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„Wir sind frustriert“Kölner Schulen und Eltern demonstrierten für bessere inklusive Bildung

Lesezeit 4 Minuten
Ein Junge hüpft über ein Hindernis des Parcours.

Mit einem symbolischen Hindernisparcours demonstrierten Eltern und Kinder vor der Sitzung des Schulausschusses für inklusive Bildung.

Zu große Klassen, fehlende Fachkräfte, Zwangs-Elterntaxi: Bei der Inklusion liegt in Köln so einiges im Argen.

„Jedes Kind hat ein Recht auf Inklusive Bildung.“ So steht es nicht nur in der UN-Menschenrechtskonvention, sondern auch auf der Internetseite der Stadt Köln. „Alle Kinder mit und ohne Behinderung sollten optimal gefördert und einzelne nicht ausgegrenzt werden“, heißt es dort weiter. Aber diese Zusagen werden aus Sicht vieler betroffener Eltern in Köln nicht eingelöst: Mit einem symbolischen „Hindernislauf Inklusive Bildung“ machten sie gemeinsam mit Vertretern von vier inklusiven Schulen mit einer Protestaktion vor dem Rathaus darauf aufmerksam, dass die Rahmenbedingungen im gemeinsamen Lernen in Köln nicht stimmen.

Aktuelles Beispiel ist die Gesamtschule Holweide: Die größte Gesamtschule in NRW ist seit Jahrzehnten Vorreiter der inklusiven Bildung mit 185 Förderschülerinnen. Vor Ort gibt es Therapiestellen etwa für Physiotherapie und Ergotherapie, um die Kinder gezielt zu fördern. Schon jetzt reichen aber die Kapazitäten nicht mehr. Im kommenden Jahr wird es noch schwieriger: Die langjährige Ergotherapeutin geht in Rente, auch die andere Therapeutenstelle wird vakant werden. Statt neue Ausschreibungen zu bewilligen, habe die Stadt für die beiden Stellen jetzt eine einjährige Sperrzeit verhängt. Das bedeutet, dass alle Inklusionsschüler mindestens zwölf Monate auf dieses wichtige Angebot verzichten müssten. Weil sie das nicht einfach so hinnehmen wollen, sind sie vor das Rathaus gekommen. „Es kann nicht ernsthaft die Absicht der Stadt Köln sein, in der Entwicklung der Inklusion drei Schritte zurückzugehen“, fordern sie.

Kinder demonstrieren für bessere Bedingungen im gemeinsamen Lernen.

Schülerinnen und Schüler von vier inklusiven Kölner Schulen waren zu der Protestaktion vor das Rathaus gekommen.

Die Friedrich-List-Grundschule aus Porz-Gremberghoven ist gekommen, um mit dem gesamten Kollegium gegen immer größere Klassen im gemeinsamen Lernen zu protestieren. Angesichts der Schulplatznot sitzen an der dortigen inklusiven Grundschule statt 25 jetzt 28 Kinder und mehr in einer Klasse. Gemeinsames Lernen werde so Makulatur. Die Rosenmaarschule aus Höhenhaus kämpft um dringend benötigte Sozialarbeit. Auch die räumliche Situation liegt vielerorts im Argen: Die inklusive Grundschule Kunterbunt aus Vogelsang war vor Ort, um auf ihr marodes Schulgebäude aufmerksam zu machen, in dem sich die Mäuse breit gemacht haben.

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Die zehnte Demonstration in zehn Jahren

Die Rahmenbedingungen an inklusiven Schulen dürfen nicht schlechter sein als an Förderschulen“, fordert Ute Berger vom Verein "Mittendrin e.V.". Die Situation für Familien, die Inklusion für ihre Kinder wollten, sei frustrierend. Schließlich ist es bereits die zehnte Demonstration in zwei Jahren. Immer wieder machten die Eltern beeinträchtigter Kinder etwa auf das Problem der oft verwehrten Schülerbeförderung in inklusiven Schulen aufmerksam.

Eltern demonstrierten vor dem Rathaus gegen Inklusionshindernisse.

Für Eltern von Inklusionskindern ist es sehr schwer, eine Beförderung ihrer Kinder zur Schule bewilligt zu bekommen.

Im November 2023 beschloss der Rat einstimmig den fraktionsübergreifenden Antrag „Schülerspezialverkehr gerecht gestalten“. Darin wurde die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, welche Mehrkosten für die Beförderung aller Schüler mit Einschränkungen, die bisher nicht aufgrund der Schülerfahrtkostenverordnung befördert werden können, entstehen würden. Jetzt habe die Verwaltung endlich Zahlen geliefert, was die Beförderung der bisher abgelehnten Schülerinnen und Schüler in inklusive Schulen kosten würde, so mittendrin. Zu Grunde gelegt werden 30.000 Euro pro Kind und Jahr.

Stadt Köln sieht beim Schultransport keine Benachteiligung

Zahlen, deren Seriosität "Mittendrin e.V." anzweifelt: „Das sind mehr als 150 Euro pro Tag und sei damit ein Vielfaches von dem, was der Landschaftsverband Rheinland für den Schülerspezialverkehr veranschlagt“, kritisierte Berger. Es entstehe der Eindruck, die Verwaltung wolle keine Lösungen finden. Sascha Rüttgers, stellvertretender Leiter des Schulentwicklungsamtes, widersprach diesem Eindruck der Benachteiligung: Es sei „nicht richtig“, dass inklusiv beschulte Kinder gegenüber den Förderschülern im Nachteil seien. Laut seinen Zahlen fielen von den 86 Ablehnungen für Beförderung in diesem Jahr 60 auf Förderschüler und 20 auf Schüler von Schulen des gemeinsamen Lernens.

Die fehlende Beförderung sei nur ein Inklusionshindernis von vielen, fasste Berger zusammen: Immer wieder müssten neue Anträge gestellt werden, es gebe kein ausreichendes Therapieangebot und keine zuverlässige Ganztagsbetreuung an inklusiven Schulen. Wenn die Schulbegleitung krank sei, müssten die Kinder zuhause blieben. Um das aufzufangen, müssten viele Eltern die Arbeitszeit reduzieren. „Oder sie melden ihr Kind an einer Förderschule an, wo die Kinder willkommen sind und Schülerbeförderung, Therapie und Ganztagsbetreuung zum Gesamtpaket gehören.“