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Frank Überall im Interview„Kölner tragen den Klüngel wie eine Monstranz vor sich her“

Lesezeit 3 Minuten
Frank Überall DJV

Frank Überall promovierte über den „Klüngel in der politischen Kultur Kölns“.

  1. Frank Überall wurde 1971 in Leverkusen geboren und lebt in Köln. Er promovierte über den „Klüngel in der politischen Kultur Kölns“ und ist Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes.
  2. Im großen Interview spricht Überall über die Kölsche Form des Klüngels und wie sie sich von anderen unterscheidet.
  3. Außerdem nennt Überall drei Stufen des Klüngels – angeordnet als Pyramide. Nur in der Spitze gebe einige, die illegitim und illegal handeln.

Köln – Die Republik lacht mal wieder über Köln. Der am Mittwoch ausgestrahlte Fernsehfilm „Der König von Köln“ befasst sich mit den Auswüchsen des kölschen Man-hilft-sich. Was ist dran am Klischee? Frank Überall gibt im Interview einige Antworten. Er ist Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, lebt in Köln und promovierte über den „Klüngel in der politischen Kultur Kölns“.

Herr Überall, wieso wird Köln eigentlich mit Klüngel gleichgesetzt?

Die Kölner tragen das natürlich wie eine Monstranz vor sich her. Dabei gibt es ein großes Spektrum von Klüngel, angefangen bei der Nachbarschaftshilfe. Das ist aber vielen nicht bewusst, so dass sie direkt an eine bösartige Form des Klüngelns denken: An gegenseitige Hilfe, die aber jemand anderen schädigt.

Ist das denn für Köln spezifisch?

Nein, das gibt es woanders auch, als Spezlwirtschaft, als Amigo-Wirtschaft, und auch über Deutschland hinaus: In China nennt man es das Guanxi-Prinzip, und im arabischen Raum haben Sie kaum eine Möglichkeit, an jemanden aus der Elite heranzukommen, wenn Sie nicht irgendjemanden als Zuträger haben, der Sie empfiehlt. Aber in Köln geht man besonders offen damit um.

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Und das führen Sie auf die Geschichte zurück? Man schämt sich nicht, man ist sogar stolz aufs Klüngeln.

Das ist sicher auf den intensiven wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zurückzuführen, der Köln ja auch liebenswert und lebenswert macht. Ich war gerade in Thüringen unterwegs, und dort herrscht ein Köln-Bild vor, das von Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und eben auch der „Drink-doch-eene-mit“-Mentalität geprägt ist. Das kennt man in vielen anderen Gegenden Deutschlands nicht. Diese Offenheit macht Köln aus.

Wie definieren Sie Klüngel?

Es lassen sich drei Stufen unterscheiden. Die erste, die situative Kooperation, ist extrem unverbindlich: Nur weil Sie abends ein Kölsch ausgegeben bekommen, haben Sie noch keinen Freund fürs Leben gefunden. Auf der zweiten Stufe kann das Ganze zum Netzwerk werden. Ein Netzwerk ist transparent, nach außen hin sichtbar und damit unproblematisch. Dann kommt die dritte Stufe – ich habe dieses Modell als Pyramide bezeichnet –, da geht es in die Spitze. Dort gibt es einige wenige, die ihre Netzwerke missbrauchen, die sie intransparent machen, die illegitim oder vielleicht auch illegal handeln, und an diesem Punkt sind wir im Bereich der Korruption.

Wenn es also gut läuft, ist Klüngel eine außerordentlich moderne Angelegenheit, denn von jedem wird heute verlangt, dass er netzwerkt.

Ja, das ist zwar historisch hergeleitet, aber wie damals in der Handelsmetropole Köln ist es auch heute modern zu netzwerken. Das Problem in der bundesweiten Wahrnehmung ist, dass man Korruption und Klüngel gleichsetzt und damit nicht versteht, was tatsächlich in dieser Stadt passiert.

Welche Rolle spielt der Karneval?

Dadurch, dass der Karneval in Köln so intensiv gelebt wird und auf Vereinsebene so durchorganisiert ist, spielt er eine besondere Rolle. In Neuss sind es die Schützen, in Thüringen die Grill-Vereine, und in Köln ist der herausragende soziale Kontaktkreis der Karneval. Das geht so weit, dass ein Karnevalsverein sein Mitgliederverzeichnis Klüngelbuch genannt hat. Das macht man heute nicht mehr, es hat sich ja auch in der Wahrnehmung von Korruptionsgefahren einiges geändert, aber natürlich gibt es auch heute noch sämtliche Stufen der eben erwähnten Pyramide.

Trägt aber nicht gerade der Karneval dazu bei, dass man im Rest der Republik Köln belächelt?

Wir nutzen ja tatsächlich jede Gelegenheit, karnevalsähnlich zu feiern. Im Sommer ist auf Schulfesten das Wichtigste der Kölsch-Pavillon – absurd! Das wäre in keiner anderen Stadt so denkbar, vielleicht noch in einigen Teilen Bayerns. Wie hart die Kölner wirklich arbeiten, oft mit einem Lächeln im Gesicht, wird darüber aber oft ausgeblendet. Das nennt man Klischee.