3-D-Kunst kennt man vor allem von Videos oder Computerspielen. Cornelius Dämmrich ist damit erfolgreicher als manch konventioneller Künstler.
Kunst am ComputerCornelius Dämmrich ist der 3-D-Rembrandt aus Köln
Bei manchen Menschen – insbesondere Roman-Autoren – fragt man sich, wie groß in deren Hirnkästchen die Schublade mit der Aufschrift „Fantasie“ sein mag, dass ihnen stets neue Geschichten einfallen. Dasselbe könnte man auch bei Cornelius Dämmrich fragen, obwohl der keine Handlungen niederschreibt, sondern in seinen Bildern Geschichten erzählt; dies allerdings so detailliert, dass man selbst beim hundertsten Betrachten Dinge entdeckt, die man zuvor nicht gesehen hat.
Der 34-jährige Kölner ist 3-D-Künstler. Das, was die Alten Meister mit dem Pinsel ausgedrückt haben, macht Dämmrich am Computer mittels Mouse und zig Programmen. In sensationeller Geschwindigkeit verwandelt er Punkte und Linien zu dreidimensionalen Dingen; formt aus geometrischen Körpern – etwa einem Zylinder – Bierdose oder Tasse. Räume, die später auf den Bildern wie fotografiert aussehen, sind eine Komposition von einzeln am Computer modellierten Gegenständen. Es dauert Monate und manchmal ein Jahr, bis ein Werk fertig ist.
Dank Hündin Marla nun auch regelmäßig an der frischen Luft
Dämmrich ist zwei Meter groß, meist schwarz gekleidet und verdankt es Tierschutz-Hündin Marla, dass seine Haut zwischendurch mit Wind oder Sonne in Berührung kommt. Sonst sitzt er in einem Raum, in dem stets die schwarze Jalousie heruntergezogen ist.
Wer den gebürtigen Ostberliner googelt, wird auf seine Arbeiten und Auszeichnungen stoßen. Dennoch ist der studierte Kommunikations- und Mediendesigner in der Kunstwelt eher ein unbeschriebenes Blatt. „Leute, die in meiner Branche Geld verdienen, machen das im Film oder da, wo Videospiele entstehen.“ Jeder Galerist würde eher sagen: „Oh, riskant!“
Das höchste Gebot für sein Werk lag bei 60.000 Dollar
Dämmrich sieht das anders. Menschen, die ein Oeuvre wie „Blade Runner“ erschaffen, machen in seinen Augen „nicht weniger Kunst, als das, was Rembrandt gemacht hat“. Auch wenn man dies auf dem konventionellen Kunstmarkt anders sieht, wachse die Zahl derer, die Kunst wie die seine an der Wand haben wollen und dafür viel Geld zu zahlen bereit sind.
Eines der jüngsten Dämmrich-Bilder (Titel: „2003“) war bei einer Online-Auktion extrem gefragt. Den Zuschlag bekam ein ehemaliger Mitarbeiter aus der Tesla-Entwicklungsabteilung, der 60.000 Dollar bot. Gar nicht mal so sehr für das Motiv als solches, wie der Künstler erklärt, sondern für eine Art elektronisches Echtheitszertifikat, das den Käufer zum wahren Besitzer macht.
Hohe fünfstellige Summen für ein Bild dürften selbst für etablierte Künstler auf dem regulären Kunstmarkt nicht alltäglich sein, und dennoch wird 3-D-Kunst wie die von Dämmrich noch skeptisch beäugt. Vielleicht auch, weil sich der Entstehungsprozess nicht sofort erschließt.Was bei Gerhard Richter der Atlas ist, eine Sammlung von Skizzen, Ansichtskarten oder Zeitungsausschnitten, hat auch Dämmrich – natürlich digital: Fotos von Astronauten oder eines Autos vor einem amerikanischen Diner in einer besonderen Lichtstimmung. Solche Motive trägt der 34-Jährige oft jahrelang mit sich rum. Und dann kann es sein, dass ein bestimmtes Musikstück bei ihm wie eine Initialzündung wirkt.
„Eine ekelhafte Küche, in der jemand ausgerastet ist“
„Haze“, ein früheres Werk, erscheint beim ersten Blick wie das Foto einer chaotischen, verdreckten Küche. Es entstand, als Dämmrich noch für eine auf Architektur-Visualisierungen spezialisierte Agentur arbeitete. Seine Aufgabe bestand darin, schicke Neubauwohnungen am Computer vorzubauen. Irgendwann überfiel ihn das Bedürfnis, das Gegenteil darzustellen. „Eine ekelhafte Küche, in der jemand ausgerastet ist.“ Apropos ausrasten: Dämmrichs einstige Lehrer hatten teilweise wohl die Befürchtung, dass dies auch bei ihm passieren könnte. Ein Kind, das ständig Waffen in seine Hefte kritzelt und unentwegt am Computer Ballerspiele macht, plant womöglich irgendetwas. Dabei hat dieser Zwei-Meter-Mann einfach nur eine etwas anders geartete Vorstellungswelt, als Leute, die Campingurlaub machen oder Geranien in Blumenkästen pflanzen.
Dämmrich hält Vorträge in London, Antwerpen oder Wien über das, was er macht; aber meistens sitzt er stumm und hoch konzentriert vor einem seiner Rechner. Jeder Schnipsel auf dem Boden, jede Zigarettenkippe, jeder Teller mit Essensresten werden von ihm modelliert. Es gebe zwar auch Datenbanken im Netz für alle möglichen Gegenstände, sagt er. Sich da zu bedienen, koste jedoch Geld und kratze ein wenig an der Ehre. Mit das Herausforderndste am Bild „2003“, das einen Raum nach einer Wlan-Party darstellt, seien „die Kabelreihen zwischen den Computern“ gewesen. An einer einzigen habe er bis zu drei Wochen gesessen; natürlich auch, weil alles so dargestellt ist, dass es „auch in echt funktionieren würde“.
Dämmrich ist kein Künstler, der gesellschaftliche Missstände aufzeigen will. Er ist – ähnlich wie der Thriller-Autor – jemand, der seine Fantasie auslebt; eine zum Teil „morbide Fantasie“. Der Mann, der das Bild „2003“ gekauft hat, hat dies übrigens nicht als großformatigen Drucks an der Wand, sondern als riesigen Screen, auf dem das Werk leuchtet und blinkt.