Köln – Der erste Schultag nach Aufhebung der Präsenzpflicht hat die Kölner Schulen vor riesige organisatorische Herausforderungen gestellt. „Die Situation ist eigentlich für Eltern wie Schulen untragbar“, beklagte der Stadtschulpflegschaftsvorsitzende Gerhard Jansen. „Statt einer klaren Entscheidung des Schulministeriums mussten Erziehungsberechtigte etwas entscheiden, das sie wirklich schwer einschätzen können.“
Nachdem Schulministerin Yvonne Gebauer am Freitag für die Schulen überraschend die Präsenzpflicht entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung doch ausgesetzt hatte, hatten die Eltern der Erst- bis Siebtklässler die Wahl, ob sie ihre Kinder noch die gesamte Woche – also auch im Lockdown - in die Schule schicken möchten.
Verunsicherte Eltern
Nach einer Umfrage der Kölner Stadtschulpflegschaft haben an den Kölner Grundschulen teilweise 70 Prozent der Eltern ihre Kinder in die Schule geschickt. Auch an den weiterführenden Schulen saßen vielerorts weit mehr als die Hälfte der Schüler in den Klassen. Viele Eltern seien verunsichert gewesen und hätten auch Sorge gehabt, dass ihre Kinder ohne Präsenzunterricht etwas verpassen“, erläuterte Jansen.
Auch in den weiterführenden Schulen saßen teils zehn Kinder in den Klassen, teilweise fast die ganze Klasse. „Eine klare Entscheidung – wie in anderen Bundesländern, die ab Mittwoch flächendeckend alle Schulen schließen – wäre sehr viel besser gewesen. Für den Infektionsschutz und auch für die Planbarkeit.“
Herausforderung mit überlasteten Netzen
Denn so wusste kein Lehrer, wie viele Kinder an diesem Montag im Klassenraum sitzen würden. Außerdem musste dreigleisig geplant werden: Reiner Distanzunterricht für die Älteren und zeitlich paralleler Distanz- und Analogunterricht für die Jüngeren – und das quasi ohne Vorlauf.
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Dazu kam die Herausforderung mit überlasteten Netzen, die vielerorts durch die gleichzeitige Nutzung so vieler Beteiligter in die Knie ging. „Auch bei uns war in manchen Klassen ein Drittel da, andere Klassen waren fast vollständig“, berichtet Oliver Schmitz, Schulleiter des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums in Kalk.
Alle Modelle Makulatur
Ihn hatte die Ankündigung von Gebauer kalt erwischt. Planbare Hybridkonzepte – also ein Wechselmodell mit festen halben Lerngruppen - hatten Schmitz so wie viele seiner Schulleiterkollegen schon lange detailliert ausgearbeitet und in Testläufen ausprobiert. Und zwar in festen nach pädagogischen Kriterien zusammengestellten 6er-Teams in halbierten Klassen, die dann gemeinsam über Teams arbeiten sollten.
„Jetzt war all das Makulatur. Es ist frustrierend, so ein fertiges Konzept nicht umsetzen zu können.“ In hunderten Stunden habe sich das Kollegium durch Mikrofortbildungen innerhalb des Kollegiums fit gemacht und Konzepte erarbeitet. Jetzt hieß es wieder: maximales Improvisieren und maximale Belastung - zumal die Oberstufe ja auch vor Ort noch Klausuren schreiben muss.
Diffuse Kommunikation
Für den Schulleiter des Gymnasiums Pesch, Marcel Sprunkel, lautete die gute Botschaft des Tages: Das WLAN hat der Belastung standgehalten. „Die Situation war total schwierig, da es so unterschiedlich kommuniziert wurde: Während es teilweise aus dem Schulministerium wie eine freie Wahl der Eltern klang“, habe Ministerpräsident Armin Laschet gesagt, dass es sich nur um eine Art Notbetreuung handeln solle für Kinder, deren Eltern unbedingt darauf angewiesen seien. „Dadurch ist ganz viel Unsicherheit entstanden. Wir haben das dann auch in der Laschet-Variante an die Eltern kommuniziert.“ Jetzt ist in Pesch für beide Gruppen der Unterricht der gleiche: Jede Klasse hat täglich drei bis vier Video-Konferenzen. Die Präsenz-Kinder sitzen dabei vor den Computern im Klassenraum, die anderen Zuhause.
„Am Ende haben wir es mal wieder irgendwie gemanagt, und es war keine Katastrophe“, sagte Christa Dohle, Leiterin der Gesamtschule Holweide, wo teilweise zwei Drittel der Schüler in den Klassen saßen. Nachdem schon zwischenzeitlich ihr Stellvertreter mit einer Corona-Infektion ausgefallen war, meldete sich jetzt auch der didaktische Leiter in die Quarantäne ab. Improvisieren und kurzfristig denken, das haben die Schulen in den letzten Monaten aus der Not heraus quasi zur Kernkompetenz erkoren. „Aber am schlimmsten ist die kurze Leine: Da wird von oben vom Ministerium vorgegeben, wie alle es machen müssen - von der Kita bis zum Abitur. Dabei sind die Strukturen viel zu komplex und zu unterschiedlich für einheitliche Lösungen“, klagt Schulleiter Schmitz. Und wünscht sich für das neue Jahr „mehr Vertrauen in die Schulen, dass sie Lösungen finden, die infektionstechnisch und didaktisch für ihre Einrichtung passen.“