Harte Arbeit statt Kneipengaudi: Darter aus Köln und Leverkusen geben Einblick in den derzeit so populären Sport jenseits des Weltmeisterschafts-Glamours.
Wegen Darts-WM 2024Dart-Klubs der Region erwarten kurzzeitigen WM-Boom – aber hält der auch?
Jeden Freitag wird in Köln Riehl Turnier gespielt, also auch diese Woche. Darts-WM hin, Darts-WM her, die eigenen Partien gehen vor, da sind Michael Klein und seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Dartteam Köln standfest. „Aber wer gerade nicht dran ist, guckt natürlich“, sagt Klein, der Vorsitzende des Klubs. Was die Amateure mit den Profis auf der großen Bühne verbinde? „Der Wunsch zu gewinnen“, sagt Klein. Und was unterscheidet sie? „Die Präzision.“
Das bunte Spektakel im Londoner Alexandra Palace, genannt „Ally Pally“, zieht auch die hiesigen Anhänger der Wurfsportart in ihren Bann. Und wird den Vereinen in der Region, so war es nach den letzten Weltmeisterschaften, im neuen Jahr wohl wieder einigen Zulauf an Interessierten bringen. Ob die allerdings langfristig bleiben, ist eine andere Frage.
Der Darts-Sport hat seinen Stellenwert in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist deutlich größer geworden, und damit auch die Bereitschaft von Sponsoren, deutsche Profis zu unterstützen. Das Resultat: Bei dieser WM in London waren fünf Deutsche am Start, so viele wie nie. Vier von ihnen schafften es in die dritte Runde nach Weihnachten, auch das ein Rekord. Ricardo Pietreczko verliert in einer ganz knappen Partie gegen den Titel-Favoriten Luke Humphries. Der Deutsche verspielte eine 3:1-Führung und verlor am Ende noch 4 zu 3.
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Gabriel Clemens, deutscher Halbfinalist des Vorjahres, und Martin Schindler waren am Mittwoch ausgeschieden. Clemens verlor gegen den Engländer Dave Chisnall deutlich mit 1:4. Schindler stand kurz vor seinem größten WM-Erfolg, er führte zwischenzeitlich mit 2:0 und hätte als zweiter Deutscher überhaupt bei der Darts-WM in die Runde der letzten 16 einziehen können. Doch seine Partie gegen den Engländer Scott Williams geriet zum Drama, das der 27 Jahre alte Strausberger nach Verlängerung 3:4 verlor.
Auch wenn der Kölner Florian Hempel ausgeschieden ist – mit bis zu 60 Startern rechnet Michael Klein in seinem Verein
Am Donnerstag hatte dann der Kölner Florian Hempel gegen den Engländer Stephen Bunting keine Chance und musste sich 0:4 geschlagen geben. Dragutin Horvat war bereits in der ersten Runde 0:3 am Belgier Mike De Decker gescheitert.
Beim Freitagsturnier im Cologne Cue Club seien normalerweise rund 20 Teilnehmer dabei, erzählt Michael Klein. Für die Zeit nach der schillernden WM rechnet er mit bis zu 60 Startern. Aber die Erfahrung lässt ihn ahnen: „Der Boom klingt dann nach und nach ab, im März kommen wieder nur die, die schon immer gekommen sind.“
Thomas Walsh sieht für den 1. Dart Club Leverkusen Ähnliches voraus. „Es werden mehr Leute mal gucken kommen, aber einen Boom bei den Mitgliederzahlen wird es nicht geben“, so der Vorsitzende des 1981 gegründeten Vereins. Denn: „Unser Alltag als Amateure ist nicht vergleichbar mit dem, was man bei der WM oder bei großen Turnieren im Fernsehen sieht.“ Weniger Party, mehr Sport. Weniger Wunderwürfe, mehr harte Arbeit. „Wenn die Leute erstmal selbst Ergebnisse eintippen oder ausrechnen müssen, sind sie ganz schnell wieder weg“, sagt Klein.
Im Liga-Alltag der Amateure gebe es die große Zuschauer-Party wie bei einer WM nicht, betont Walsh: „Da ist nicht die große Gaudi angesagt, sondern es steht der sportliche Gedanke im Vordergrund.“ Die erste Mannschaft der Leverkusener spielt Regionalliga, die Kölner haben zuletzt den Sprung in die Zweite Bundesliga geschafft. Bis Juni geht die Saison noch und der Plan steht fest: Durchmarsch in Liga eins. „Es sieht gut aus für uns“, sagt Klein. Die Mitgliederzahlen der beiden Vereine halten sich derweil bei knapp 100 in Leverkusen und knapp 60 in Köln. Es sei in den vergangenen Jahren ein leichtes Wachstum zu verzeichnen gewesen, sagt Walsh. Aber Boom? Nein, WM-Spektakel hin oder her.
Thomas Walsh, geboren in London und aufgewachsen in Deutschland, bewundert die Profis, die auf der Bühne des „Ally Pally“ trotz des großen Rummels drumherum ihr Können abzurufen vermögen. Das Publikum nehme die Großartigkeit des Sports nur wahr, wenn einer der Akteure eine 180 werfe, sagt Walsh. Also drei Pfeile hintereinander in das winzig kleine Triple-20-Feld befördert. „Ansonsten machen die Zuschauer ihre eigene Veranstaltung.“
Walsh selbst hat den Sport mit Mitte 20 entdeckt, damals hat er als Student rund drei Stunden am Tag trainiert. „Da habe ich international ganz ordentlich mitgespielt“, sagt er: „Ich habe keinen Titel gewonnen, aber dem einen oder anderen Titelkandidaten ein Bein gestellt.“ Was ihn am Darts-Sport fasziniert? „Das hochkonzentrierte Arbeiten, dass man viele Dinge ausblenden muss, die Hand-Auge-Koordination.“ Für ihn sei Darts schon immer Sport gewesen, sagt Walsh. Gut an der aktuellen Entwicklung finde er, dass das jetzt auch von außen immer öfter so wahrgenommen werde: „Und wer immer noch glaubt, Darts sei kein Sport, sondern Kneipengaudi, kann gern mal zwei Stunden mit mir trainieren.“