Brings zur Coronakrise„Am Ende wird sich zeigen, ob Köln mehr als nur »e Jeföhl« ist“
- Zahlreiche Konzerte mussten in den vergangenen Wochen abgesagt oder verschoben werden. Aber was macht eine kölsche Band nun in Zeiten der Coronakrise?
- Wir haben uns mit Sänger Peter Brings, seinem Mops Banshee und seinem Bruder Stephan Brings – er kam mit Fahrrad und Zug aus der Eifel angereist – bei einem Spaziergang im Blücherpark getroffen.
- Im Interview sprechen sie über ihre aktuelle Situation, ihre Sorgen und über das, was passieren muss, damit Köln wirklich mehr als nur „e Jeföhl“ ist.
Herr Brings, wie erleben Sie diese Tage?
Peter Brings: Die Unterschiede sehe ich direkt in der Nachbarschaft. Der Hund ist ja ein guter Grund, noch raus zugehen. Es sind weniger Leute und viel weniger Autos unterwegs. Die angrenzende Autobahn ist still, ab abends ist da richtig Ruhe. Es ist schon eine Ausnahmesituation, die auch einige Möglichkeiten bietet. Es wird ja spekuliert, dass die Scheidungsraten steigen, aber es kann auch gut sein, dass ein Vater mal wieder seine Familie kennenlernt, weil er dafür endlich Zeit hat. Bei mir ist das ein Auf und Ab zwischen „das ist ja Horror“ und „ganz entspannt“. Was weiter passiert, weiß man ja nicht. Jetzt kommt es darauf an, solidarisch zu sein, auch wenn viele junge Leute das noch nicht so ganz verstanden zu haben scheinen. Es geht nicht darum, was wir wollen, sondern was die Experten und die Politiker sagen. Das Allerschlimmste wäre, dass jemand, den du kennst, nicht mehr da ist wegen Corona. Man kann nur darauf hoffen, dass einer ein Gegenmittel, einen Impfstoff findet. Letztendlich weiß ich aber auch nicht, was richtig und was falsch ist. Ich bin ja Musiker und kein Virologe. Manchmal wollt ich, ich wär mein Hund. Dem ist das egal.
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Warum haben sie neuerdings einen Hund?
Peter Brings: Ich habe mir immer einen gewünscht und bin jetzt im richtigen Alter. Noch zehn Jahre weiter, und dann sagen die Leute: „Luurens, dä ahle Brings mem Hungk.“ (lacht) So gehört sich das doch, mit Hund im Park. Das ist ein 1a-Retro-Mops, reinrassig. Und das Gute ist: die ist in so einer Gewichtsklasse, die darfst du überall hin mitnehmen. Im Flieger kommt der in die Tasche, dann stellst du ihn zwischen deine Beine, und dann fliegen wir zwei los. (brüllt) Banshee, komm her! Du sollst das sein lassen!
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Das Lied ist aber nicht von Brings. Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf Sie als Musiker und auf Ihre Band aus?
Peter Brings: Als Band haben wir noch Glück gehabt. Nach dem Karneval stand der Urlaub an, und dann sollte es Mitte April wieder richtig losgehen. Ich habe meine Mallorca-Reise nach wenigen Tagen abgebrochen, als die Reisewarnung für NRW kam. Ich hatte Angst, später gar nicht mehr nach Köln zurückkommen zu dürfen. Eigentlich würden wir demnächst mit den Proben anfangen, aber die anstehenden Konzerte, für die schon rund 20.000 Tickets verkauft waren, sind ja alle abgesagt oder verschoben: ein Festival in Hamburg und eine TV-Show, dann zwei Gastspiele Mitte April im Gaffel-Brauhaus am Dom und das Polka-Konzert am 30. April in der Lanxess-Arena. Statt Tanz in den Mai wird daraus jetzt Tanz in die Session – es soll am 10. November nachgeholt werden.
Stephan Brings: (kommt mit dem Fahrrad an) Tach zusammen. Boah, ist das leer hier überall. Im Zug aus der Eifel war ich der Einzige.
Zur Person
Peter Brings (55), ist Sänger der Rockband Brings, die er 1990 mit seinem Bruder Stephan und Gitarrist Harry Alfter gründete. Weitere Bandmitglieder heute sind Schlagzeuger Christian Blüm und Keyboarder Kai Engel. Seit 2001 ist Brings auch im Karneval unterwegs.
Stephan Brings (54), ist Bassist der Band, die vorrangig Kölsch singt und sich von Anfang an auch politisch engagiert. So ist die Band seit dem Konzert gegen Rassismus und Neonazis vor 100.000 Zuschauern 1992 am Chlodwigplatz ein prägender Teil der AG Arsch huh. (stef)
Hallo Stephan. Die Absagen haben aber sicher auch Auswirkungen auf das Team rund um die Band?
