Gefangen im ParadiesKölner Paar kann nicht aus Kolumbien ausreisen
- Die beiden Kölner Alina Gessel und Giuseppe Di Stefano können nicht aus Kolumbien ausreisen.
- „Wir haben wirklich die A...karte gezogen“, sagt Di Stefano am Telefon.
- Allmählich werde die Situation zudem bedrohlich – denn viele Einwohner reagierten ängstlich, manche auch feindselig auf das Paar aus Europa, das angeblich das Coronavirus ins Dorf gebracht habe.
- So jedenfalls erzählen es sich die Leute im Ort. Ein Erfahrungsbericht.
Köln – Wer nach Reiseberichten aus Sapzurro googelt, kriegt schnell Fernweh. Ein Winziges Fischerdorf im Norden Kolumbiens an der Grenze zu Panama, geschmiegt an eine windgeschützte Bucht. Freundliche Menschen, eine Hand voll Restaurants, bunte Wohnhäuser, mit Blumen gesäumte Wege. Sandstrände, Palmen, Fischerboote im flachen, kristallklaren Wasser. Karibische Idylle pur.
Doch für die beiden Kölner Giuseppe Di Stefano (32) und seine Freundin Alina Gessel (33) ist dieses Paradies inzwischen zum Gefängnis geworden. „Wir haben wirklich die A...karte gezogen“, sagt Di Stefano am Telefon. Allmählich werde die Situation zudem bedrohlich – denn viele Einwohner reagierten ängstlich, manche auch feindselig auf das Paar aus Europa. Da komme doch dieses Coronavirus her, vor dem sich alle fürchten, auch weil es im Ort selbst keine medizinische Versorgung gibt.
Vor drei Wochen war Corona-Lage nicht absehbar
Vor mehr als drei Wochen sind Gessel und Di Stefano zu ihrem Urlaub nach Südamerika aufgebrochen. Die dramatischen Entwicklungen weltweit seien damals für sie nicht absehbar gewesen. Reisewarnungen gab es noch nicht. Am 7. März landeten sie in Kolumbiens Hauptstadt Bogota, danach ging es mit einem Inlandsflug und einer Bootspassage weiter.
Sapzurro ist nur übers Meer zu erreichen. Es gibt keine Straßenverbindung, das Hinterland ist Dschungel. Seit fast zwei Wochen hängen die beiden Kölner nun in Sapzurro fest. Sie seien die einzigen Touristen in dem 400-Einwohner-Ort, berichtet Di Stefano. Wegen der Corona-Krise gilt in Kolumbien vorerst bis zum 13. April eine landesweite Ausgangssperre.
Gleich am Tag nach ihrer Ankunft in Sapzurro sei die Fährverbindung und danach auch der Flugverkehr eingestellt worden. Der letzte Flieger nach Medellin, eine Propellermaschine für 15 Passagiere, war bereits ausgebucht, „weil alle wegwollten, die irgendwie noch Gelegenheit hatten“.
Das Paar wohnt in einem kleinen Gästehaus. Die beiden schlafen oben, unten die Vermieterin. Verlassen dürfen sie ihre Unterkunft streng genommen gar nicht. Am Samstag allerdings brachen sie die Ausgangssperre: Alina Gessel hatte Geburtstag. Die beiden sahen Einheimische am Strand, die im Atlantik badeten. „Also gingen wir auch hin“, sagt Di Stefano.
Doch sechs Soldaten hätten sie nicht aus den Augen gelassen, drei Polizisten machten Fotos von ihnen und schickten das Paar schließlich zurück in die Unterkunft. Dort sitzen die zwei nun wieder fest. „Unsere täglichen Highlights sind das Frühstück und das Abendessen“, sagt Di Stefano. „Wir sitzen in der Falle. Wir sehen das Meer, wir hören es, wir riechen es – aber wir kommen nicht hin.“
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Auch an Geld kommen die Kölner nicht heran. Ihr Vorrat an Pesos ist erschöpft, der einzige Geldautomat in einem Hostel im Nachbarort sei nicht mehr zugänglich, Auslandsüberweisungen funktionieren nicht. „Sie müssen sich das hier wie eine Insel vorstellen, die hundert Jahre hinter unserer Zeit ist.“ Vom letzten Bargeld hat das Paar Reis, Pasta, Linsen und Haferflocken gekauft. „Das muss erst mal bis zum 13. April reichen“, sagt Di Stefano. Trinkwasser nehmen sie aus der Leitung. Die Vermieterin habe ihre Notsituation zwar begriffen, schildert der 32-Jährige, der in Köln als Niederlassungsleiter 20 Mitarbeiter betreut, Alina Gessel arbeitet als Hebamme. Die Vermieterin werde sie schon noch ein paar Tage behalten, glauben die beiden. „Aber sie drängt immer, wie es denn nun weitergeht.“
Sondergenehmigung für Bootstransfer – Botschaft eingeschaltet
Doch das wissen sie selber nicht. Zwar habe er eine Sondergenehmigung für einen Bootstransfer in den nächsten größeren Ort erhalten, sagt Di Stefano. Sie würden den Trip bezahlen, auch wenn der Preis inzwischen bei umgerechnet 420 Euro liege statt der sonst üblichen 20 Euro. Aber nutzen würde auch das nichts, davon ist der 32-Jährige überzeugt. „Wenn wir in Necocli ankämen, kämen wir von dort auch nicht ohne Hilfe weiter. Wir fürchten, dass man uns sofort in Quarantäne nimmt oder uns mit noch größerer Feindseligkeit begegnet.“ Die deutsche Konsulin schrieb ihnen in einer Mail: „Sehr geehrte Dame und Herr, wir haben keine Möglichkeit, Sie in Necocli abzuholen. Sie sind auf sich gestellt, nach Bogota weiter zu kommen. Tut mir leid.“
Aber, so fragen sich Di Stefano und Gessel, „wie sollen wir das denn allein schaffen?“ Sich auf dem Landweg nach Bogota durchzuschlagen, sei ohne Polizeischutz oder einen genehmigten Bustransfer viel zu gefährlich. Auf Unterstützung im Ort kann das Paar wohl auch nicht zählen. Die Einwohner meiden sie, erzählt Di Stefano. „Die Leute beschweren sich über uns, weil sie nicht wissen, wer wir sind und was wir eigentlich hier machen. Eine Einheimische, die sie fotografiert hatte, postete das Foto in eine Whatsapp-Gruppe für das ganze Dorf. „Damit sind wir wie auf der Dartscheibe.“
Und das, obwohl der Bürgermeister persönlich per Lautsprecherdurchsage klargestellt habe, dass die beiden Deutschen nicht infiziert seien. „Aber daraufhin wurde er gleich von einer Frau beschimpft, warum er sich auf die Seite der Gringos stelle“, sagt Di Stefano. Ihre einzige Hoffnung, der Situation zu entkommen, sagt Di Stefano, seien das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft. „Aus eigener Kraft“, ist der Kölner überzeugt, „kommen wir hier sicher nicht weg.“