Am Rheinufer wurde den englischen Fans ein besonderer Platz zum Feiern geboten. Der Andrang war gering, Party machten die Engländer in den Zügen zum Stadion.
„Kein Vergleich zu den Schotten“Englische Fans lassen es beim Public Viewing in Köln ruhig angehen
Genau so hatten es sich viele Fußballfans erhofft und erträumt, als feststand, dass die Europameisterschaft 2024 in Deutschland stattfinden wird. Sommerliche Temperaturen bis in die Nacht hinein, Kondenstropfen vom eiskalten Getränk laufen außen am Becher runter und je länger die Hitze anhält, umso mehr rotgebrannte Nasen, Nacken und Arme tummeln sich an den Public-Viewing-Plätzen der Stadt.
Einer davon wurde mit sechs unterschiedlich großen Leinwänden und einem vielfältigen Angebot für Essen und Trinken am Konrad-Adenauer-Ufer direkt am Rhein eingerichtet. Für das Spiel England gegen Slowenien galt die große Fläche am Dienstagabend (25. Juni) vor allem den englischen Fans.
Neben einem englischsprachigen Moderator, der den Abend des Spiels begleitet hat, wurde sogar der britische TV-Funk auf den Lautsprechern übertragen, um den weit angereisten Fans das beste Zuschauererlebnis zu ermöglichen. „Thank you, Cologne! This is amazing!“, freuten sich Ethan und seine Freundesgruppe in voller England-Beflaggung. Ihre Reise war geplant, bevor die Männer endgültig wussten, ob sie Tickets ergattern könnten oder nicht. Am Dienstagabend teilte sich die Gruppe auf. Drei von ihnen feierten im Stadion, die übrigen vier genossen das Spiel mit Blick auf den im Sonnenuntergang schimmernden Rhein.
Weniger Andrang als erwartet
Etwa zwei Stunden vor Anpfiff gehörte Ethan mit seiner Gruppe noch zu einer wirklich überschaubaren Menge englischer Fans, die das Spiel in der Public-Viewing-Area verfolgen wollten. Vereinzelt hatten sich Fangruppen zusammengefunden, die sich gemeinsam über die freie Sicht auf den Bildschirm freuen.
„Wir haben hier doch alles, was wir brauchen. Bier so viel wir wollen, die beste Sicht überhaupt und hervorragendes EM-Wetter. Was sollen wir mehr wollen?“ Eine kleine Familie teilte diese Euphorie, sich im gelassenen Umfeld voll und ganz auf das Spiel konzentrieren zu können: „Gerade für die Kinder ist es gut, dass es nicht so eng und laut ist!“
Die Stimmung blieb also entspannt, die Fans optimistisch. Lediglich einer der vielen Gastronomen hätte sich am Dienstagabend ein etwas volleres Rheinufer gewünscht: „Das ist leider kein Vergleich zu den Schotten, die uns zu Hunderttausenden die Stände eingerannt haben. Aber irgendwo werden auch die anderen Fans schon stecken und der Abend ist jung, da kann viel passieren.“ Recht sollte er behalten: Mit Beginn der Partie wurde es rund um die Goldgasse und Dagobertstraße voller. Zur Auslastung der vollen Kapazität von 30.000 Zuschauern kam es allerdings nicht.
Engländer machen ihrem Ruf alle Ehre
Dass die Fans „irgendwo anders“ seien, sollte sich ebenso bewahrheiten. Bereits am späten Nachmittag waren die kleinen Eckkneipen der Stadt überfüllt. Die ersten Engländer hatten sich da schon ihres Trikots entledigt und stimmen Huckepack auf dem Rücken anderer Fußballbegeisterter ihre EM-Hymne „Sweet Caroline“ an. Zwischen der dominierenden weiß-roten Pyrotechnik fanden sich auch vereinzelt Slowenen wieder, die sich der guten Laune ihrer Gegner nicht entziehen konnten.
„Die sind einfach überall“, erzählte der Kölner Jan-Luca lachend, als er für einen Spaziergang durch die Stadt an diversen Fans vorbeikam und das wilde Treiben begeistert beobachtete. Sie sitzen laut grölend in Rikschas, halten Flaggen aus Taxis, die sie zum Stadion bringen und feuern sich gegenseitig an. Die Engländer sind in Köln! Das ist definitiv zu spüren.
Zu spüren war das vor allem in den S-Bahnen auf dem Weg ins Stadion. Am Hauptbahnhof lotsten Bundespolizei, Sicherheitsdienst und Freiwillige die Engländer durch ein enges Treppenspalier auf Gleis 11. Zusammengequetscht warten sie auf den Gleisen auf den Zug Richtung Müngersdorf. In den stickigen Zügen ließen die Fans dann ihre Schadenfreude am Ausscheiden der schottischen Nachbarn, quasi zum Aufwärmen, freien Lauf. „Scotland going home, England takes the piss“ (frei übersetzt: Schottland geht nach Hause, England macht sich lustig), grölten die Fans freudestrahlend und stießen dabei mit den vereinzelten Slowenen im Zug an.
Einer davon ist Natt. „Das Bier, die Menschen, die Stadien: Deutschland ist der perfekte Ort für so ein Turnier. Da merkt man, wie dumm es war, die WM in Katar zu veranstalten“, stellt der Londoner fest. Am Dienstag sei er gemeinsam mit seinen Freunden in Köln angekommen, hat gemeinsam mit Slowenen in der Altstadt getrunken und gefeiert. „Sehr friedlich, so wie es sein soll.“ Auch sonst präsentieren sich die englischen Fans zwar extrem trinkfreudig, aber ebenso friedlich an diesem Abend.
Nur über zwei Dinge ärgern sie sich schon vor dem nächsten erlebnisarmen Unentschieden ihrer Mannschaft: Ihren Trainer Gareth Southgate, der die Mannschaft zu defensiv spielen lasse – und über die deutschen Züge. „Bloody awful“, seien die, sagt Natt. Das, so sagt er ungläubig, könne man selbst in England besser.