Peter Brings: Das ist doch klar. Unsere Fahrer, Techniker und Roadies haben jetzt alle nichts zu tun. Stellen Sie sich vor, das ganze Jahr würde wegfallen. Man kann sich das denken: Uns Musikern geht nicht so schnell die Luft aus. Deswegen hat sich die Band schon vor einer Woche zusammengesetzt und beschlossen, dass wir von unserer Karnevalskohle einen erheblichen Geldbetrag in die Firma stecken. Die Jungs müssen ja weiter Miete zahlen.
Stephan Brings: Für die Crew müssen wir schon sorgen. Einige im Team sind doch schon fast 30 Jahre bei uns. Und nach der Session ist ja auch Geld da. Das kriegen wir hin.
Im Karneval haben Sie und andere auch ja recht gut verdient.
Peter Brings: Das stimmt schon, aber, was das Virus angeht, auch schwer Glück gehabt. Wir haben sechs Wochen jeden Tag gespielt, sind durch Säle und Festzelte gezogen. Und das mit gefühlt Hunderttausenden an Körperkontakten. Umarmungen, Selfies und Küsschen hier, Küsschen da. Im Nachhinein wird man da schon nachdenklich. Im Karneval sind die Kölschen noch verschont geblieben, sonst wären die Intensivstationen der Krankenhäuser heute voll. Es war wohl nur die eine Sitzung im Kreis Heinsberg. Und der nächste Schub kam dann beim Après-Ski. Da haben sich viele infiziert. Ich kenne das von Veranstaltungen, die wir da gespielt haben: Da steht man nicht nur dicht gedrängt nebeneinander, da liegt man aufeinander. (lacht) Deswegen machen die Leute das doch. 500 Leute in einem Raum – da hat einmal Niesen echte Wirkung. Gott sei Dank waren wir in diesem Jahr nicht dabei.
Wie läuft derzeit der Kontakt untereinander?
Peter Brings: Außer diesem einen Meeting vorwiegend telefonisch. Und wenn man Texte schreibt oder etwas komponiert, kann man das per Whatsapp hin- und herschicken. Oder wir skypen. Das geht schon.
Stephan Brings: Eigentlich würden wir uns jetzt im Studio treffen. Der Drang ist groß, etwas Neues zu machen. Bei den 30-Minuten-Auftritten auf den Karnevalsbühnen spielt man doch immer dasselbe. Ich habe jetzt mal mein Handy gecheckt und da rund 150 Ideen für Songs oder Texte drauf gefunden. Manchmal singe ich ja auf dem Fahrrad. Dann fällt mir etwas Neues ein und ich nehme das schnell auf. Jetzt hab ich Zeit, das alles mal zu ordnen. Peter hat sogar schon was geschrieben, und Harry wird auch schon nervös. Vielleicht können wir auch wieder mehr mit den Kollegen machen, so wie früher etwa mit Klaus Heuser oder Arno Steffen. Der Arsch-huh-Song „Su läuf dat he“, an dem ja einige Sänger und Bands beteiligt waren, war sehr erfolgreich und hat gezeigt, dass man das Konkurrenzding durchbrechen kann. Dafür wäre doch jetzt Zeit genug…
Peter Brings: Zwei Monate lang können wir ohne Proben auskommen, wir sind schließlich seit mehr als 20 Jahren eine erfolgreiche Rockband. Das kriegen wir hin. Was mir Sorgen macht: Die Veranstalter und die Clubs sind an der Kante. Die sind für ihre Konzerte ja auch mit Vorverkauf, Werbung und so in Vorleistung gegangen. Auch mit denen müssen wir uns solidarisieren. Die hängen von uns ab, aber wir von denen genauso.
Stephan Brings: Um die inzwischen überholten Abstandsregelungen einzuhalten, bräuchte man eine 10.000er-Location, um 500 Leute zu bespielen. Aber darüber müssen wir uns derzeit auch in Köln keine Gedanken mehr machen.
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Ist Kölle denn noch immer das viel besungene „Jeföhl“?
Peter Brings: Gefühl ist ein bisschen wenig, das ganze „Mer stonn zusamme“-Zeug. Ich hoffe auf Taten. Am Ende des Tages wird sich entscheiden, ob die Kölner zusammenstehen und Rücksicht nehmen aufeinander – nur dann ist Kölle wirklich mehr als nur „e Jeföhl“.
Stephan Brings: Auch als Kölner müssen wir über den Tellerrand schauen. Denn in der gesamten Gesellschaft ist jetzt Solidarität gefragt. Leute, die schon immer beschissen bezahlt wurden, sind die, die jetzt gebraucht werden und bis zum Umfallen arbeiten müssen. Krankenschwestern, Pflegepersonal, Supermarkt-Kassiererinnen. Da sollte man mal über die Bezahlung nachdenken. Da muss sich nachhaltig was ändern.