Köln – Es ist ein Schreckensszenario, das der offene Brief eines dreifachen Vaters beschwört: „Die vierte Corona-Welle rollt – insbesondere auf die noch nicht geimpften Kita-Kinder – zu.“ Eltern müssten „trotz der stark steigenden Corona-Zahlen ihre Kinder in die Kitas schicken, da sie die Betreuung anders nicht sicherstellen könnten.
„Die allermeisten Eltern machen dies mit einem sehr schlechten Gefühl, da sich die Kitas immer mehr zu einem Corona-Hotspot entwickelt haben“, heißt es in Adam Richters Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtdirektorin Andrea Blome weiter. Der Mann heißt eigentlich anders, möchte aber mit seinem richtigen Namen nicht in der Zeitung stehen.
Mit seinem offenen Brief fordert Richter die Stadt Köln auf, eine Testpflicht in Kitas einzuführen: „Überall gilt mindestens die 3G-Regel – außer in unseren Kindergärten.“ Er fürchtet eine „Durchseuchung unserer Kinder“. Zwar würden in Kölner Kitas zweimal wöchentlich Lolli-PCR-Tests durchgeführt, denen „die große Mehrheit der Eltern“ zugestimmt hätten. Allerdings gebe es auch unter „Kita-Eltern Corona-Leugner und Querdenker-Eltern, die die Zustimmung zu diesen Tests verweigern“.
Stuttgart hat eine Testpflicht an Kitas eingeführt
In Stuttgart beispielsweise gibt es seit vergangener Woche eine Testpflicht für Kinder in Kitas. In Köln ist das bisher nicht vorgesehen, wie ein Sprecher der Stadt auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilt: Die Resonanz bei den zweimal wöchentlich stattfindenden Tests sei sehr hoch. Mehr als 95 Prozent der Kölner Kitas nähmen daran teil, die „Mitmachquote“ an den Tests sei auf „gleichbleibend sehr hohem Niveau“. Die Quote der Eltern, die die Teilnahme verweigern, liege bei zehn bis zwölf Prozent.
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„Für mich ist es schleierhaft, warum es in der Schule eine Testpflicht gibt, in Kitas aber nicht“, sagt Richter im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dem Stadtsprecher zufolge handelt die Stadt „in enger Abstimmung mit dem Land“. In Kitas bestehe bislang lediglich eine Testpflicht für ungeimpfte Beschäftigte.
Aufgrund des bisherigen Infektionsgeschehens und der hohen Teilnehmerquote an den Lolli-Tests sei eine generelle Testpflicht nicht erforderlich. Diese würde letztlich dazu führen, dass ungetestete Kinder von der Betreuung ausgeschlossen werden müssten. Im Gegensatz zur Kita bestehe zudem in Schulen eine Schulpflicht, „insofern sind hier andere Regularien zu treffen“.
Keine großen Ausbrüche an Kölner Kitas
Die aktuellen Corona-Zahlen in Kitas deuten – anders als in Richters offenem Brief formuliert – nicht auf „Hotspots“ hin. Nach Angaben der Stadt sei in vier Prozent der Kölner Kitas mindestens ein Kind infiziert. Insgesamt seien 67 Kita-Kinder infiziert, von denen 35 im infektiösen Zeitraum in der Einrichtung waren (Stand 17.9.).
In Köln gibt es insgesamt 686 Kitas mit 42.088 Kindern. Laut Stadt sind die Zahl der Ansteckungen unter Mitarbeitenden rückläufig. Von 24 infizierten Beschäftigten war die Hälfte im infektiösen Zeitraum in der Kita. Zum Vergleich: Anfang des Monats seien noch 40 Mitarbeitende infiziert gewesen.
Seinen offenen Brief hat Adam Richter auch an eine Reihe von Kommunalpolitikern, Kita-Leitungen sowie an Elternvertreter geschickt, darunter auch den Jugendamtselternbeirat (JAEB), der die Eltern aller Kitas in Köln vertritt. „Wir sind stolz und glücklich, dass es in Köln eine so hohe Bereitschaft der Eltern gibt, bei den Lolli-Tests mitzumachen“, sagt Heike Riedmann, Vorsitzende des JAEB.
„Wir halten das für einen guten Weg und lehnen eine Testpflicht ab.“ Wie sollte etwa mit einem ein- oder zweijährigen Kind bei einer Testpflicht umgegangen werden, wenn es an einem Tag mal nicht den Mund für das Teststäbchen aufmachen wolle, fragt sich die Mutter zwei Kinder.
Elternvertreter lehnen Testpflicht ab
Der JAEB befürworte das Konzept „Testen statt Quarantäne“, das seit einer Woche in NRW gelte. Wenn in einer Kita ein positiver Coronafall auftritt, gilt für enge Kontaktpersonen eine Testpflicht. So müssen sich die anderen Kinder der Gruppe testen, um weiter die Einrichtung zu besuchen. „Die Eltern haben dann also die Wahl, ob sie ihr Kind testen lassen oder ob sie es in den folgenden 14 Tagen zu Hause lassen“, sagt Heike Riedmann.
Diese neue Regelung begrüßt auch Adam Richter. Doch sie geht ihm nicht weit genug. „Ich habe drei Kinder. Zwei in der Grundschule – da müssen alle mitmachen beim Lolli-Test – und ein Kind in der Kita. Da machen nur die mit, die wollen beziehungsweise deren Eltern wollen“, kritisiert Richter. „Ich frage mich, warum erst in einer Kita das Coronavirus grassieren muss“, bevor die Testpflicht dort durchgesetzt werde.