Erstes in NRWNS-Dokzentrum startet Online-Meldesystem für antisemitische Vorfälle
Köln – In einem landesweit einzigartigen Projekt richtet das NS-Dokumentationszentrum im Rahmen seiner Fachstelle „[m²] miteinander mittendrin“ eine neue Meldestelle für antisemitische Vorfälle in Köln ein. Künftig können alle Betroffenen, Angehörigen sowie Zeuginnen und Zeugen von antisemitischen Vorfällen in der Stadt diese über die eigens eingerichtete Webseite www.antisemitismus-melden.koeln darlegen. „Das hat eine Vorbildfunktion nicht nur für RNW, sondern bundesweit“, sagte Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums bei einer Online-Pressekonferenz am Mittwoch.
Dunkelziffer an Übergriffen ist hoch
Historiker Daniel Vymyslicky untersucht die gemeldeten Vorfälle und ermittelt aus den Daten Statistiken über den Antisemitismus in Köln. Zusätzlich recherchiert er auch proaktiv bei Veranstaltungen, bei denen antisemitische Parolen zu befürchten sind, sowie im Internet. „Ich beobachte in Köln seit mehreren Monaten Telegram-Gruppen von Impfgegnern. Hier ist Antisemitismus sehr virulent“, so der Historiker. Wichtig ist ihm, dass nicht nur strafrechtlich relevante Fälle im Meldeportal eingehen können: „Gerade im nicht-strafbaren Bereich gibt es eine hohe Dunkelziffer“, sagt er. Vorfälle, in denen Jüdinnen und Juden für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden sowie antisemitische Mythen, nach denen Jüdinnen und Juden zu viel Einfluss auf Politik und Medien haben, sind nämlich nicht strafrechtlich verfolgbar – für die Betroffenen jedoch eine große Belastung.
Neues Beratungsangebot soll Betroffenen helfen
Daher ist der Ausbau der Fachstelle m² auch mit einem neuen Beratungsangebot für Betroffene verbunden. Psychologin Stella Shcherbatova bietet künftig eine niederschwellige Beratung für all diejenigen an, die Antisemitismus selbst erleben sind oder ihn in ihrem Umfeld beobachten. „Die Betroffenen fühlen sich oft allein gelassen. Hier finden sie einen vertrauensvollen Ort“, so die Psychologin. Vorfälle wie die kürzlich in Kölner Bahnen verteilten, antisemitischen „Corona-Zettel“ und Angriffe auf Kippaträger in der Öffentlichkeit rufen bei vielen Jüdinnen und Juden Wut und Hilflosigkeit hervor. „Empowerment ist daher der wichtigste Bestandteil der Beratung“, sagt Shcherbatova. Die auf Deutsch und Russisch angebotenen Einzel- oder Gruppengespräche sollen die Betroffenen resistenter im Alltag machen.
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Die Angliederung der neuen Stellen an das NS-Dokzentrum und die Fachstelle macht für Dr. Werner Jung Sinn: „Wer erforscht, was passiert ist, will auch dafür sorgen, dass es sich nicht wiederholt.“ Dass die Stadt Köln die neuen Stellen vollumfänglich und unbefristet finanziert, zeigt für den Direktor das große Engagement Kölns gegen Antisemitismus. Der Dreiklang aus Bildung, Beratung und Dokumentation soll in der Fachstelle m² zusammenfließen. Daniel Vymyslicky skizzierte das an einem beispielhaften Fall: „Wenn es in einer Schule zu einem antisemitischen Vorfall kommt, kann dieser über das Meldeportal angegeben werden, der betroffene Schüler kann zu Stella Shcherbatova in die Beratung gehen und anschließend kann in der Klasse Bildungsarbeit durchgeführt werden.“