Das Land hat die Förderung von Kinderwunschbehandlungen gestrichen. Kölner Kliniken schlagen Alarm, für Betroffene steigt die Belastung.
Land streicht MittelKölner Paar hat „extrem belastenden“ Kinderwunsch – doch die Förderung ist weg
Eva E. wundert sich. Sie ist schwanger. Damit, dass es doch noch klappt, hat die 29-Jährige nicht mehr gerechnet. Zu lange hat sie gewartet, zu viele Enttäuschungen erlebt. Und dann doch. Die künstliche Befruchtung ist im März dieses Jahres erfolgreich.
Mit vollem Namen in der Zeitung stehen wollen Eva E. und ihr Partner Mario E. nicht. Das Thema ist ihnen zu intim. Aber es ist längst politisch. So wie ihnen geht es vielen Menschen: Laut Bundesfamilienministerium ist fast jedes zehnte Paar in Deutschland ungewollt kinderlos. Für viele von ihnen ist die künstliche Befruchtung ein Ausweg. Doch sie ist teuer.
„Unsere Hochzeit war ein bürokratischer Akt“
Um Unterstützung durch das Land und die Krankenkassen zu bekommen, hatte das Paar Ende des vergangenen Jahres sogar geheiratet. Die Eheschließung war eine der Bedingungen, um den Antrag beim Land NRW stellen zu können. Als eines von zwölf Bundesländern finanzierte es jahrelang einen Teil der Kinderwunschbehandlungen.
Eva E. sagt: „Wir wollten eh eines Tages heiraten, so war es aber nicht gerade romantisch.“ Die Hochzeit war für sie laut eigener Aussage ein bürokratischer Akt. Einer, der umsonst war – zumindest in Bezug auf die Förderung vom Land.
Denn kurz darauf konnten Paare plötzlich keine Anträge mehr stellen. Erst im September dieses Jahres erfuhren Eva und Mario E. den Grund dafür. Laut NRW-Familienministerium sind daran die Kürzungen auf Bundesebene schuld. Der Bund hatte sich bis dahin die Kosten mit dem Land für Kinderwunschförderungen geteilt.
„Wir sind uns bewusst, dass diese Entscheidung viele Paare enttäuschen wird“, heißt es in einer Mitteilung. Das Land bewilligte von 2019 bis 2023 nach Angaben des Ministeriums circa 27.000 Anträge – dafür gab es insgesamt etwa 13,2 Millionen Euro aus.
Kölner Gynäkologe: „Fatales Signal“
„Die Streichung der Unterstützung ist ein fatales Signal“, findet Markus Merzenich, Leiter des Bereichs Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Uniklinik Köln. „Wir sollten Menschen unterstützen, die bereit sind, Kinder in diese Welt zu setzen.“
Laut Merzenich kostet eine künstliche Befruchtung durch die In-vitro-Fertilisation (IVF) in Deutschland durchschnittlich etwa 3500 Euro. Die intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) kann doppelt so teuer sein.
Die Hälfte der Behandlungen übernehmen die Kassen, die andere Hälfte teilten sich bis zum Ende des vergangenen Jahres die Patientin und das Land. Seitdem damit Schluss ist, verdoppeln sich die Kosten für Betroffene, deren Antrag erfolgreich gewesen wäre, von 25 auf 50 Prozent.
Fünf Prozent der Geburten durch künstliche Befruchtung
Merzenich ist angesichts dieser Entwicklung besorgt: „Wir haben einen Rückgang der Geburten. Diese Tendenz kann durch Streichung finanzieller Mittel verstärkt werden.“ Die Zahl der Neugeborenen in NRW ist von 2022 auf 2023 um 5,5 Prozent auf 155.515 gesunken. In Köln war der Rückgang noch größer: Dort sind im gleichen Zeitraum 7,3 Prozent weniger Babys geboren worden, insgesamt 9099.
Dabei kommen fünf Prozent der Neugeborenen durch künstliche Befruchtung zur Welt, runtergerechnet auf Köln wären das etwa 500 Kinder pro Jahr. Laut Merzenich könnten das deutlich mehr sein. „Viele Paare mit Kinderwunsch kommen in die Beratung und sagen: Wir haben das Geld nicht.“
Wer es sich leisten kann, zahlt selbst. Eva und Mario E. haben sogar 4500 Euro Eigenanteil für die Erfüllung ihres Kinderwunsches ausgegeben. Darin enthalten: Ein Versuch für die künstliche Befruchtung mit der ICSI-Methode. Auch Medikamente gehören dazu, das Paar wollte nach eigener Aussage die qualitativ hochwertigste Behandlung.
Eva und Mario E. haben gut bezahlte Jobs, verdienen nach eigener Aussage mehr als der Durchschnitt. Allzu viele Behandlungen hätten sie sich trotzdem nicht leisten können. „20.000 Euro hätten wir wohl zusammenbekommen. Dass es damit klappt, hätten wir gar nicht erwartet.“
Kölner Paar verzweifelte
Das Paar wusste schon seit mehreren Jahren, dass Eva E. nicht einfach so schwanger werden könne. In Abstimmung mit der Frauenärztin wandte es sich an eine Kinderwunschklinik. Zuerst wurde dort eine Therapie durch Hormonspritzen begonnen. Als diese nicht anschlug, versuchte es das Paar mit künstlicher Befruchtung. Mit Erfolg, im März dieses Jahres wurde Eva E. schwanger.
Davor sei der Druck mit jedem Monat gestiegen: „Teilweise war es so, dass wir umschalten mussten, wenn wir im Fernsehen eine Schwangere gesehen haben.“ Auch Sprüche mussten sie sich anhören. „Als wir geheiratet haben, tippte jemand auf Evas Bauch und sagte: Dann kann's ja jetzt losgehen. Das ist keine tolle Situation.“
Dass Eva E. jetzt schwanger ist, macht beide glücklich. Dennoch ist etwas hängen geblieben, sagen sie: „Für andere ist das wahrscheinlich nicht vorstellbar. Aber die Situation, in der man nicht weiß, ob es mit dem Kinderkriegen klappt, ist emotional extrem belastend.“