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Glücksspiel statt Klima-AboDemente Kölnerin wird getäuscht – Betreuerin verzweifelt an Polizei

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Eine alte Frau guckt auf ein Festnetz-Telefon.

Eine demente Kölnerin wird ein „Klima-Abo“ aufgeschwatzt. Doch dahinter verbirgt sich etwas ganz anderes. (Symbolbild)

Einer dementen Frau wird ein „Klima-Abo“ aufgeschwatzt. Ihre Betreuerin will die Firma anzeigen. Dann beginnt eine Odyssee durch Kölner Polizeiwachen.

Vor etwas mehr als zwei Jahren, kurz bevor Renate Thom (Name geändert) an Demenz erkrankt, erteilt sie ihrer Freundin Gabi Steinhausen eine Vorsorgevollmacht. Die beiden kennen sich seit 30 Jahren, wohnen im gleichen Haus. „Ich habe nicht lange nachgedacht, sondern sofort unterschrieben“, sagt Steinhausen.

Seitdem kümmert sich Steinhausen um alles, was anfällt und sorgt dafür, dass Thom noch etwas länger in ihrer eigenen Wohnung bleiben kann: Sie telefoniert mit Thoms Krankenkasse, erledigt Einkäufe und organisiert den Pflegedienst. „Es ist ein Full-Time-Job, aber ich mache das gerne“, sagt Steinhausen. Als sie Mitte November die Kontoauszüge ihrer Freundin kontrolliert, wird sie stutzig: „Klima Abonnement“ steht da, abgebucht am 15. Oktober von der „B.C.M Media Adress“, Kosten: 67 Euro, die ab November monatlich abgebucht werden.

Aus Klima-Abo wird Glücksspiel

Das Unternehmen mit Sitz in Berlin bezeichnet sich auf seiner Website als „Partner für effektives Telefonmarketing“. Man biete den Kunden „erstklassige Dienste im Bereich Telesales“, heißt es dort. Auch ein Klimaschutz-Abo wird angeboten. Damit wolle man „Aufforstungsprojekte“ unterstützen, heißt es auf der Webseite des Unternehmens.

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Steinhausen ruft dort an, fragt nach, was es mit dem vermeintlichen Klima-Abonnement auf sich hat. „Dort sagte man mir, dass meine Nachbarin an einem Glücksspiel teilnehmen würde. Und dass die Kündigungsfrist abgelaufen wäre.“ Von einem Klima-Abonnement war plötzlich keine Rede mehr. Für Steinhausen ist der Fall klar: „Offensichtlich wird da versucht, Glücksspielkunden zu angeln, indem man sie nach ihrer Konto-Nummer fragt.“ Auf eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die „B.C.M Media Adress“ nicht reagiert.

Steinhausen weist die Bank an, die Zahlung zurückzufordern. Noch am Telefon kündigt sie der „B.C.M. Media Adress“ außerdem an, Anzeige zu erstatten. Doch dann beginnt für Steinhausen eine Odyssee durch die Kölner Polizeiwachen. Zuerst ruft sie bei der Wache in Ehrenfeld an. „Nach einem längeren Telefonat stimmte man mir zu und riet mir, Anzeige zu erstatten. Allerdings erklärte man mir dort, dass ich mit viel Wartezeit rechnen müsse, bis ich dran wäre.“ Die Zeit hatte Steinhausen nicht, deswegen fährt sie zur Polizeiwache in Weiden. „Dort erklärte mir die Polizistin, dass sie alleine sei und der momentan zu behandelnde Fall noch zwei Stunden in Anspruch nehmen würde.“ Steinhausen solle nach 21 Uhr wiederkommen.

Kölner Polizei will Fall intern aufarbeiten

Da sie an diesem Abend keine Zeit hat, kommt sie am nächsten Tag wieder. Endlich hat eine Polizistin Zeit, sich um sie zu kümmern. Doch nach kurzer Beratung sagt ihr die Beamtin, dass sie keine Anzeige aufnehmen könne, da kein strafrechtlicher Tatbestand gegeben sei. Unverrichteter Dinge fährt Steinhausen wieder nach Hause. „Ich war wirklich fassungslos. Kein Wunder, dass die Masche Telefonbetrug gerade bei Senioren so zugenommen hat“, sagt Steinhausen.

