Angespannt ist die Personalsituation in Kölner Kitas schon lang. Doch auf den chronischen Fachkräftemangel trifft aktuell eine heftige Infektwelle. Das sorgt für Verzweiflung in Familien und viel Konfliktpotenzial.
„Nur noch eine Verwahrung“In vielen Kölner Kitas herrscht Notbetrieb
Montagmorgens ist es am schlimmsten. Für Eltern, aber auch für die Kita-Mitarbeitenden. Mütter und Väter werfen nach dem Aufwachen als Erstes einen Blick in ihre Mails oder die Kindergarten-Whats-App-Gruppe, um dann festzustellen, dass ein Plan B für die Betreuung der Kinder geschmiedet werden muss. Denn in der Kita herrscht Notbetrieb. Wieder einmal. Mal bedeutet das, dass die Betreuungszeiten gekürzt werden, mal müssen Gruppen wegen Personalmangels zusammen gelegt oder einzelne ganz geschlossen werden.
Melanie Berger (Name geändert) leitet eine Kölner Kita in kirchlicher Trägerschaft. Montagmorgens gehe sie schon mit Bauchschmerzen zur Arbeit und frage sich: „Wie wird es heute? Wer meldet sich krank? Wie bekommen wir den Betrieb gestemmt?“ Manchmal höre sie schon draußen das Telefon klingeln. Dann ahnt Berger, dass sie und ihr Team viel zu organisieren haben, bis um 7.30 Uhr die ersten Kinder eintrudeln.
Kölner Kitas: Die Not ist zur Regel geworden
Wer in diesen Tagen mit Eltern und Mitarbeitenden spricht, erfährt: Die Not ist in vielen Kölner Kitas zur Regel geworden. Ein sich seit Jahren zuspitzender Fachkräftemangel trifft auf eine Infektwelle bei Personal und Kindern. Trifft auf Eltern, die nach bald drei Pandemiejahren nicht mehr können, weil ihre Arbeitgeber mittlerweile kein Verständnis mehr für Eltern kranker Kinder haben. Oder für Arbeitnehmer, die nur bedingt arbeitsfähig sind, weil sie sich im Homeoffice nebenher um den Nachwuchs kümmern, deren Kita mal wieder nicht oder nur eingeschränkt geöffnet ist. Macht unterm Strich viel Sprengstoff.
„Es ist ein Desaster“, bringt Sven Arenz (Name geändert) die Situation in der Kita seines Sohnes auf den Punkt. Seit Wochen herrsche regelmäßig Notbetrieb, weil Personal krank ist. Einmal sogar fast zwei Wochen lang. Mal dürfen 15 der rund 40 Kinder kommen, an anderen Tagen 30, je nachdem, wie viele Erzieher fehlen.
Kölner Kitas kürzen die Betreuungszeiten, weil Personal fehlt
„Das Problem: Wer morgens sein Kind zuerst bringt, hat Glück, wer zu spät kommt, muss es wieder mitnehmen“, sagt der Vater. Mittlerweile würden die Eltern sich absprechen, wer dringenden Bedarf hat und wer sein Kind zu Hause betreuen kann. Das erfordere viel Anstrengung - „das Whats-App-Getippe unter den Eltern beginnt oft schon vor dem Frühstück.“
Doch es können nicht nur weniger Kinder kommen, diese müssen zudem nachmittags eine Stunde früher abgeholt werden. Worüber der Familienvater sich besonders ärgert: Alle Extra-Veranstaltungen und Programme für die Vorschulkinder fallen aus. „Es findet also nur eine Verwahrung der Kinder statt. Aber man kann ja froh sein, wenn das Kind überhaupt in die Kita kann.“ Auch in der von Melanie Berger geleiteten Kita finden kaum noch pädagogische Angebote statt. Es fehlt an Kräften, die mit den Kindern turnen oder spezielle Vorschul-Programme durchführen können.
Kölner Eltern bringen ihre Kinder krank in die Kita
„Ohne ausreichend Personal sind wir verpflichtet, das Betreuungsangebot einzuschränken, das ist keine individuelle Ermessenssache“, erklärt Constanze Moths, Geschäftsführerin des Evangelischen Kita-Verbandes Köln-Nord, zu dem 14 Kitas gehören. Es gebe leider keinen „Personalpuffer“, wenn infektbedingt Mitarbeitende ausfallen. „Wer krank ist, hat das Recht, sich auszukurieren und gehört nicht in die Kita, egal ob Groß oder Klein“, sagt Moths und spielt darauf an, dass Eltern regelmäßig kranke Kinder bringen.
Der Druck in den Familien scheint groß zu sein. Regelmäßig stellten Erzieherinnen fest, dass ein Kind Fieber hat. „Manchmal erzählt ein Kind, dass es morgens schon Fieber hatte und die Mama ihm Saft dagegen geben hat“, berichtet Melanie Berger. „Wir arbeiten mit kleinen Kindern, die Nähe suchen und kuscheln. Da stecken sich die Mitarbeitenden natürlich schnell an.“ Aktuell seien Atemwegserkrankungen, Magen-Darm-Infekte, Hand-Mund-Fuß, Corona und Läuse im Umlauf.
Arbeitgeber beschwert sich bei Kölner Kita-Leitung
Sven Arenz ärgert sich sehr darüber, dass viele ihre Kinder „trotz heftigem Husten, fetten Rotznasen und sogar Fieber und Magen-Darm in die Kita bringen. Dann ist es natürlich überhaupt kein Wunder, dass auch die Erzieher erkranken.“
Andererseits stünden die Eltern unter Druck, weil sie nicht ständig von der Arbeit wegbleiben können. In der Kita seines Sohnes hätten sogar schon Arbeitgeber angerufen und sich bei der Leitung beschwert, weil sie so oft auf ihre Angestellten verzichten müssten: „Soll ich in meiner Firma jetzt auch auf Notbetrieb umstellen, oder wie stellen Sie sich das vor?“, hätte der Chef die Kita-Leitung gefragt. „Ich verstehe die Arbeitgeber sogar: Für eine kleine Firma ist das bedeutend, wenn ein Mitarbeiter immer wieder tageweise ausfällt, weil die Kita nicht funktioniert.“