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„Wir haben keine Lobby“Eltern von Vogelsanger Förderschülern schlagen Alarm

Lesezeit 4 Minuten
FörderschEin tristes Schulgebäude in Waschbeton-Optik ist zu sehen.

Die Förderschule am Kolkrabenweg in Vogelsang ist mit Schadstoffen belastet.

Wegen Schadstoffbelastung ist das Gebäude in Vogelsang nur teilweise nutzbar. Die Schülerinnen und Schüler müssen mit einem Notprogramm auskommen.

Für die Förderschule Geistige Entwicklung Kolkrabenweg hätte das Schuljahr 2024/25 kaum ungünstiger starten können. Wegen steigender Schülerzahlen mussten vier Klassen der Mittelstufe nach Lövenich ins Gebäude des im Aufbau befindlichen Gymnasiums Zusestraße verlegt werden, und am 13. September folgte der nächste Schlag: Aufgrund einer Schadstoffbelastung sind die meisten Räume der Schule bis auf Weiteres nicht nutzbar. Nach den Herbstferien konnten die Oberstufen- und Berufspraxisschüler in Container an der Escher Straße in Nippes umziehen.

Nun ist die Schule auf drei weit auseinanderliegende Standorte verteilt. Von einer „Zergliederung“ spricht auch die Leitung der Förderschule in einem Schreiben, mit dem sie sich Anfang November an Schüler, Eltern und Kollegium wandte, um über den Stand der Dinge zu informieren.

Von „Verunsicherung“ und „Mehraufwand“ ist darin die Rede, aber auch davon, dass alle beteiligten Ämter und die Schulleitung „unermüdlich“ daran gearbeitet hätten, „dass der Unterricht an den verschiedenen Standorten schnellstmöglich starten kann.“

Ein Elternpaar sitzt mit einem großen Jungen auf dem Boden.

Für ihren Sohn David (Mitte) müssen Rebecca und ihr Mann Roman F. rund um die Uhr eine Betreuung sicherstellen.

Sicher, gibt Christina Fiedelak, Mitglied der Elternpflegschaft, zu bedenken, für die Schadstoffbelastung könne man die Verwaltung nicht direkt verantwortlich machen. Doch der miserable Zustand vieler Schulgebäude in Köln sei keinesfalls ein Geheimnis: „Man ist sehenden Auges in diese Situation gegangen, jahrelang hat die Stadt nichts getan. Nun hat es die schwächsten Glieder der Gesellschaft getroffen, und wir haben keine Lobby.“

Rebecca F., deren 17-jähriger Sohn David nun in der Escher Straße unterrichtet wird, kann dem nur beipflichten: „Für uns ist schon der Alltag eine ständige Herausforderung – Betreuung, Pflege und Förderung kosten Zeit und Kraft – und vieles müssen wir uns erkämpfen.“

Denn die Schließung des Gebäudes am Kolkrabenweg sei „von jetzt auf gleich“ erfolgt, und weil die Verwaltung nicht sofort Ersatzräume bereitstellen konnte, mussten die Familien improvisieren. David zum Beispiel leide an einer komplexen Mehrfachbehinderung und sei auf permanente Betreuung angewiesen, so Rebecca F. Das habe so gerade funktioniert, weil sie eine Teilzeitstelle in einem Büro hat und ihr Mann selbständig ist und viel zu Hause arbeitet. Doch ihre Berufe könnten sie nur ausüben, weil ihr Sohn schulisch betreut wird. Sobald dies wegfalle, fehle es an der nötigen Zeit.

180 Schüler haben ihre therapeutische Betreuung verloren

Zwar hatte die Schule nach dem 16. September eine Art Notprogramm mit Ausflügen in den Zoo oder in Parks organisiert. Doch diese Angebote hätten nur zwei- bis dreimal pro Woche stattgefunden und seien auch nur einem kleinen Teil der Schüler zugänglich gewesen. Denn es sei nicht möglich gewesen, einen Busverkehr für diese Veranstaltungen zu organisieren. Diese Fahrten hätten die Familien auch selbst finanzieren müssen, ohnehin stünden Taxis für Rollstuhlfahrer beispielsweise nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung.

Insgesamt, so Rebecca F., hätten die meisten der rund 180 Schüler, vor allem jene, die nicht in der Zusestraße oder in den noch am Kolkrabenweg zur Verfügung stehenden Räumen unterrichtet werden, aber nicht nur den schulischen Unterricht, sondern auch die therapeutische Betreuung verloren.

„Gibt es dafür ein Nachhol-Programm?“, fragt sie. Auch an der Escher Straße sei der Unterricht eingeschränkt, es fehle an Fachräumen etwa für Hauswirtschaftslehre, und weil der Vertretungsplan der Schule wegen der Verteilung auf drei Standorte nicht funktioniere, sei der Schultag nun donnerstags schon um 13 Uhr statt um15.30 Uhr beendet.

Hinzu kommen fehlende Fluchtwege und Zäune in den neuen Räumlichkeiten, auch das Mittagessen werde in der Escher Straße noch nicht angeliefert, erzählt Christina Fiedelak. „Das ist alles sehr zermürbend, vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Mein Sohn ist mittlerweile kaum noch zu motivieren, wenn es um die Schule geht. Ich hoffe, dass sie nicht mehr umziehen müssen, aber leider bekommt man keine Auskunft, wie es weitergehen soll.“

Auf Nachfrage dieser Zeitung teilte eine Sprecherin der Stadt mit, dass das Schulgebäude bis zum Sommer 2025 saniert und „von da an wieder komplett nutzbar“ sein werde. Für das Erdgeschoss könne die Nutzungsfreigabe sogar „voraussichtlich im Februar 2025“ erfolgen. Wie dem auch sei, einen Aufstand der Eltern muss die Stadt nach Aussage von Rebecca F. jedenfalls nicht befürchten: „Wir sind viel zu erschöpft.“