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Unterricht während CoronaKölner Schulen wollen geteilte Klassen – Land lehnt ab

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Guetersloh_Unterricht_Corona

Das Schulministerium Nordrhein-Westfalen hält trotz steigender Infektionszahlen am reinen Präsenzunterricht fest.

Köln – Die Situation an den Kölner Schulen spitzt sich deutlich zu. Inzwischen gibt es an mehr als jeder dritten Schule in Köln aktuelle Corona-Fälle. Aufgrund der stark ansteigenden Infektionszahlen und den damit verbundenen Quarantäneanordnungen wird der Ruf der Kölner Schulleiter nach Wechselunterricht in geteilten Klassen immer lauter.

Er neige weder zu Panik noch zu hysterischen Anfällen, teilt etwa der Leiter des Gymnasiums Kreuzgasse den Eltern seiner Schüler in einem Brief mit. „Aber die Entwicklung des Infektionsgeschehens ist brisant.“ In Zahlen heißt das nach dem Wochenende allein für seine Schule: drei neu positiv getestete Schüler, eine Lehrerin und vier Schüler, die auf einer Party intensiven Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten. Bilanz: 30 Schüler der Jahrgangsstufe 9 in Quarantäne und die gesamte EF und Q1 vorsorglich im Distanzunterricht, bis sich die komplizierte Gemengelage geklärt hat.

Ähnliche Lagen gibt es an anderen Schulen: Allein sechs neue Fälle verzeichnete das Barbara-von-Sell-Berufskolleg, an dem 3300 Schüler unterrichtet werden, nach dem Wochenende. Insgesamt waren es dort seit Beginn des Schuljahrs schon mehr als 30.

Die Schulleiterin des Herder-Gymnasiums, Barbara Grota, vermeldet als Bilanz allein dieses Wochenendes zwei Schüler und eine Lehrerin. Bis um 1.30 Uhr hat sie in der Nacht über den 600 Sitzplänen für die Klassen und Kurse ihrer Schule gebrütet, um dem Gesundheitsamt die Kontaktpersonen der betreffenden Schüler mitzuteilen.

Schulleitungen sind im Dauerkrisenmodus

Schulleitung ist in diesen Tagen ein Knochenjob: Im Dauerkrisenmodus schläft Grota seit Wochen nachts maximal fünf Stunden, die 80-Stunden-Woche ist in der Pandemie die Regel. Immer auf Abruf, denn auch am Wochenende haben die Schulleiter Bereitschaft, um aktuelle Coronafälle nachzuverfolgen und so das überlastete Gesundheitsamt zu entlasten.

Ein einzelner Corona-Beauftragter pro Schule reiche inzwischen im Grunde schon nicht mehr aus, bekräftigt Christa Dohle, Schulleiterin der Gesamtschule Holweide.

Die Situation macht sich auch in den Lehrerzimmern bemerkbar: „Die Kolleginnen und Kollegen ziehen unglaublich mit. Aber langsam pfeifen sie aus dem letzten Loch“, fasst Grota die Situation zusammen. Immer Schüler an die Corona-Regeln erinnern, Schüler in Quarantäne mit Aufgaben versorgen und dazu die dauerhafte Angst vor der eigenen Ansteckung. „Die Nerven liegen blank, und viele sind echt fertig“, berichtet Stefanie Ewers, Lehrerin am Barbara-von-Sell-Berufskolleg.

Dabei blieben aber selbst die über 60-jährigen Kollegen eisern an Bord. Auch sie selbst, die eine hochbetagte Mutter im Pflegeheim hat und unter ständiger Anspannung steht, nicht unwissentlich das Virus ins Pflegeheim zu tragen, unterrichtet weiter.

Aber die Kollegien dünnen allmählich aus. Die Situation sei durch Positivfälle, Quarantäne und Risikogruppen „mehr als angespannt“, sagt Grota stellvertretend für viele. Teilweise fehlen in den vielfach ohnehin knapp ausgestatteten Kollegien bereits jetzt zehn Prozent der Lehrer. Bei den Fächern wie Sport müssen Stundentafeln gekürzt werden, da sie nicht mehr abgedeckt werden können.

