DJ Fritz Kalkbrenner vor Konzert in Köln„Ich bin der Gegenentwurf zu einer Diva“
Köln – Als es im März vergangenen Jahres in der Konzertbranche nur so Absagen hagelte, war er mittendrin: Der DJ, Sänger und Musikproduzent Fritz Kalkbrenner sollte am 14. März im Palladium auftreten, wenige Tage vor Inkrafttreten des ersten Lockdowns. Über anderthalb Jahre später ist die Veranstaltungsbranche noch nicht wieder gänzlich rehabilitiert, viele Tourneen wurden abermals auf nächstes Jahr verschoben.
Im doppelten Sinne hat das Konzert des 40-Jährigen diesen Freitag, 12. November Symbolcharakter: Es markierte gewissermaßen den Anfang der Pandemie sowie nun den Wiederstart nach einer musikalischen Durststrecke. Berühmt wurde der Berliner mit dem Hit „Sky and Sand“ von 2008. Er verbindet Dance-Musik mit melodischen Elementen und teilweise seinem Gesang. Wir haben mit Fritz Kalkbrenner gesprochen.
Herr Kalkbrenner, Sie sind seit Wochen wieder auf Tour. Wie fühlt es sich an, wieder so einen straffen Zeitplan zu haben?
Kalkbrenner: Natürlich ist man geforderter als das eine lange Zeit der Fall war. Aber der Professionalismus ist so in Fleisch und Blut übergangen, dass man das abrufen kann. Die Leute sind entsprechend ausgehungert.
Konnten Sie der erzwungenen Pause was abgewinnen oder war es einfach nur frustrierend?
Nein, natürlich muss man mit der Situation umgehen lernen. Ich habe viel Musik gemacht, habe mir andere Tätigkeiten gesucht. Man hat das von allen Seiten gehört: Ich mache jetzt Sauerteig, alles klar! Notgedrungene Beschäftigungen eben.
Was war Ihre notgedrungene Beschäftigung?
Ich habe aus Langeweile Holzlöffel geschnitzt. Das war okay.
Für gewöhnlich sind Sie für ihre Auftritte rundum den Globus unterwegs. Das war sicherlich ein krasser Einschnitt, wenn man sich nur in Deutschland aufhält.
Wenn das nur für mich gelten würde, dann ja. Da das allumfassend stattgefunden hat, ist das sozusagen die Situation, in der sich alle befinden, dann ist es etwas weniger verwunderlich. Auch ich darf eben nicht interkontinental meiner Arbeit nachgehen.
Haben Sie bestimmte Rituale vor Konzerten?
Nein, eigentlich nicht. Ich weiß, dass es Künstler gibt, die machen die verrücktesten Sachen. Da wird über die Schulter gespuckt, besondere Getränke eingenommen. Mit Ingwer-Saft gegurgelt. Ich bereite mich gedanklich darauf vor, lasse zehn Minuten vorher Ruhe einkehren. Aber wilder wird es auch nicht mehr. Da muss man flexibel sein, wenn man es als Dienst am Kunden begreift: Wie sehr ist dem Schaustellenden gestattet, dass er eine Diva ist?
Wie sehr ist Fritz Kalkbrenner denn eine Diva?
Ich bin der Gegenentwurf dazu, bin eher gegenständlich und begegne meinen Mitarbeitern auf Augenhöhe. Aber es gibt die verrücktesten Geschichten: DJs aus den Staaten, denen man wohl nicht in die Augen schauen darf und so etwas.
Um die DJ-Figur herum bildet sich doch tatsächlich immer mehr ein Personenkult heraus. Offensichtlich können Sie sich damit nicht so identifizieren. Braucht man denn nicht ein bisschen Hype um die Person für den Job?
Bei mir reicht hoffentlich der musikalische Wert. Ich kann nur für mich sprechen, ich weiß, andere machen das anders, aber die sind ja auch nicht ich.
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Berlin Calling: Verhältnis zum Bruder Paul Kalkbrenner
Ihr Bruder Paul Kalkbrenner ist ebenfalls prominent. Er spielte 2008 als Schauspieler im Film „Berlin Calling“ mit, der Soundtrack der elektronisch geprägten Hauptstadt stammt von Ihnen beiden. Werden Sie immerzu verglichen, tauschen Sie sich untereinander über Ihre Projekte aus?
Da ist schon viel Wasser den Fluss runtergegangen. So vor 10 Jahren war das ein Thema. Trotzdem ist es eine Tatsache, dass wir beide Musiker sind, aber wir arbeiten so gut wie nicht zusammen.
Ist es also nicht so, dass man sich gegenseitig anruft und den anderen um musikalischen Rat oder um seine Meinung bittet?
Das ist schon sehr lange her, dass so etwas stattfand. Wir machen das hauptberuflich, sind also per Definition keine Amateure. Irgendwann sind wir dazu übergangen, dass wir uns kommentarlos die fertigen Alben rübergeschoben haben. In allen Branchen ist es so: Wenn man sich auf einer sehr spezifischen, verklausulierten Ebene treffen kann, dann kann der Gesprächsstoff ermüden, weil beiden genau wissen, worum es geht. Also schiebt man sich das Album rüber, Kopfnicken und das reicht. In früheren Sturm- und Drang-Zeiten hat es das ein wenig gegeben.
Auf der nachgeholten Tour präsentieren Sie Ihr sechstes Studioalbum „True Colours“, das 2020 erschienen ist. Was planen Sie zur Zeit für musikalische Neuheiten?
Genau, das Album ist nicht mehr aktuell, aber man erfüllt, was man versprochen hat. Ich arbeite auch nicht wirklich an einer neuen Platte, das ist fraglich, ob nochmal ein Album kommt. Das gibt der Zeitgeist nicht her.
Fritz Kalkbrenner: Musik in Zeiten von Streaming-Diensten
Sie arbeiten sich also von Single zu Single?
Es wird Einzelsingles geben. Es gibt aber noch keinen fixen Termin für die nächste. Das hat damit zu tun, wie heutzutage monetarisiert Musik wahrgenommen wird. Es gibt keine wirklichen Verkäufe mehr. Heutzutage ist für meinen Verleger nicht von Interesse, was mit dem Album ist, sondern in welche Spotify-Playlisten (zusammengestellte Lieder nach Genre oder Themen, Anm. d. Red.) man mit einer Nummer auftaucht. Die Konsumform des Streamings ist hochgradig konträr zum Album. Einzelpersonen sehen das anders und hängen noch am Album, aber die werden irgendwann aussortiert. Ich bin großer Albumfreund. Es wäre schön, wenn man es noch hätte machen können. Es ist leider nicht mehr so sinnig.
Es ist eine ganz andere Art Musik zu machen, denn einem Album liegt häufig auch inhaltliches Konzept zugrunde, das dann durch diese Art der Einzelveröffentlichungen gesprengt wird.
Ja, es gibt unterschiedliche Herangehensweisen: Zum Beispiel, dass man Stücke einzeln herausbringt und später, wie um eine Klammer zu schließen, dann alle nochmal gesammelt veröffentlicht. Habe ich zwar noch nicht gemacht, aber die Gedanken existieren.