„Das ist ein Zermürbungsprozess“Kölner Gastronomen kritisieren Inzidenz-Regelung
Köln – Es war ein großer Dämpfer, als am Montagmorgen bekannt wurde, dass die Inzidenzzahl in Köln wieder über der wichtigen Marke von 100 liegt. Weil der Wert zuvor stetig gesunken war, hatten sich viele Gastronomen darauf vorbereitet, am Samstag die Außengastronomie zu öffnen. Doch der erneute Anstieg zeigt, wie fragil die Inzidenzregelung ist – und wie schwer sie die Planung macht.
Norbert von der Grün, Chef der Wagenhalle mit großem Innenhof in der Südstadt, sagt: „Das ist ein Zermürbungsprozess. Das ist, als hätte der Zahnarzt wieder einen Zahn gezogen.“ Am Samstag waren er und seine Mitstreiter, die auch die Außengastronomie auf dem Rathenauplatz betreiben, zu Notmeetings zusammen gekommen, um alles zu organisieren. Angestellte wurden aus der Kurzarbeit geholt, Bestellungen gemacht. „Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich den Vatertag nicht auf dem Schirm hatte und die Nachmeldungen, die möglicherweise zu dem Anstieg geführt haben.“
„Das Hin und Her ist sehr belastend“
Dies zeige aber auch die grundsätzliche Schwäche des Inzidenzsystems. „Das ist ein Hin und Her. Und das ist sehr belastend.“ Zumal die Wiedereröffnung dieses Mal komplizierter ist als im letzten Jahr, weil diesmal nur Geimpfte, Genesene und Getestete Zutritt haben – und das zu überprüfen, sei schwierig. Wirtschaftlich lohnen wird die Öffnung wegen der stark reduzierten Platzzahl nicht. Die Mannschaft der Wagenhalle stehe aber trotz allem bereit – für die Gäste.
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Auch im Limani im Rheinauhafen, von dessen Terrasse man einen prächtigen Ausblick hat, herrscht am Montag zunächst einmal Ernüchterung. Restaurantleiter Gabor Koutny hat das Reservierungssystem, auf dem schon ein paar Meldungen eingegangen waren, erst einmal wieder abgeschaltet. „Wir sind schwer enttäuscht, wir waren von einer Öffnung am Samstag ausgegangen.“
Das Inzidenz-System habe seine Tücken. „Wenn wir am Mittwoch bei 90 stehen und am Freitag wieder bei 101, hätten wir wieder umsonst alles vorbereitet.“ Jetzt arbeitet das Team erst einmal an einer kleineren Karte, damit die Verluste nicht so groß sind. „Wir stehen weiter in den Startlöchern.“
Enttäuschung bei Einzelhändlern
Auch die Rheinterrassen und der benachbarte Beach Club hatten sich auf die Öffnung vorbereitet. „Aller Aufgaben waren verteilt, die Anlagen installiert“, sagt Bernhard Conin, Geschäftsführer von Köln-Kongress. Das Ganze zehre an den Nerven, aber so sei die Situation ja auch den Konzerten, die zum Teil schon zum vierten Mal verschoben werde. Man stelle sich jetzt auf den Pfingstmontag ein.
Auch bei den Einzelhändlern schlägt der Anstieg des Inzidenzwertes aufs Gemüt. Auch sie dürfen erst bei einem stabilen Wert unter 100 wieder öffnen – wenn auch nur für eine beschränkte Anzahl von Kunden mit negativem Testnachweis. Carsten Brück ist Geschäftsführer der beiden „Schee“-Läden auf der Maastrichter Straße, in denen es ausgefallene Geschenke, Dekoartikel und Kunst gibt. „Die Stimmung geht Tag für Tag etwas tiefer in den Keller. Sowohl bei den Mitarbeitern, als auch zunehmend bei den Kunden.“ Die ausschließliche Kopplung der Öffnung an den Inzidenzwert habe anfangs sicher Sinn gemacht, um die Mobilität in der Stadt heruntergefahren. „Jetzt sind wir aber an einem Punkt, an dem der alleinige Blick auf Inzidenzen nicht reicht. Man sollte die Belegung der Intensivbetten im Blick haben und außerordentliche Ereignisse wie etwa Ausbrüche in Großbetrieben sollten berücksichtigt werden.“ Und der Handel und die Gastronomie bräuchten dringend eine digitale Möglichkeit zur Kontaktverfolgung.
Zumindest in dieser Hinsicht hat Köln am Montag eine Ankündigung gemacht. Demnach stellt die Stadt Gastronomen und Einzelhändlern für ein halbes Jahr kostenlos die in Köln entwickelte Kontaktverfolgungs-App „Recover“ zu Verfügung.