Köln – Die „Arbeitsgruppe Silvester“ der Polizei Köln steht vor einer Mammutaufgabe: Warum strömten an Silvester 2016/2017 ungefähr 2000 junge Männer vorwiegend aus arabischen Staaten ausgerechnet nach Köln – ähnlich wie bereits ein Jahr zuvor? Haben sie sich im großen Stil verabredet? Wussten sie, dass sie am Hauptbahnhof dieses Mal von 1500 Polizisten erwartet wurden? Kamen sie trotzdem – oder gerade deshalb?
Bislang gibt es deutschlandweit noch keine Untersuchung zu dem Thema. „Die Antworten können uns bei der Lagebeurteilung für künftige Einsätze hilfreich sein“, sagt Kriminaldirektor Klaus Zimmermann im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Köln war nicht irgendein Ziel
Das erste vorläufige Ergebnis der AG Silvester nach drei Wochen ist durchaus bemerkenswert. Demnach reisten die jungen Männer offenbar nicht nach Köln, weil es schlicht die nächstgelegene Großstadt war, sondern sie wollten gezielt hierhin. Köln werde unter den jungen Männern im arabischen Raum als „einzig wahre Metropole in Mitteleuropa wahrgenommen“, berichtet Carsten Dübbers, Leiter der Führungsstelle der Polizei, Mitglied der AG Silvester und promovierter Soziologe. Köln genieße unter den Männern einen Ruf als Event-Hauptstadt. „Viele haben Köln bei ihrer Ankunft in Deutschland bereits als Drehkreuz kennengelernt, von dem aus sie dann vielfach in Unterkünfte in andere Städte verteilt worden sind“, sagt Dübbers.
Jürgen Mathies vergleicht mit New York
Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies stellt am Abend bei der Diskussionsveranstaltung „frank & frei“ folgenden Vergleich an: „Köln hat für Menschen aus diesen bestimmten Bereichen die gleiche Attraktivität, wie etwa New York sie für uns hat.“Kripo-Chef Stephan Becker hat zuvor schon einen weiteren Grund für die offenbar hohe Anziehungskraft der Stadt genannt: „Köln ist wegen der zentralen Lage in Mitteleuropa und der günstigen Verkehrsanbindungen sehr interessant für diese Gruppe.“ Dass die Stadt bei arabischstämmigen Flüchtlingen und Asylbewerbern derart beliebt ist, hat auch die Polizei überrascht. Die Erkenntnis haben man aus ersten Interviews mit Wissenschaftlern gewonnen.
Polizei verschickt Fragebögen
Bei ihrer Untersuchung arbeitet die Behörde mit verschiedenen Forschungseinrichtungen zusammen, zum Beispiel mit dem Institut für Gewaltforschung in Bielefeld, dem Institut für Migrations- und Integrationsforschung in Berlin und dem Lehrstuhl für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. „Die Wissenschaftler, die wir gefragt haben, sind alle hochinteressiert an dem Projekt.“
Die vielleicht spannendsten Antworten stehen aber noch aus: In dieser Woche verschickt die Polizei Fragebögen an mehrere Hundert Männer, die in der Silvesternacht überprüft wurden. Es sind Multiple-Choice-Fragen unter anderem nach den Gründen, warum sie den Jahreswechsel ausgerechnet in Köln verbringen wollten, ob und wie sie sich mit anderen verabredet haben und welche Kommunikationskanäle sie nutzen. „Wichtig zu wissen ist für uns: Über welche sozialen Plattformen können wir die Menschen erreichen?“, sagt Kripo-Chef Becker. Die Fragebögen werden anonymisiert ausgewertet.