Corona-ImpfungenWarum NRW als erstes Bundesland die siebte Dosis erlaubt
Köln – Je mehr Impfstoff es gibt, desto schneller ist die Pandemie vorbei. So geht in diesen Monaten eine beliebte Rechnung. Doch sie vergisst, dass Impfstoff nichts bringt, wenn er im Abfall landet. Was absurd klingt, ist bisher Realität in deutschen Impfzentren. Aus technischen Gründen werden die Zwei-Milliliter-Ampullen auf 2,25 Milliliter überfüllt – tatsächlich genutzt werden davon aber nur 1,8 Milliliter.
Dafür gibt es Gründe: Das Hantieren mit kleinen Mengen der wertvollen Flüssigkeit erfordert Geschick und eine perfekte Ausstattung. Beides ist in der Praxis keine Selbstverständlichkeit. Dennoch hat das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen den Impfzentren nun die Möglichkeit eröffnet, sieben statt sechs Spritzen aus einer Ampulle zu gewinnen. Allerdings unter Einschränkungen: Impfstoff aus verschiedenen Ampullen darf nicht vermischt werden. Denn dann wäre es nicht mehr möglich, die Chargen zurückzuverfolgen, wie das Ministerium erklärt. Für den Fall eines „unerwünschten Ereignisses“ in Zusammenhang mit der Impfung müsse dies allerdings sichergestellt werden.
Spezielle Spritze für siebte Impfdosis nötig
Auch die Sterilität des Mittels könnte bei unachtsamem Umgang gefährdet sein. Zudem ist die siebte Dosis nur einzusetzen, sofern noch mindestens 0,3 Milliliter des Vakzins in der jeweiligen Ampulle übrig sind. Hinzukommt, dass laut der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA bereits für die Entnahme der sechsten Dosis spezielle Spritzen benötigt werden, die feiner dosieren. Dies gilt umso mehr für die Entnahme einer siebten Dosis. Laut Gerhard Wiesmüller, dem stellvertretenden Leiter der Kölner Gesundheitsamts, gibt es in Köln diesbezüglich aktuell keine Probleme.
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Offiziell geht das Ministerium weiter „von sechs Impfdosen aus“, sagt Sprecherin Miriam Skroblies. Dies entspreche den Richtlinien der Hersteller Biontech und Pfizer. Die siebte Dosis soll nicht zwanghaft zum Einsatz kommen. Ein möglicher Grund für die konservative Rechnung könnte die Sorge vor einer kleineren Liefermenge sein. Nachdem im Januar von fünf auf sechs Impfdosen pro Ampulle umgestellt wurde, reduzierten die Hersteller teilweise ihre Liefercharge. Vertraglich festgelegt ist die Zahl der Impfdosen, nicht die der Ampullen.
Siebte Dosis keine Selbstverständlichkeit
Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln, begrüßt die Entscheidung des Ministeriums: „Wir können nun aus jeder Ampulle sieben Dosen gewinnen, das sind 14 Prozent mehr. Die Anpassung war überfällig“, sagt er. Etwas anders sieht das Gerhard Wiesmüller. Für ihn ist die siebte Dosis keine Selbstverständlichkeit. Ob tatsächlich sieben Dosen aus einer Ampulle gezogen werden können, hänge von „der Füllmenge und der Geschicklichkeit“ ab.
Welche Auswirkung eine zusätzliche Impfdosis hat, zeigte sich Anfang des Jahres: Die Umstellung von fünf auf sechs Dosen führte allein in Köln dazu, dass bereits in den ersten beiden Januarwochen 571 Intensivärztinnen, Pfleger sowie Rettungskräfte zusätzlich geimpft werden konnten. Die nun entstehenden Überhangdosen werden laut Wiesmüller zunächst innerhalb der priorisierten Gruppe eins im Impfzentrum verimpft.
Für die Dosen, die in diesem Rahmen übrig bleiben, hat der Krisenstab der Stadt Köln eine Ethikkommission eingerichtet – um eine faire Verteilung, etwa an Risikopatienten, zu garantieren. NRW ist das bislang einzige Bundesland, das Impfzentren die Möglichkeit einer siebten Dosis eröffnet.