Der Plan B lautet Wechselunterricht

Längst haben alle Schulen einen Plan B in der Schublade, wie es mit Wechselunterricht mit halbierten Klassen gehen soll. Mit Hybridunterricht, wie das im Fachjargon heißt: Tageweise oder wochenweise würden die Gruppen zwischen Präsenz- und Digitalunterricht wechseln. Für die meisten Schulleitungen und Kollegien wäre es eine Erleichterung in der ständigen Anspannungssituation, wenn die Landesregierung dafür grünes Licht geben würde.

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Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) Ende Oktober beim Besuch einer Berufsschule in Oberhausen

„Wenn man ehrlich ist, haben wir durch das Pandemiegeschehen längst faktisch einen unfreiwilligen Wechselunterricht – nur völlig ungeplant“, sagt Schulleiterin Grota. Die Zahl der Schüler in Quarantäne steige sehr schnell. „Ein offizieller Wechselunterricht wäre viel planbarer.“

Zudem könne das Infektionsgeschehen eingedämmt werden, weil nicht 30 Schüler auf engem Raum sitzen und viel weniger Schüler als Kontaktperson in Quarantäne müssten. „Schon im Sinne der Fürsorgepflicht sollte das umgesetzt werden“, ergänzt sie.

Schulministerin Gebauer beharrt auf Präsenzunterricht

Stattdessen setzt Schulministerin Yvonne Gebauer trotz der dynamischen Situation weiter auf vollen Präsenzunterricht. Aber der Druck steigt: Nachdem die Landesregierung in der vergangenen Woche der Stadt Solingen verboten hatte, aufgrund der sich zuspitzenden Infektionslage ein Wechselmodell aus digital und anlog einzuführen, hat der dortige Oberbürgermeister Tim Kurzbach mittlerweile offiziell Beschwerde gegen die Anweisung des Landes eingereicht, eine Remonstration.

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Am Montag zog die Stadt Dortmund nach und forderte das Land NRW auf, Distanzunterricht einzuführen. Die Stadt Köln erwägt dies nach dem Verbot von Solingen derzeit nicht. „Nach Informationen des Landes sollen zunächst alle innerschulischen personellen und räumlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bis eine einzelne Schule sich dazu entschließt, für einzelne Lerngruppen auf das Distanzlernen umzusteigen“, hieß es dazu aus dem Amt für Schulentwicklung. Ein Antrag auf Wechselunterricht mit geteilten Gruppen, den die Gesamtschule Holweide bei der Bezirksregierung gestellt hatte, wurde abgelehnt.

Das Land Niedersachsen hat am Montag als erstes Bundesland den analog-digitalen Wechselbetrieb ermöglicht für Schulen in Städten mit einer Inzidenzzahl von über 100. Bereits 60 Schulen entschieden sich nach Rücksprache mit den lokalen Behörden dafür.

„Es ist im Grunde ein Skandal, dass Frau Gebauer sich anmaßt, zu beurteilen, dass reiner Präsenzunterricht mit großen Gruppen weiter verantwortbar ist. Und dass Schulleiter, die die Lage wirklich vor Ort bewerten können, keinerlei Mitspracherecht haben oder nicht mal gehört werden“, beklagt Ewers.

Sie selbst unterrichtet, wie 80 Prozent der Kollegen an ihrer Schule, inzwischen durchgehend mit FFP2-Maske, um sich sicher zu fühlen. Anders als etwa die Landesregierung in Bayern, die alle Lehrer mit FFP2-Masken ausstatten will, gibt es einen solchen Plan in NRW nicht.

Hierfür sei das Land als Arbeitgeber zuständig, erklärte die Stadt. Und so geben, wie etwa im Barbara-Sell-Berufskolleg, Schulleitungen Großbestellungen von FFP2-Masken in Auftrag, um das eigene Kollegium zu schützen. Diese werden dann zum Selbstkostenpreis an die Lehrerinnen und Lehrer weitergegeben.