Missbrauchs-Serientäter Priester Ue.Mehrere Anzeigen gegen Kölner Kardinal Woelki
Köln – Mit der Wiederaufnahme seiner Amtsgeschäfte als Erzbischof von Köln droht Kardinal Rainer Woelki Ungemach auch von juristischer Seite. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben verschiedene Personen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Köln gegen Woelki und andere führende Bistumsvertreter wegen ihres Umgangs mit dem Fall des als Missbrauchsserientäter verurteilten Priesters Hans Ue. eingereicht.
Die Anzeigen waren am Dienstag zwar noch nicht bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig. Sprecher Ulrich Bremer kündigte aber an, unabhängig davon werde seine Behörde von Amts wegen prüfen, ob Bistumsvertreter sich im Fall Ue. strafbar gemacht hätten.
Priester Hans Ue. schuldig in 110 Fällen
Grundlage dafür sei die Begründung des Urteils der 2. großen Strafkammer Landgerichts Köln. Es befand Ue. wegen sexuellen Missbrauchs in 110 Fällen, begangen zwischen 1993 und 2018 an neun Minderjährigen, für schuldig und verhängte eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren. Die Verteidigung hat dagegen inzwischen fristgerecht Revision eingelegt, wie Ue.s Anwalt Rüdiger Deckers dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mitteilte.
In seiner Urteilsbegründung ging das Gericht ausführlich auf Versäumnisse der Bistumsleitung bei der Aufklärung von Verdachtsmomenten gegen Ue. und der Kontrolle des Täters ein. Die Verantwortlichen hätten Auffälligkeiten „völlig ignoriert“. Sanktionen seien nicht kontrolliert und Verstöße gegen Auflagen widerspruchslos hingenommen worden. Die Bistumsleitung habe ein Verfahren aus den Jahren 2010/11 einfach „abgehakt“ und Ue. ohne jede Vorsichtsmaßnahme wieder als Seelsorger eingesetzt, in der „irrigen Annahme“, es bestehe keine Gefährdung.
Woelki verhängte kein Kontaktverbot
Eine von Kardinal Woelki per Dekret im April 2019 ausgesprochene Beurlaubung Ue.s vom priesterlichen Dienst war nicht explizit mit einem Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen verbunden.
Nach Aussage des Gerichts setzte Ue.s seine Missbrauchsserie bis 2019 fort. Die Vergehen aus jüngster Zeit waren aber – offenbar aus strafprozessualen Gründen – nicht Teil der Anklage, weil das betroffene Mädchen Ende Januar 2018 die Altersgrenze von 16 Jahren erreichte.
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Die Anzeige-Erstattenden sehen im Verhalten der Bistumsleitung eine vorsätzliche Beihilfe durch Unterlassen oder auch eine fahrlässige Körperverletzung zulasten der Opfer. Die Anzeige betrifft neben Woelki seinen Generalvikar Markus Hofmann und dessen Vorgänger Dominik Schwaderlapp (heute Weihbischof in Köln) und Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg) sowie Domkapitular Günter Assenmacher, den ehemaligen Leiter des Kölner Kirchengerichts.
Die Kölner Strafrechtsprofessorin Frauke Rostalski sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das Urteil lege es nahe, „dass es im Fall Ue. Unterlassungen gab, die vorwerfbar und strafrechtlich relevant sein könnten“.