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Verkehr in Ehrenfeld„Lebensgefährlich“ – Warum Geisterfahrer über die Vogelsanger Straße fahren

Lesezeit 4 Minuten
Anwohnerin Monika Bodenstein steht im Oktober 2024 mit Fahrrad auf der Verkehrsinsel Vogelsanger Straße/Sömmeringstraße in Ehrenfeld

Sie wäre um ein Haar von einer Geisterfahrerin erwischt worden: Anwohnerin Monika Bodenstein steht im Oktober 2024 mit Fahrrad auf der Verkehrsinsel Vogelsanger Straße/Sömmeringstraße in Ehrenfeld. Foto: Peter Berger

Seit einem Jahr läuft der Verkehrsversuch auf der Venloer Straße. Immer wieder kommt es bei Staus auf der Ausweichroute zu gefährlichen Aktionen.

5,5 Millionen Euro hat der Umbau der Vogelsanger Straße zwischen der Inneren Kanalstraße und dem Gürtel gekostet. Jahrelang mussten die Anwohner Lärm und Dreck ertragen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Straße ist verkehrsberuhigt, es gibt breite Parkflächen, moderne Radwege auf der Fahrbahn und es gilt durchgehend Tempo 30. „Die Straße hat sehr an Aufenthaltsqualität gewonnen. Das ist keine Frage“, sagt Monika Bodenstein, Anwohnerin in der Ernst-Flatow-Straße.

Leider nur für knapp zwei Jahre. Seit Oktober 2023, als die Venloer Straße im Rahmen eines Verkehrsversuchs zur Einbahnstraße wurde, ist das zumindest auf dem Abschnitt zwischen dem Kaufland und dem Gürtel nicht mehr der Fall. Von Aufenthaltsqualität könne keine Rede mehr sein.

Das hat aus Sicht der Anwohner Folgen. In Fahrtrichtung Gürtel kommt es immer wieder zu endlosen Staus, weil die völlig überlastete Kreuzung am Gürtel pro Grünphase höchstens fünf Autos passieren können. Die Grünphasen werden durch die Vorrangschaltung für die Stadtbahn auch immer wieder unterbrochen. Die Folge: 15 Minuten für einen Kilometer mit dem Auto sind keine Seltenheit.

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Das Überqueren der Vogelsanger Straße ist für Fußgänger und Radfahrer lebensgefährlich
Monika Bodenstein, Anwohnerin

„Ich übertreibe nicht, aber das Überqueren der Straße ist für Fußgänger und Radfahrer lebensgefährlich“, sagt Bodenstein. Für Zweiradfahrer sei der Rückstau kein Problem. „Die fahren locker an der Schlange vorbei.“ Viele Autofahrer brächten jedoch nicht die Geduld auf, bis sie endlich die Linksabbiegerspur zum Gürtel erreicht haben. „Sie scheren aus und fahren auf der Gegenfahrbahn an der Verkehrsinsel herum, die die Fahrbahn teilt. Und das mit stark erhöhter Geschwindigkeit in der 30er- Zone.“

Es ist Freitagnachmittag, 11. Oktober. Monika Bodenstein will mit ihrem Fahrrad zum Einkaufen. Schon auf dem Hinweg kommt ihr bei der Ausfahrt aus der kleinen Seitenstraße von rechts ein Auto auf der falschen Seite als Geisterfahrer entgegen.

„Dann habe ich meine Einkäufe erledigt und bin wieder zurück, am Übergang Sömmeringstraße bin ich über die erste Hälfte gegangen. Ich habe mein Rad geschoben, habe mich auf dem ersten Teil noch bei dem Autofahrer bedankt, der extra gewartet hat. Auf der zweiten Hälfte kam mir wieder jemand entgegen, und zwar volle Lotte. Als Geisterfahrer am Stau vorbei, um dann vor dem Gürtel über den freien Linksabbieger auf den Gürtel abzubiegen. Es war eine Fahrerin. Ich war so schockiert, habe die Frau angebrüllt. Die hat sich nicht mal entschuldigt, war sogar entrüstet, warum ich sie so angehe. Ich war dann einfach froh, dass nichts passiert, habe völlig vergessen, mir das Kennzeichen zu merken. Die nächsten Tage bin ich nur noch auf dem Bürgersteig geradelt.“

