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Stresstest für BeziehungenExperte erklärt, wie Paare die Coronakrise bewältigen

Lesezeit 5 Minuten
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Paarberater Christian Thiel erklärt, wie Paare die Coronakrise bewältigen können.

  1. Paarberater Christian Thiel rät: Paare müssen sich gerade jetzt viel austauschen. Über ihre Ängste, Sorgen und Gefühle.
  2. Körperkontakt mit dem Partner ist und bleibt wichtig: „Am besten sieben Mal täglich mindestens sieben Sekunden umarmen.“ Auch in Corona-Zeiten.
  3. Entscheidend ist, dass das Paar es jetzt schafft, sich einander zuzuwenden und gemeinsam den Stress zu minimieren.

Die Ausbreitung des Coronavirus sorgt dafür, dass sich momentan viele Paare wochenlang gemeinsam in der Wohnung aufhalten. Das hat Potenzial für jede Menge Stress. Wie der vermieden werden kann und Paare die Coronakrise gemeinsam bewältigen können, erklärt Paarberater Christian Thiel im Interview.

Herr Thiel, die Coronakrise sorgt dafür, dass momentan viele Paare wochenlang gemeinsam in ihrer Wohnung hocken. Und sich irgendwann unweigerlich auf die Nerven gehen. Wie bekommt man das hin, ohne sich zu trennen?

Christian Thiel

Christian Thiel

Christian Thiel: Die Situation gerade ist für niemanden leicht. Und doch sollten wir das in einer Partnerschaft mit Anstand hinbekommen. Das bedeutet: Möglichst nicht über den anderen herfallen. Denn genau das passiert leider oft, wenn wir unter Stress stehen: Wir greifen die Personen aus unserem nächsten Umfeld an. Also unseren Partner oder unsere Kinder.

Wie können Paare diesen Stresstest für die Liebe bestehen und das Beste daraus machen?

Mit der Einstellung: „Wir gegen den Rest der Welt.“ Paare müssen jetzt zusammenstehen gegen das, was gerade auf uns alles einströmt. Konkret geht das, wenn wir uns zum Beispiel jeden Abend gegenseitig bestätigen: „Das haben wir heute gut hinbekommen.“ Aus meiner Sicht ist die aktuelle Panik schlimmer als das Virus selbst. Doch unser Alltag hat sich immens verändert in den vergangenen Wochen. Und daher kommen Stress und Panik.

Zur Person

Christian Thiel ist langjähriger Paar- und Singleberater und Bestseller-Autor. Er lebt in Berlin.www.herzenssache365.de

Die neue Nähe und viele gemeinsam verbrachte Zeit durch die Corona-Maßnahmen sind für viele ungewohnt. Was raten Sie Paaren, die sich gegenseitig nerven, ganz konkret?

Jedes Paar sollte sich sieben Mal am Tag für mindestens sieben Sekunden umarmen. Das schafft wirkliche Nähe, gerade wenn wir angespannt sind. Küsse und zärtliche Gesten wie ein Streicheln über den Rücken sind auch gut. Und mir kann keiner erzählen, er hätte momentan keine Zeit dazu. Wir Menschen brauchen einfach diese emotionale Zuwendung, und wir können sie ganz gewiss nicht von unseren Kindern erwarten. Für Teenager und Pubertierende ist die aktuelle Zeit besonders schwer. Die wollen einfach raus.

Nicht nur die, auch wir Eltern. Bewegung an der frischen Luft ist ja nach wie vor erlaubt. Kann das die Beziehung entlasten?

Auf jeden Fall. Auch ich setze mich momentan noch jeden Tag auf mein Fahrrad und radle über die Felder. Und das rate ich Paaren auch. So lange wir noch raus an die Sonne dürfen, sollten wir das nutzen, natürlich mit dem gebotenen Abstand. Das ständige Aufeinanderhocken führt sonst irgendwann tatsächlich zum Kollaps. Genauso wichtig ist, dass wir vor unserem Partner zugeben, dass wir uns momentan manchmal hilflos und überfordert fühlen. Dass wir einander eingestehen, wie sehr uns diese Krise stresst – und was uns gerade fehlt.

