AboAbonnieren

„Ganz massive Probleme”Stadt Köln steuert auf Notstand bei Seniorenwohnungen zu

Lesezeit 4 Minuten
Senioren 140621

An der Wahl zur Kölner Seniorenvertretung gab es Kritik (Symbolbild). 

Köln – Zu wenige Pflegeplätze, zu wenig Wohnungen für Senioren. Die Stadt steuert auf einen Notstand beim Wohnraum für ältere Menschen zu. „Wir werden ganz massive Probleme bekommen“, sagt Carsten Brinkmann, Aufsichtsrat von Terranus, einer Kölner Immobilien- und Betriebsberatungsfirma im Gesundheitswesen. Laut einer Studie von Terranus fehlen in Köln bis zum Jahr 2040 insgesamt 5000 Pflegeplätze und mehr als 30.000 barrierefreie Wohnungen für ältere Menschen.

Dass sich in Köln der demografische Wandel immer stärker bemerkbar macht, hat jüngst auch Dietrich Engels, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), im Sozialausschuss ausgeführt. Im kommunalen Bericht zur Pflegeplanung, der vom Institut erarbeitet wurde, heißt es, dass bis 2040 die Zahl der Über-80-Jährigen um 27 Prozent auf 75.000 ansteige, die Zahl der der Menschen, die älter als 60 und 70 Jahre alt sind um zwölf beziehungsweise 32 Prozent. Auch die Zahl der Pflegebedürftigen soll um 21 Prozent auf 58.900 steigen, etwa 40 Prozent davon werden als dement eingestuft. „Das Angebot ist jetzt schon völlig unzureichend. In den kommenden 20 Jahren müssen 40 bis 50 Pflegeheime errichtet werden“, bilanzierte Engels. Den Fehlbedarf der Pflegeplätze im stationären Bereich beziffert der Bericht für das Jahr 2040 auf knapp 2000.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ganz ähnlich schätzt Terranus-Experte Brinkmann die Lage ein. Je weniger Pflegeplätze vorhanden seien, desto mehr Seniorenwohnungen seien erforderlich. Derzeit seien aber weniger als zehn Prozent der Wohnungen barrierefrei und damit seniorengerecht. Zudem lebten momentan viele ältere Menschen in vergleichsweise großen Wohnungen. „Im Alter werden diese großen Wohnungen den Senioren aber zur Last“, so Brinkmann. In der Gunst der Senioren stünden vor allem Zwei-Zimmer-Wohnungen, von denen es aber zu wenige gebe. Hinzu kommt: Viele könnten sich einen Umzug auch gar nicht nicht leisten, weil 60 Prozent der Rentner über ein Einkommen von weniger als 1500 Euro verfügten. Mieten von 15 Euro pro Quadratmeter seien für sie nicht bezahlbar.

Senioren bevorzugen Wohnraum in Citylage

Der Stadt scheint das Problem langsam bewusst zu werden. Notwendig sei es aus seiner Sicht, besonders in Stadtteillagen mit guter Anbindung Wohnraum für Senioren zu schaffen, etwa in der Parkstadt Süd oder im Deutzer Hafen. Denn Senioren seien im Alter weniger mobil und benötigten eine Infrastruktur der kurzen Wege. „Dass Senioren nach Kreuzfeld ziehen, ist ziemlich unwahrscheinlich.“

Und Hilfe von privaten Investoren werde es nicht ausreichend geben: Denn Pflegeheime und altersgerechte Wohnungen seien bei den massiv gestiegenen Grundstückspreisen mit anderen Immobilien-Klassen nicht konkurrenzfähig: „Wenn Flächen zur Verfügung stehen, wird dort gebaut, was sich am besten rechnet, und zu Höchstpreisen verkauft oder vermietet werden kann“, so Brinkmann. Bisher setze die Stadt vor allem auf den geförderten Wohnungsbau. „Dies wird sich die Stadt aber auf Dauer nicht leisten können, wenn es weniger Erwerbstätige gibt und das Steueraufkommen sinkt. Hinzu kommt: Viele Senioren und Senioreninnen wollen aus Stolz keinen Wohnberechtigungsschein in Anspruch nehmen.“

„Dramatische Lage”

Brinkmann plädiert nun dafür, im Rahmen des kooperativen Baulandmodells, mit dem bei Bauprojekten 30 Prozent günstige Wohnungen ausgewiesen werden können, auch Wohnraum für Senioren festzulegen. Zudem müssten bezahlbare Seniorenwohnungen in der Bauleitplanung bedacht und Grundstücke von der Stadt zurückgekauft werden. Letzteres geschehe in Städten wie Ulm und Tübingen. „Das klingt teuer, ist aber langfristig günstiger als die teure Wohnraumförderung über 40 Jahre und mehr.“

Angesichts der Probleme, die auf die Kommune zukommen könnten, scheint die Stadt nicht ausreichend gerüstet. Im Rahmen des kooperativen Baulandmodells könnten seniorengerechte Wohnungen nicht ausgewiesen werden, teilte die Kommune mit. Grundsätzlich können im Rahmen der Bauleitplanung Seniorenwohnen oder betreutes Wohnen festgesetzt werden. Ob dies aber auch für Projekte wie der Parkstadt Süd oder dem Deutzer Hafen geschehe, könne derzeit noch nicht beurteilt werden.

Gegensteuern will man beim Wohnungsamt, wo Anfang 2020 zwei Stellen zur Entwicklung von besonderen Wohnformen, insbesondere im Alter, mit Unterstützungsbedarf oder Behinderung, eingerichtet worden seien. Aufgabe dieses Bereiches sei auch die Beratung von Menschen, die auf der Suche nach innovativen Ansätzen für bezahlbare neue Wohnkonzepte und für ein urbanes und nachhaltiges Wohnen in Köln sind. In der Vergangenheit habe das Wohnungsamt fünf Pilotprojekte im Bereich „Mehrgenerationenwohnen“ in Zusammenarbeit mit der GAG realisiert. Zudem fördere das Amt die Beratungsstellen beziehungsweise die Projekte „Neues Wohnen im Alter“, „Wohn-Mobil“ und „Wohnen für Hilfe“, mit dem Ziel der Wohnraumerhaltung und Wohnraumschaffung insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit Unterstützungsbedarf oder Behinderung.