Ihre Erfahrung ist kein Einzelfall. Am Freitagnachmittag, kurz vor dem Fototermin mit Monika Bodenstein, scheren innerhalb von zehn Minuten drei Autofahrer und ein Vespa-Fahrer entnervt aus der Schlange aus und fahren mit hohem Tempo über die Gegenfahrbahn bis zum Linksabbieger zum Gürtel. Dass ihnen auch Radfahrer entgegenkommen könnten, ist ihnen offenbar nicht bewusst. Oder sie nehmen dieses Risiko billigend in Kauf.

Ehrenfeld Kreuzung Vogelsanger Straße/Ehrenfeldgürtel Oktober 2024

Die Kreuzung Ehrenfeldgürtel/Vogelsanger Straße ist seit Jahren völlig überlastet. Der Verkehr aus der Vogelsanger Straße kann nur langsam abfließen. Foto: Peter Berger

Die Anwohner fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. „Für die Venloer Straße hat sich alles sehr positiv entwickelt“, schreibt Marc Jakoby auf „nebenan.de“. Eine vernünftige Führung des Ausweichverkehrs scheine die Stadt aber nicht durchführen zu wollen. Sie fordern als erste Schritte, dass bei Google Maps die Einbahnstraßenregelung für die Venloer Straße aufgenommen und als Ausweichstrecke die Weinsbergstraße ausgewiesen wird.

Anwohner fordern vernünftige Regelung für den Ausweichverkehr

„Die Stadt hat in ihrem neuen Verkehrsatlas die Weinsbergstraße als Hauptverkehrsader ausgewiesen. Danach sind die Venloer, die Subbelrather und die Vogelsanger nachgeordnete Straßen. Daran muss sie sich auch halten“, ergänzt Anwohner Lothar Erdbories. „Das Gegenteil ist der Fall. Seit dem 30. April ist die Vogelsanger Straße auf der Inneren Kanalstraße sogar als offizielle Ausweichroute ausgeschildert. Ich sehe den Tag kommen, an dem es zu einem schweren Unfall kommt. Der Überweg wird auch von vielen Kindern genutzt.“

Diverse E-Mails an das „Planungsteam Venloer Straße“ seien von der Stadtverwaltung gar nicht oder nur unzureichend beantwortet worden. Ob es Ergebnisse der angekündigten Verkehrsmessungen und Evaluationen gebe, könne man deshalb nicht sagen.

Stadt wertet Verkehrszählungen aus

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilt die Stadtverwaltung mit, auf der Vogelsanger Straße hätten „sowohl vor als auch während der Verkehrsversuchs Venloer Straße Verkehrszählungen stattgefunden“. Die Analyse sei in Arbeit. „Sofern sich konkrete verkehrliche Probleme ergeben, werden bei Bedarf auch für die Vogelsanger Straße gezielte Maßnahmen erarbeitet“.

Der Ordnungs- und Verkehrsdienst habe „im Rahmen der personellen Möglichkeiten auch Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt.“ Bei der letzten Kontrolle zwischen der Inneren Kanalstraße und dem Gürtel zwischen dem 16. und 24. Oktober seien bei 16.488 Durchfahrten 72 Verstöße registriert worden. Das ist eine Quote von 0,44 Prozent – ein „überdurchschnittlich guter Wert“.

Das kommt aus Sicht der Anwohner nicht überraschend, weil man im Dauerstau schließlich schwerlich rasen könne. Das Ausscheren und die Geisterfahrten seien die größte Gefahrenquelle. „Die Problematik wird in die weitere Betrachtung einbezogen“, heißt es in der Antwort der Stadtverwaltung. Das gelte auch für Hinweise aus der Anwohnerschaft. „Grundsätzlich wurden Anfragen, die bei der Stadtverwaltung zum Verkehrsversuch eingingen, versucht zu beantworten.“ Hinweise und Anregungen werde man im laufenden Verfahren berücksichtigen.