„Man kann hier alles hochskalieren“So lief die erste Woche im Kölner Impfzentrum
Köln – Fast zwei Monate mussten sie warten. Eigentlich sollte es Mitte Dezember eröffnet werden, das Kölner Impfzentrum, doch lange kam viel weniger Impfstoff als erhofft. Und so durften Andrea Liekweg und Simone Schmidt erst am vergangenen Montag die ersten Spritzen aufziehen. „Ein bisschen aufgeregt waren wir schon“, sagt Schmidt, Amtsapothekerin der Stadt: „Man kann vieles am Reißbrett planen. Aber die Praxis ist etwas völlig anderes.“ Ihre Kollegin Andrea Liekweg ist Chefin der Uniklinik-Apotheke, ein Betrieb mit 60 Mitarbeitern. Mindestens Vollzeit, wenn nicht gerade Pandemie ist, jetzt irgendwie nebenher. Die beiden Frauen leiten derzeit vor allem ein Quasi-Labor im Obergeschoss der Messehalle vier. „Das ist fast eine kleine Apotheke“, sagt Schmidt.
Mehrere hundert Menschen wurden dort in der ersten Woche pro Tag geimpft. „Es lief gut bis sehr gut“, sagt Liekweg. Irgendwann sollen es 5000 Menschen pro Tag sein. „Das kann man hier alles hochskalieren.“ Aber es helfe schon, die Abläufe erstmal in einem kleineren Umfang einzuüben. Ohne die richtige Bearbeitung ist der Biontech-Impfstoff nichts wert. Und die Bearbeitung, die biologische Aktivierung mit einer Kochsalzlösung – auf Apotheker-Deutsch Rekonstitution – passiert hier. Ebenso wie das Aufziehen der Spritzen.
Kölner Impfzentrum: Noch herrscht Umzugsstimmung
Wir sitzen vor jenem weißen Kasten, in dem so wenig Impfstoff wie möglich verloren gehen soll. Hunderte Kollegen aus Köln haben sich sofort gemeldet und Hilfe angeboten, jeden Tag bereiten Dutzende von ihnen die Spritzen auf. Die Rekonstitution sei „kein Problem“, sagt Schmidt, zumindest für Pharmazeuten nicht. Fast ein wenig bescheiden. Das Gesundheitsministerium gibt vor, dass der Impfstoff in großen Mengen nur von Apothekern aktiviert wird. Denn das erfordert Geschick, präzises Handwerk und klinisch reine Bedingungen.
Eine Stunde noch bis zum heutigen Impfstart. Die ersten weißen Kittel schlendern konzentriert hin und her, gehüllt in transparente Sicherheitsanzüge. FFP2-maskierte Soldaten der Bundeswehr, die im Impfzentrum aushelfen, tragen Kisten rein und raus, vorbei an einem Stapel Berliner, der für eine der seltenen Pausen bereitsteht. Dann spazieren sie durch unseren kleinen Stuhlkreis, grüßen die neuen Kolleginnen. Noch herrscht Umzugsstimmung im Impfzentrum. Geht es nach Simone Schmidt, wird es bei einer Art Zwischenmiete bleiben. „Natürlich hoffe ich, dass die Impfstoffe irgendwann massenhaft in fertigen Spritzen geliefert werden.“ Das sei Aufgabe der Industrie. Und es würde ein Impfzentrum auf Sicht obsolet machen.
Corona-Impfstoffe bleiben erstmal knapp
Doch mindestens bis in den Sommer hinein wird der Impfstoff auch in Köln knapp bleiben. Und bis dahin kommt es darauf an, so wenig wie möglich zu verschwenden. „Entscheidend ist vor allem die Planung der Mengen“, sagt Liekweg. Weil der Impfstoff von Biontech in der spritzfertigen Form nur einige Stunden haltbar ist, könnte er in Arztpraxen schnell unbrauchbar werden. Wenn Kühlschränke ausfallen, Schnee fällt oder Patienten einfach nicht erscheinen. Vom Impfzentrum, zur Sicherheit ausgestattet mit Notstrom, geht der mögliche Überschuss sofort an eine besonders schutzbedürftige Gruppe, die vom Ethikrat der Stadt definiert wird.
Neuerdings darf in Nordrhein-Westfalen eine siebte Dosis pro Ampulle gezogen werden. Die Experten im Impfzentrum freut das, schließlich kann jeder Tropfen Leben retten. Doch die großen Hoffnungen, die zuletzt von Ärzten im Umland geschürt wurden, stoßen auf wenig Gegenliebe. In Köln rechnet man nicht für jede Ampulle mit einer siebten Dosis. Eher für jede zweite. Mit dem Impfstoff sei es wie mit Shampoo, heißt es aus dem Impfzentrum: Unmöglich, alles restlos aus der Packung zu bekommen, vor allem unter Zeitdruck. Und mit unterschiedlichen Füllmengen sowieso. Die Mindestmenge von 2,25 Milliliter garantiere der Hersteller, hieß es am Dienstag von der Stadt, die tatsächliche Füllmenge unterliege jedoch den üblichen Schwankungen – in diesem Fall nach oben.
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Damit keine Spritze aus Versehen aktiviert wird, haben zwei junge Kölner spezielle Halterungen gebaut, in denen die Spritzen auf den kurzen Wegen nicht verrutschen. Kölner Apotheker bringen diese Halterungen und ihre brotdosengleichen Behälter nun auch in das Umland. Zwei Beispiele für das, was Liekweg ganz nüchtern eine „besondere Zusammenarbeit“ nennt. Sie kann dem Umgang mit der Krise viel Positives abgewinnen.
Und ja, auch sie fühle sich in der Berufswahl bestätigt. Das gelte aber auch für ihre Arbeit an der Uniklinik, der sie in normalen Zeiten vor allem nachgeht. „Es ist gut, einen Beitrag zu leisten. Aber ich wache jetzt nicht jeden Morgen auf und denke: Heute rette ich tausend Kölner“, sagt Liekweg. „Na ja, ein bisschen schon“, widerspricht ihre Kollegin Schmidt etwas verlegen und grinst. Dann müssen sie sich in ihren weißen Kasten verabschieden. Und rausholen, was die Ampullen heute hergeben.