Tausende Heimplätze fehlen bis 2040Köln droht bald ein Pflegenotstand
Köln – Zu wenig Pflegeheime, zu wenig Fachkräfte und eine immer älter werdende Kölner Bevölkerung: Die Stadt steuert derzeit auf eine dramatische Situation bei der Betreuung von älteren Menschen zu, wie aus dem zweiten kommunalen Bericht zur Pflegeplanung hervorgeht. „Wir sehen jetzt schon eine prekäre Lage und sie wird künftig noch schwieriger“, erläuterte Dietrich Engels, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), der den Bericht im Sozialausschuss vorgestellte. „Das Angebot ist jetzt schon völlig unzureichend. In den kommenden 20 Jahren müssen 40 bis 50 Pflegeheime errichtet werden.“
Im Bericht berechnet das Institut, wie schnell die Kölner Bevölkerung altert. Waren im Jahr 2010 insgesamt 45.000 Menschen über 80 Jahre alt, stieg die Zahl 2019 um 31 Prozent auf 59.000. Für 2040 wird mit einem Anstieg um weitere 27 Prozent auf 75.000 gerechnet. Auch der Anteil der Menschen, die älter als 60 und 70 Jahre sind, erhöht sich um zwölf beziehungsweise 32 Prozent. Insgesamt werden im Jahr 2040 306.000 Menschen über 60 Jahren in der Stadt leben. Auch die Zahl der Pflegebedürftigen soll von derzeit 48.800 um 21 Prozent auf 58.900 steigen, etwa 40 Prozent davon werden als dement eingestuft.
Köln wird immer älter
Dem demografischen Wandel scheint das Betreuungsangebot für ältere Menschen nicht gewachsen. Zwar gibt es derzeit 94 Seniorenheime (7787 Plätze, davon 478 in der Kurzzeitpflege), 156 ambulante Pflegedienste mit 4100 Mitarbeitenden, 22 Tagespflegeinrichtungen (332 Plätze) und 50 Häuser und Wohnanlagen mit 4200 Servicewohnungen. Doch der Fehlbedarf ist enorm. Laut ISG liegt das Angebot in Köln bei Heimen, Tages- und Kurzzeitpflege sowie ambulanten Diensten unter dem Durchschnitt des Landes NRW und des Bundes. Würde der derzeitige Standard aufrechterhalten, fehlten 1957 Plätze in Heimen, 147 Plätze in der Kurzzeitpflege und 89 Plätze in der Tagespflege. Zudem müssten 1097 neue Mitarbeitende für ambulante Dienste gewonnen werden. Will die Stadt die Betreuung dem Landesdurchschnitt anpassen, bleibe für die Kommune noch mehr zu tun. Dann müssen bis 2040 in Köln 4655 Plätze in Heimen, 579 Plätze in der Kurzzeitpflege und 646 Plätze in der Tagespflege geschaffen werden. 1545 Menschen müssten zusätzlich in der ambulanten Pflege angestellt werden. Schlimmer noch: Schon bis 2025 tut sich ein Fehlbedarf, je nach Rechnung, von 600 bis 2900 Pflegeplätzen in den Heimen auf.
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Eine Herkulesaufgabe für die Stadt. „Der Weg wird mühsam sein“, räumte Sozialdezernent Harald Rau ein. Seiner Meinung nach könne die Zukunft der Pflege nicht über einen massiven Ausbau von Pflegeheimen gemeistert werden. „Diese einfache Lösung wird es nicht geben.“ Stattdessen müssten eine Vielzahl von Pflegeformen gestärkt werden. Ähnlich sieht das die Leiterin des Sozialamts, Katja Robinson. „Wir müssen alle gemeinsam handeln. Nur so können wir die dramatische Lage abwenden.“ Robinson plädierte dafür, den ambulanten Bereich auszubauen, es müsse mehr Plätze in der Kurzzeit- und Tagespflege geben, um die pflegenden Angehörigen zu entlasten. „Sonst brechen die Familien weg und es gibt noch mehr Probleme.“
Fachkräftemangel in der Pflege
Als „Riesenproblem“ sieht sie den Fachkräftemangel in der Pflege und forderte unter anderem, mehr Pflegende aus dem Ausland anzuwerben.ISG-Experte Engels schlug vor, Bezahlung und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, die Ausbildung auszuweiten, Pflegehelfer mit viel Erfahrung als Fachkräfte anzuerkennen und die Fachkräftequote vorübergehend zu senken. Ulrike Volland-Dörmann (Awo) glaubt, dass das Pflegeproblem sehr schnell auf die Stadt zukommen wird. „Wenn nichts passiert, haben wir in fünf Jahren ein ähnliches Problem wie es die Stadt mit den Schulen hat.“ In allen Bereiche der Pflege gebe es einen großen Bedarf, insbesondere bei den Pflegeheimen. Die Stadt müsse nun Grundstücke ausweisen, damit gebaut werden kann.
Auch die Sozialpolitiker äußerten sich zur Lage: Michael Paetzold (SPD) sieht derzeit schon einen Mangel insbesondere in der ambulanten Pflege. „Es fällt mir schwer, Patienten in ambulante Pflegedienste zu bekommen“, sagte Paetzold, der auch Arzt ist. Marion Heuser (Grüne) forderte, den Fokus auch auf die „kultursensible“ Pflege zu legen, denn auch die erste Generation der Einwanderer müsse zunehmend pflegerisch betreut werden. Jennifer Glashagen (Volt) warb für mehr Unterstützung für Pflegende, etwa bei der Betreuung der eigenen Kinder.