Köln – Mit Blitzlichtgewittern und Fernsehkameras kennt sich Elisabeth Steubesand aus, weshalb ihr am Montagmittag nach eigener Auskunft auch gar nicht mulmig war. Jahrelang war die heute älteste Bürgerin der Stadt in der Kölnischen Karnevalsgesellschaft (KKG) aktiv. Ihr Mann hatte „die Stars auf die Bühne geholt“, berichtete Steubesands Enkel Georg Husemann. Öffentliches Interesse ist der heute 105-Jährigen demnach nicht fremd – ohnehin nicht bei einem solchen wichtigen Impftermin, für den am Montag Dutzende Journalisten in die Messehalle 4 gekommen waren. Corona sei eine „sehr, sehr schlimme Krankheit“, sagte sie, die Impfung daher eine „sehr, sehr gute Sache“.
Um kurz vor 14 Uhr war sie schließlich die erste Kölnerin, die im Impfzentrum ihren Pikser mit dem Biontech-Vakzin bekam. Die Frage, ob das denn wehgetan habe, beantwortete Steubesand so: „Höchstens ein bisschen. Aber es gibt schlimmeres.“ Sie wünsche sich, dass sich noch „viel mehr Leute impfen lassen werden“, sagte sie noch. Vielleicht auch deshalb, damit irgendwann ihr geliebter Karneval wieder so sein kann, wie sie ihn kennt.
Orden von OB Reker
Nach Wochen des Wartens und einigen Verdrusses begann mit diesem ersten Nadelstich der lange angekündigte Betrieb des Kölner Impfzentrums – parallel mit den anderen vergleichbaren Einrichtungen in NRW. Anders als in den Wochen seit dem 27. Dezember bekommen jetzt nicht mehr nur Senioren und Mitarbeiter in den Heimen eine Impfung, sondern alle Über-80-Jährigen, die noch zu Hause leben, außerdem Mitarbeiter in ambulanten Pflegeeinrichtungen und des Rettungsdienstes. Die Stadt setzte großen Aufwand und noch größere Hoffnungen in das Impfzentrum. Dieses sei „ein unglaublich großer Meilenstein im Kampf gegen Corona, denn die Impfung ist das wirksamste Mittel, das Virus in die Knie zu zwingen“, sagte Feuerwehrchef Christian Miller zur Inbetriebnahme. Die Feuerwehr hatte die Halle bis Mitte Dezember startbereit gemacht, seither stand sie auf Abruf bereit. Doch der fehlende Impfstoff, das begehrteste Gut dieser Tage, machte einen früheren Start unmöglich – geplant war ursprünglich der 1. Februar.
So empfing Oberbürgermeisterin Henriette Reker erst am Montag mit Elisabeth Steubesand den ersten Impfling. Ein kurzes Gespräch über das Impfen und den Karneval folgte. „Wir kennen uns ja seit fast genau 50 Jahren“, sagte Reker. 1976 hätten die beiden zusammen für die KKG am Rosenmontagszug teilgenommen. „Wir waren damals aber weit davon entfernt zu glauben, dass wir uns in einer solchen Situation wiedersehen“, sagte Reker weiter – und übergab Steubesand den Sessionsorden der Oberbürgermeisterin, den die Rathaus-Chefin üblicherweise an ausgewählte Vertreter der Stadtgesellschaft vergeben kann. Dass seine Großmutter „nicht noch angefangen hat, kölsche Lieder zu singen, ist schon alles“, scherzt Steubesands Enkel.
In den nächsten Tagen werden etwa 7500 Impfdosen pro Woche in der Stadt erwartet. Damit komme in der Woche so viel Impfstoff an, wie allein im Impfzentrum am Tag verabreicht werden könnte, sagte Reker. „Theoretisch können alle Über-80-Jährigen innerhalb von nur elf Tagen geimpft werden.“ Ausgerichtet ist das Zentrum aber für lange Zeit und damit auch für die breite Masse der Bevölkerung, für fast alle Alters- und Berufsgruppen. Wenn in einigen Monaten ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht, soll auch der Betrieb weiter hochgefahren werden. In den ersten Tagen wird mit Öffnungszeiten von 14 bis 20 Uhr geplant, doch schon bald sollen sie ausgeweitet werden.
Kostenlose Taxifahrten zum Impfzentrum
Am Montag wurden die ersten 707 Impflinge in mehreren sogenannten Impfstraßen durch die einzelnen Stationen geschleust. Die Impfungen werden von Ärzten durchgeführt, bei der Abwicklung und der Bewachung hilft die Bundeswehr. Zwischenzeitlich kam es am frühen Montagnachmittag zu teils sehr langen Wartezeiten, weil einige Menschen viel, teilweise mehrere Stunden zu früh gekommen sind. Die Stadt bittet daher darum, nicht allzu lange vor dem vereinbarten Termin zu erscheinen, um Warteschlangen zu vermeiden.
Wer pflegebedürftig ist und mit dem Taxi zum Impfzentrum kommt, kann sich die Fahrtkosten erstatten lassen. Am Impfzentrum angekommen erhält der Fahrgast vom Fahrer einen Beleg mit der Postleitzahl des Abholorts. Nach der Impfung soll dieser Beleg am Impfzentrum wieder abgeben und gegen einen Gutschein eingetauscht werden, auf dem die Postleitzahl des Abholorts steht. Dieser Gutschein soll dem Taxifahrer auf der Rückfahrt gezeigt werden. OB Reker sagte, „man hätte es nicht leichter haben können“, als mit diesem Prozedere. Die Fahrten können über die Nummern 0221/2882 oder 0221/170000 geordert werden. Berechtigt sind Inhaber eines Köln-Passes, Bezieher von Grundsicherung und Personen, die einen Bescheid ihrer Kranken- oder Pflegekasse über Pflegegrad eins oder zwei haben und 70 Jahre oder älter sind am Tag des vereinbarten Impftermins.
Außerhalb des Impfzentrums wurden bis Montag 88 Prozent aller Pflegeheime mit der ersten Impfung versorgt, in einer Woche sollen nach Aussage von Gesundheitsamtsleiter Johannes Nießen alle Bewohner und Mitarbeiter in Pflegeheimen zumindest erstgeimpft sein. 58 Prozent aller Einrichtungen haben schon die zweite Impfrunde hinter sich. Insgesamt sind das 10.231 Kölner, die damit nun als nahezu oder komplett immun gelten. Beim Pflegepersonal sei die anfängliche Skepsis gewichen, sagte Nießen. „Die Impfbereitschaft liegt hier inzwischen bei 90 Prozent“.