Köln – Nach dem Fund von Flugblättern mit antisemitischen Parolen in einer Straßenbahn der KVB in Köln und in einer U-Bahn in Berlin, ermittelt der Staatsschutz der Polizei. Die Zettel im DIN-A-6-Format seien bereits Anfang Dezember in einem Zug der Linie 4 im Rechtsrheinischen aufgetaucht, wie erst jetzt bekannt wurde. Das bestätigte ein Sprecher der Kölner Polizei.
Auf dem Flyer, der in einer leeren Bahn auf mehreren Sitzen ausgelegt gewesen sein soll, wird in übelster, judenfeindlicher Rhetorik gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, Außenminister Heiko Maas und den Virologen Christian Drosten gehetzt und ein Bezug zur Corona-Panedmie hergestellt. Der Verfasser und der oder die Verteiler des Zettels seien bislang nicht ermittelt worden, teilte die Polizei mit.
Staatsanwaltschaft prüft Verdacht der Volksverhetzung
Strafrechtliche Probleme bekommen aber nun plötzlich auch ganz andere Personen, nämlich solche, die das Flugblatt via Twitter weiterverbreitet haben – wenn auch in ganz anderer, in lauterer Absicht. Zum Beispiel der Grünen-Politiker Volker Beck und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die am Donnerstag auf Twitter ein Foto des Zettel retweetete. Das Foto hatte ursprünglich ein empörtes Mitglied der jüdischen Gemeinde bei dem Kurznachrichtendienst eingestellt und das Bild auch auf der Twitterseite der Polizei Köln verlinkt - auch gegen diesen Mann müsse als Beschuldigter ermittelt werden, teilte der Polizeisprecher mit.
Gegen jeden, der die Inhalte des Flugblattes verbreite, müsse formal ein Verfahren wegen des Anfangsverdacht einer Straftat eingeleitet werden, erklärt der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn auf Anfrage. So sieht es das Gesetz vor. Denn grundsätzlich gilt: Wer antisemitische Propaganda der Öffentlichkeit zugänglich macht, macht sich unter Umständen der Volksverhetzung schuldig.
Ziel des entsprechenden Paragrafen 130 im Strafgesetzbuch sei es, die Verbreitung hetzerischer Inhalte in der Gesellschaft zu unterbinden. Dabei sei es zunächst einmal ohne Belang, welche Ziele mit der Verbreitung etwa eines hetzerischen Flugblattes verfolgt werden, sagte Willuhn.
Ermittlungen könnten eingestellt werden
Dass die Ermittlungen gegen Beck, Reker und andere letztlich aber auch in eine Anklage münden oder sogar in ein Urteil, ist mehr als fraglich, verfolgten die Verbreiter doch ein ganz anderes Ziel. Reker etwa nennt den Flyer in ihrem Tweet ein „besonders widerwärtiges Beispiel dafür, dass Antisemitismus in den Köpfen einer gefährlichen Minderheit unverändert weiterlebt.“ Wer so denke, habe weder in Köln, „noch sonst in unserer Gesellschaft etwas verloren“.
Volker Beck nennt die Tatsache, dass nun gegen das Mitglied der jüdischen Gemeinde ermittelt werde, das den Flyer bekannt gemacht hatte, „absurd“. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte Beck: "Ich prüfe eine Dienstaufsichtsbeschwerde."