Die Polizei räumt ein, dass der Kontakt zwischen Gabi Steinhausen und der Polizei alles andere als optimal verlaufen ist: „Uns ist der persönliche Kontakt zur Polizei auf den jeweiligen Wachen und ‚auf der Straße‘ sehr wichtig. Deswegen bereiten wir den Sachverhalt intern nach“, sichert eine Sprecherin zu.

Zu dem Fall sagt sie aber auch: „Bei dem dargestellten Sachverhalt ist es sehr fraglich, ob es sich um einen Betrug handelt.“ Eher scheine es sich um eine – vielleicht verbotene, aber strafrechtlich nicht relevante – Marketingmaßnahme zu handeln. „Hiervon dürfte auch die Beamtin der Polizeiwache ausgegangen sein“, so die Sprecherin weiter. Die strafrechtliche Einordnung sei kompliziert: In der Regel handele es sich bei ähnlichen Fällen um Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. „Verfolgungsbehörde ist die Bundesnetzagentur“, so die Sprecherin. Trotzdem werden immer wieder auch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Betrug eingeleitet. Daraus lasse sich aber nicht allgemeingültig ableiten, dass es sich auch um Straftaten handele. „Die Entscheidung hierüber liegt immer bei der Staatsanwaltschaft, beziehungsweise den Gerichten.“ Die „B.C.M Media-Adress“ ist bisher nicht bei der Polizei bekannt.

Im vergangenen Jahr hat die Bundesnetzagentur wegen unerlaubter Telefonwerbung 1,435 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt, 2022 waren es noch 1,15 Millionen Euro. Zwar hat sich die Zahl der Beschwerden auf rund 35.000 deutlich verringert (2022 waren es rund 65.000), gleichzeitig stieg die Zahl der extremen Fälle unerlaubter Telefonwerbung, in denen Unternehmen vorsätzlich die gesetzlichen Vorgaben ignorierten, heißt es von der Regulierungsbehörde.

Wie schon im Vorjahr betrafen die meisten Beschwerdeeingänge das Thema Energieversorgung, zu dem im Jahr 2023 rund 5600 Beschwerden eingingen. Dahinter folgen Beschwerden zu den Themen Gewinnspiel und Bauprodukte mit etwa 5400 beziehungsweise 5300 Beschwerdeeingängen.

Kölnerin schon zum dritten Mal Opfer von Telefonbetrug

Die Polizei rät, unter keinen Umständen die Kontonummer am Telefon zu verraten und bei solchen Anrufen am besten sofort aufzulegen. Wer unerlaubte Werbeanrufe erhält, solle sich auch an die Verbraucherzentrale wenden. Die Sprecherin mahnt außerdem an: „Abgeschlossene Verträge sind gültig! Wenn Sie eine Auftragsbestätigung erhalten, obwohl Sie lediglich der Zusendung von Informationsmaterial zugestimmt haben, widerrufen Sie umgehend, und zwar schriftlich, am besten per Einschreiben.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Thom mit fragwürdigen Telefon-Maschen konfrontiert worden ist. Wenige Monate zuvor schwatzte ihr ein Unternehmen aus der Schweiz am Telefon ein Zeitungsabo auf. Ein anderes Mal versuchte ein Betrüger Thom am Telefon davon zu überzeugen, dass er Polizist sei und ihm Geld als Kaution für ihren angeblich verhafteten Bruder überweisen muss – zum Glück vergeblich.

Dass Thom mit ihrer Krankheit ein besonders leichtes Opfer für solche Betrüger ist, das ist auch Steinhausen klar: „Aber das Telefon abmelden geht auch nicht. Das ist doch ihr letztes Mittel, um Kontakt zur Außenwelt zu halten.“