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Personal- und Finanznot„Aktion Nachbarschaft“ kämpft in Köln um Fortbestand seiner Projekte

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Kinder und erwachsene Vereinsmitglieder und Helfer vor dem Fahrradbüdchen in der Wolfsohnstraße.

Kinder und erwachsene Vereinsmitglieder und Helfer vor dem Fahrradbüdchen in der Wolfsohnstraße.

Die zunehmende Finanznot bedroht die vielfältigen Angebote der „Aktion Nachbarschaft“ in Bickendorf, Bocklemünd und Müngersdorf.

Viel los heute im Bickendorfer Fahrradbüdchen. Kinder im Grundschulalter wuseln aufgeregt herum, die Experten Günther Kuhne und Albert Sohns schauen sich die mitgebrachten Problem-Räder genau an: „Da muss das ganze Vorderrad ausgetauscht werden“, rät „Günni“, Sohns meint: „Der Dynamo müsste auch mal erneuert werden.“ Für die jungen Besucher stehen Gummibärchen bereit, für die Erwachsenen eine Kanne Kaffee.

Die Fahrradwerkstatt war 2015 auf private Initiative im Rahmen der Arbeit mit Geflüchteten entstanden, zunächst reparierten ehrenamtliche Helfer noch in einem Garten in der Feltenstraße. Ende 2015 wurde der Verein Aktion Nachbarschaft gegründet und funktionierte ein altes, nicht mehr gebrauchtes Waschhaus der GAG Immobilien AG an der Wolfsohnstraße 12a zum Radbüdchen um.

Bedrohte Angebote der Aktion Nachbarschaft

„Wir orientieren uns an den Bedürfnissen und Interessen der Menschen und wirken zwischen Nachbarschaften, Politik und Verwaltung: Für ein Umfeld, von dem Groß und Klein nicht nur sagen ‚Hier wohne ich‘, sondern: ,Hier bin ich zu Hause‘“, umreißt Udo Hanselmann, Vorsitzender von „Aktion Nachbarschaft“ und stellvertretender Bezirksbürgermeister, die Vereinsziele.

Doch die Arbeit in Bickendorf, Bocklemünd und Müngersdorf für Menschen „in schwierigen Lebenslagen“ ist derzeit akut bedroht, wie Geschäftsführer Christian Baack erklärt: „Das Fahrradbüdchen könnten wir im Sommer jeden Tag öffnen, der Bedarf ist da, es ist auch ein wichtiger Treffpunkt für die Anwohner. Leider fehlt uns die pädagogische Fachkraft, die früher vor Ort war.“

Die ehrenamtlichen Helfer seien zwar engagiert, aber eine gewisse Fluktuation etwa durch Umzüge oder aus beruflichen Gründen sei nicht zu vermeiden. Da brauche es jemanden, der Ersatzkräfte anspricht und zum Mitmachen motiviert, aber auch auf die übrigen Angebote des Vereins aufmerksam macht.

Dazu gehören etwa die Lebensmittel-Tafeln, die Sozial- und die Energieberatung, die Sportangebote für Kinder und Jugendliche, der Familientreff in einem der Y-Häuser am Ossendorfer Weg, der schon seit längerem nicht mehr täglich geöffnet werden kann: Angebote, an die sich viele Nachbarn inzwischen gewöhnt haben, die aber möglicherweise schon bald komplett eingestellt oder erheblich reduziert werden müssen, weil die Mittel fehlen.

Finanzierungsengpässe bedrohen Aktion Nachbarschaft

Baack stellt aber klar, dass dies nicht mit den anstehenden Kürzungen im städtischen Haushalt zusammenhänge, wo der Verein als „interkulturelles Zentrum“ geführt wird und einigermaßen glimpflich davonkommen sollte. „Aber wir haben bis 2023 Mittel aus einem Landesprogramm zur Stärkung von benachteiligten Quartieren bekommen, ein Nachfolgeprogramm gab es nicht.“

Seither musste Aktion Nachbarschaft die Zahl der vollen Stellen von 10,3 auf 5,8 beinahe halbieren. Im vergangenen Jahr habe der Verein die Insolvenz nur deshalb gerade noch abwenden können, erzählt Baack, weil er selbst wegen einer Erkrankung für sechs Monate ausfiel und die Krankenkasse zahlte.

Sein Job als Geschäftsführer ist insofern eine Ausnahme, als alle anderen Stellen zum Teil über Spenden und Zuwendungen von Stiftungen finanziert werden, dafür muss der Verein pro Jahr rund 100.000 Euro einwerben: „Die Antragstellung ist sehr zeitaufwendig, das geht nochmal von der eigentlichen Arbeit ab“, so Baack.

Mitarbeiter Thomas Wydra ergänzt, dass momentan vielen kleinen Trägern von Gemeinwesenarbeit der Wind ins Gesicht blase, vor allem, wenn sie mit Geflüchteten arbeiten. Nicht nur wegen der knappen Kassen in Stadt und Land: die allgemeine Stimmung und speziell die Diskussionen in den letzten Wochen trügen zusätzlich Verunsicherung in diese Gruppe. „Dabei sind die meisten motiviert, sie wollen mitmachen. Gerade die Kinder, die müssen wir irgendwie erreichen“, meint Wydra. Allein unter dem Aspekt des oft beklagten Personalmangels müsse dies doch Unterstützung finden.

Deshalb will Aktion Nachbarschaft nun in die Offensive gehen und sich an die Unternehmen in der Umgebung wenden. Zusammen mit Ikea hatte der Verein zuletzt ein Weihnachtsessen organisiert. „Die wollen sich nun die Ausstattung unserer Räumlichkeiten ansehen“, erzählt Baack. Aber der Verein will auch unternehmerisch tätig werden und Kräfte für ambulant betreutes Wohnen einstellen, was suchtkranken, psychisch eingeschränkten, oder körperlich behinderten Menschen zugutekäme.


Wer sich über die Arbeit des Vereins informieren oder spenden möchte, kann dies auf der Homepage tun: www.aktion-nachbarschaft.de