Manchen Paaren fehlt momentan tatsächlich der Sex. Denn Erotik lebt ja von Distanz – und die haben wir momentan eben überhaupt nicht.

Ich sehe es nicht so, dass die Liebe von Distanz lebt, sondern eher vom gegenseitigen Rücken stärken. Und von der Entspannung – und für die haben wir momentan zumindest theoretisch viel Zeit. Unterhalb der Grenze der heißen Erotik gibt es ja noch etwas anderes. Ich denke jetzt mal an das klassische Paar mit zwei kleinen Kindern. Auch wenn die beiden nicht jeden Tag Sex haben, rate ich, sich zumindest jeden Abend aneinander zu kuscheln. Und aus ein bisschen Streicheln kann dann auch mehr werden – ganz ohne Druck. Uns Menschen geht es in jeder Hinsicht besser, wenn wir Sex haben. Aber bei Stress versagt eben das Begehren. Wenn einer von beiden zum Beispiel so viel Stress hat, dass er gar nicht mehr entspannen kann.

Buchtipp

Christian Thiel: Was glückliche Paare richtig machen. Die wichtigsten Rezepte für eine erfüllte Partnerschaft. Campus-Verlag, 19,99 Euro.

Und dann? Wie gehen wir damit um?

Es einfach akzeptieren und nicht damit hadern. Aber ein regelmäßiges Aneinanderkuscheln, das muss drin sein. Das ist immer machbar, auch in schwierigen Zeiten. Und manchmal entsteht dann eben doch etwas. Paare sollten sich auf jeden Fall auch jetzt noch küssen und umarmen. Denn wenn wir zusammen wohnen, stecken wir uns so oder so an, falls einer von beiden infiziert ist.

Wie können Paare diese Krise in etwas Gutes verwandeln – und die gemeinsame Zeit bestmöglich nutzen?

Indem sie sich mehrfach täglich vergewissern: „Wie geht es dir? Was bewegt dich“? Momentan sind das bei vielen die finanziellen Ängste. Natürlich stresst es extrem, wenn man wochenlang keine Einnahmen hat. Paare müssen das aussprechen, darüber reden. Und zwar nicht über den schlimmsten möglichen Fall, sondern über den wahrscheinlichsten Fall. Ich finde es sehr wichtig, dass wir jetzt über unsere momentane Befindlichkeit sprechen, auch mit unseren Kindern, die ja momentan weder zur Schule, noch zu den Großeltern können. „Was können wir für euch tun? Was braucht ihr?“ Das sind zentrale Fragen.

Werden die Scheidungsraten in nächster Zeit wegen Corona in die Höhe schnellen?

Das halte ich für völlig übertrieben. Klar, einem Teil der Bevölkerung geht es durch den Stress und die Angst jetzt nicht gut. Andere vergessen durch die Krise die Probleme, die sie vorher hatten. Letztendlich können wir doch nach wie vor froh sein, wie gut es uns geht. Dankbar zu sein für das, was man hat, ist immer eine gute Idee. Denn dann fokussiert man sich auf das Positive und zieht mehr davon ins eigene Leben.

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Was sollten Paare jetzt gemeinsam tun? Den Keller ausmisten? Den Balkon bepflanzen? Was macht am meisten Sinn?

Das, was den Leuten persönlich gut tut. Und in den meisten Fällen ist das Bewegung. Eine Krise kann und sollte zusammenschweißen. Für viele Paare war es schon immer eine Herausforderung, wenn sie plötzlich viel Zeit gemeinsam verbracht haben. Viele trennen sich ja bekanntlich nach dem Urlaub oder nach Weihnachten. Das liegt aber auch daran, dass diese Zeiten emotional sehr aufgeladen und die Erwartungen groß sind. Jetzt in Corona-Zeiten haben wir keine hohen Erwartungen. Wir freuen uns alle auf die Zeit danach, wenn die Krise wieder vorbei ist. Das Leben wird ja weiter gehen. Die entscheidende Frage aktuell ist: Kann sich ein Paar einander zuwenden und gemeinsam schaffen, den Stress zu minimieren?