährt

Und so liefen die Ermittlungen nach einigen Wochen nur noch ins Leere. „Irgendwann waren unsere Ansätze ausermittelt und wir mussten den Fall zu den Akten legen“, sagt Weber. Er hofft, dass sich ein Mitwisser meldet, dem der Täter von seiner Tat berichtet hat. „Ich möchte aber auch nicht ausschließen, dass vielleicht der Täter selbst zu uns kommt und etwas loswerden will.“ Für eine Verurteilung ist sein damaliges Motiv entscheidend.

Ein Totschlag wäre spätestens vor zwölf Monaten verjährt. Anders wäre es bei Mord, der allerdings niedrige Beweggründe wie Habgier oder eine Verdeckungsabsicht voraussetzt. „Unsere Linie bei den Cold-Case-Ermittlungen ist, dass wir grundsätzlich erstmal von Mord ausgehen“, sagt Weber, „es sei denn die Spurenlage ist so eindeutig, dass keine Mordmerkmale erkennbar sind. Dann können wir es auch nicht ändern.“ Anwälte könnten versuchen, eher einen Totschlag anzunehmen. „Ob ein Gericht das mitmacht, ist aber eine andere Frage.“


Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ stellt ungelöste Kölner Mordfälle aus den vergangenen 33 Jahren vor. Die Folgen erscheinen samstags und donnerstags in der Zeitung. Online sind alle acht Folgen abrufbar unter ksta.de/coldcases.

Zeuginnen und Zeugen, die Angaben zur Tat, zum Täter oder zur Täterin machen können, werden gebeten, sich bei der Polizei Köln zu melden – entweder telefonisch unter 0221/229-0, per E-Mail an poststelle.koeln@polizei.nrw.de oder auf einer Polizeiwache.