Ein 59-Jähriger stirbt zwei Monate nach einem Polizeieinsatz. Nun stehen fünf Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.
ProzessauftaktFünf Polizisten stehen nach Tod eines Kölners vor Gericht
Es brauchte mehrere Bewerbungen, bis sich Bettino G.s (Name geändert) großer Wunsch endlich erfüllte: Die Polizei nahm ihn an. Nachdem er ein Bachelor-Studium im Fach „Polizeivollzugsdienst“ absolviert hatte, war er einige Jahre in Porz und Nippes tätig, bevor er 2020 auf die Polizeiwache Ehrenfeld kam. Ein Einsatz im April des folgenden Jahres führte dazu, dass der heute 40 Jahre alte Mann und vier weitere Polizisten, die mit ihm daran beteiligt gewesen waren, im November 2021 vom Dienst suspendiert wurden.
Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung im Amt. Am Donnerstag hat vor dem Kölner Landgericht der Prozess begonnen. Die Verteidiger von zwei Beschuldigten gaben Erklärungen ab, in denen sie die Vorwürfe zurückwiesen.
Staatsanwaltschaft wirft angeklagten Polizisten übermäßige Gewalt vor
An einem Nachmittag in jenem April fuhr Bettino G. gemeinsam mit einem Kollegen und einer Kommissaranwärterin zur Vitalisstraße in Bickendorf. Ziel war ein Haus, in dem eine Frau gemeldet war, die im Verdacht stand, Fahrerflucht begangen zu haben. Im Haus trafen die Polizisten auf den Bruder der Frau, der sagte, sie halte sich woanders auf. Die Kommissaranwärterin telefonierte mit der Schwester, die den Sachverhalt einräumte.
Inzwischen war der Vater der Geschwister eingetroffen, der sich, angetrunken und mit einer Bierdose in der Hand, auf der Straße lauthals über den Einsatz beschwert haben soll. Die Beamten forderten bald Verstärkung an, sodass schließlich fünf Polizisten vor Ort waren. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen zur Last, sie hätten statt „deeskalierend“ vorzugehen, den Mann umringt, zu Boden gebracht, geschlagen und getreten.
Im St. Franziskus-Hospital stellten die Ärzte zwei gebrochene Rippen fest. Der Mann suchte danach zwar seine Hausärztin auf, die ihm Schmerzmittel gab, soll aber auf weitere Behandlung verzichtet haben. Knapp zwei Monate später starb er an einer Blutvergiftung, hervorgerufen durch eine Lungenentzündung. Einen kausalen Zusammenhang mit den Verletzungen beim Polizeieinsatz schließt die Rechtsmedizin aus.
Verteidiger von Bettino G. von Unschuld seines Mandanten überzeugt
Christoph Arnold, der Bettino G. verteidigt, erklärte, die Angeklagten bedauerten den „tragischen“ Tod des Mannes, doch sie seien nicht schuld daran, auch wenn es in der Öffentlichkeit so kolportiert worden sei. Die Polizisten hätten „nicht mehr Gewalt als tatsächlich notwendig angewandt“ und von Rippenbrüchen nichts geahnt. G. selber sagte, der Mann sei pöbelnd in den Einsatz hineingeplatzt, habe die Beamten bedroht und beleidigt und sei ihnen gefährlich nahegekommen. In dieser Situation habe man sich entschlossen, ihn mit einem Hebelgriff zu Boden zu bringen und ihn zu fixieren.
G. widersprach der Darstellung, sie hätten den gefesselten, wehrlosen Mann, der über Luftnot geklagt haben soll, geschlagen und getreten und ihn mit dem Kopf gegen einen Betonpfeiler gestoßen. Vielmehr, so führte der Angeklagte weiter aus, habe er, als er eine Platzwunde an einer Augenbraue des Mannes bemerkt habe, ein Medikamenten-Set geholt und einen Rettungswagen kommen lassen. „Dieser Prozess ist kein Tribunal gegen Polizeigewalt“, betonte Christof Püschel, Verteidiger eines anderen, 26 Jahre alten Beschuldigten. Der Einsatz von Gewalt gehöre zum „polizeilichen Alltag“ und sei „wesentlicher Teil der Ausbildung“. Die Vorwürfe der Anklage seien Ergebnis von Ermittlungen, die „mit Belastungseifer, suggestiv und unfair“ geführt worden seien. Sein Mandant sei unschuldig.
Zu den weiteren Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gehört, Bettino G. und ein Kollege hätten mit falschen Angaben eine Anzeige gefertigt, dem Mann aus Bickendorf Widerstand, Bedrohung und Beleidigung unterstellend. Außerdem soll G. schon im Dezember 2020 unrechtmäßig Gewalt angewendet haben: Einen Fußgänger, der bei Rot über die Venloer Straße gegangen war, habe er mit Pfefferspray besprüht und dann mit einer „Fußfeger“ genannten Technik zu Fall gebracht. G. hielt dem entgegen, der zur Rede gestellte Passant habe sich von Anfang an aggressiv, ja bedrohlich verhalten.
Einem weiteren Angeklagten wird angelastet, in vier Fällen Informationen aus dem Polizeicomputer unbefugt an Dritte weitergegeben zu haben. Der Prozess ist auf zehn Verhandlungstage angelegt.